WILLKOMMEN IM SHOPPING DILEMMA

Von Seeperlen
Eigentlich wollte ich heute über tolle Adressen für Basics schreiben (Mache ich auch noch. Versprochen!). Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, welche Shops und Marken ich guten Gewissens empfehlen kann, desto unsicherer wurde ich. Für jeden auch nur ansatzweise kritisch denkenden Menschen sind Shoppen und Mode einfach keine unverfänglichen, rein unterhaltsamen Themen mehr. Wenn ich hier eine Empfehlung ausspreche, dann möchte ich voll und ganz dahinter stehen können. Leider wird das immer schwieriger. Woran erkennt man, was wirklich "gut" ist, im Sinne von Qualität, Herkunft und Preis-Leistungs-Verhältnis? 
Ein hoher Preis ist keine Garantie für gute Qualität, wie man inzwischen weiss. Teure Labels lassen ihre Kleidung in den selben Fabriken nähen wie günstige Highstreet Ketten. Sogar Marken, die eigentlich für Luxus und Couture stehen, lassen billig im Ausland produzieren und nehmen für geringe Produktionskosten gerne unmenschliche Arbeitsbedingungen in Kauf. Eigentlich ist es ja komisch, dass jemals angenommen wurde, es sei anders. Warum sollte wirtschaftlich kalkuliertes Denken und Handeln vor namenhaften Modehäusern halt machen? Vielleicht weil hier nicht so offensichtliche Massen produziert werden. 
Bei H&M & Co. beschleicht einen ja schon beim Betreten des Geschäfts das Gefühl, dass all diese Berge von Klamotten einfach nicht in Ordnung sein können. Das verrät allein der oft leicht chemische Geruch, der von den zwanzig Exemplaren einer einzigen Hose ausgeht, die in hundert anderen Filialen in derselben Stückzahl hängt. Also sage ich mir "Nein. Das will ich nicht mehr!" und bestelle eine teure Markenjeans. Aber die riecht beim Auspacken genauso chemisch und färbt obendrein noch meinen Lieblingsmantel schlumpfblau. Dann gibt es Labels wie FTC oder Armed Angels, die sich für vernünftig produzierte Mode stark machen. Den höheren Preis für fair gehandelte und produzierte Kleidung würde ich ja gerne noch bezahlen, aber meistens scheitert es daran, dass das Sortiment aus Kapuzenpullis und T-Shirts mit ulkigen Motiven besteht.
Was tun? Nackt gehen ist in unserer westlichen Gesellschaft eher verpönt, also auch keine Alternative. Wäre im Winter ja auch viel zu kalt. So wird eine harmlose Shoppingtour zu einem Dilemma ohne Ausweg. Weniger kaufen ist ein viel gepriesener und sicher auch vernünftiger Ansatz. Aber ich verwöhne mich eben gerne mal mit einer Kleinigkeit oder stöbere bei einem Shoppingbummel durch die Geschäfte - was hier in Konstanz bedeutet, dass man bei Zara und H&M reinschaut. In den meisten Einkaufsstraßen in deutschen Städten sieht es nicht anders aus. 
Ach, so vieles müsste sich ändern. Ich wünsche mir mehr Diversität und Transparenz von den Geschäften und Onlineshops. Ich wünsche mir, dass Kleidung wieder als ein Stück Handwerkskunst, als ein Produkt mit einem bestimmten Wert wahrgenommen wird. Nicht mehr als Wegwerfgegenstand. Ich wünsche mir, dass Konsumenten den Preis und die Herkunft von Kleidung besser nachvollziehen und damit eine fundierte Kaufentscheidung treffen können. Ich wünsche mir auch mehr Unternehmen, die klassische Basics wie Blazer und Blusen nachhaltig und fair produzieren. 
Letzten Endes wünsche ich mir auch für mich selbst die Standhaftigkeit, öfter "Nein" zu sagen. Weniger zu kaufen, öfter zu verzichten und mich an dem zu erfreuen, was ich besitze. Das ist mein fester Vorsatz für die Zukunft. Denn ich bin auch der Meinung, dass gerade Menschen, die über Mode schreiben, eine Verpflichtung haben, dieses Thema mit kritischem Verstand zu behandeln, anstatt den unbedarften Shopping-Animateur zu geben, der jeden Tag für ein neues Produkt die Werbetrommel rührt. Sicher keine leichte Aufgabe, aber ich werde mir Mühe geben.