Il Villaggio ist ein Künstler- und Handwerkerdorf, das 1949 am Stadtrand der oberitalienischen Stadt Modena gegründet wurde. William Guerrieri dokumentierte fotografisch, wie sich die Siedlung im Laufe der Jahrzehnte wandelte, indem Manufakturen sich einander ablösten, die Produktionsbedingungen modernisiert und die Häuser des Architekten Mario Pucci verändert wurden. Zu sehen ab 2. Dezember im Mediapark Köln.
Ausstellungsankündigung
In dem 2009 entstandenen Projekt Il Villaggio/The Village des italienischen Künstlers William Guerrieri (*1952) steht die photographische Erkundung eines abgesteckten Terrains im Mittelpunkt. Es handelt sich um ein ehemals in sich geschlossenes Künstler- und Handwerkerdorf, das 1949 als Ortsteil der norditalienischen Stadt Modena von dem damaligen Bürgermeister Alfeo Corassori gegründet wurde. Der Architekt Mario Pucci entwarf 1953 dem Grundsatz einer möglichst nahen Verbindung von Arbeiten und Wohnen folgend die entsprechenden Gebäude. Das Konzept schien aufgegangen zu sein. Denn schon in den ersten Jahren etablierten sich über 70 handwerkliche Betriebe und kleinere Firmen. Im Laufe der Jahrzehnte wandelte sich die Siedlung, Manufakturen lösten einander ab und die Produktpalette wie die Produktionsbedingungen wurden gemäß den ökonomischen Bedingungen modernisiert. Diese Entwicklungen spiegeln sich in den Umgestaltungen des Geländes, der Häuser und der Innenräume und nicht zuletzt veränderte sich in Folge auch das gesellschaftlich-soziale Gefüge – ein dynamischer, sich gegenseitig bedingender Prozess, wie er an vielen Orten industrieller Prägung zu beobachten ist und für den Il Villaggio/The Village exemplarisch steht.
Im Jahr 2009, sechzig Jahre nach Gründung des Dorfes, begibt sich William Guerrieri mit der Kamera auf Spurensuche. Vergleichbar dem geschulten Auge eines Archäologen, der mit größter Vorsicht Schicht für Schicht freilegt und für den jeder gefundene Gegenstand, sei er noch so unscheinbar und klein, ein Zeugnis seiner Zeit abgibt, entdeckt Guerrieri immer wieder unterschiedliche Hinweise, die von der Vergangenheit sowie ihren vielen verschiedenen Phasen und Facetten erzählen. Dies kann beispielsweise ein gefundenes Detail wie eine an einer Wand hängende Aufnahme zweier Männer sein, vielleicht bei einem Firmenjubiläum entstanden, das Guerrieri sozusagen als Teil einer aus dem Alltag entstandenen Assemblage ins Bild bannt. Dies können über Gegenstände hinaus aber auch umfangreiche architektonische Umgestaltungen sein, die seine Aufmerksamkeit erlangen. So zeigt eine bei Nacht aufgenommene Photographie zwei in künstliches Licht getauchte Gebäude, die wohl als Vergnügungsstätten genutzt, aber ursprünglich kaum als solche geplant worden sind. Durch die offensichtliche Umgestaltung erinnert die Szenerie fast an eine Filmkulisse. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen, still und rätselhaft zeigt sich der Ort. Bei aller dokumentarischen Treue seiner Aufnahmen schwingt immer auch Atmosphärisches mit, die Vorstellungen über den aktuellen Zustand wie auch die Lebenswirklichkeit vergangener Tage wachrufen
Den eigenen Aufnahmen von Il Villaggio/The Village hat der Künstler Ausschnitte aus verschiedenen Werbebroschüren Ende der 1950er-Jahre sowie aus der Druckschrift First Day of the Artisan Village von 1961 hinzugefügt. Letztere enthält neben Photographien und Zeichnungen auch eine Liste aller damals ansässigen Betriebe inkl. Telefonnummern, Adressen und Straßenkarten. Teile beider Broschüren werden in der Ausstellung per Monitorausstrahlung gezeigt.
Mit dieser Ausstellung zeigt die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Kooperation mit dem Künstler das Projekt Il Villaggio/The Village, entstanden 2009. Für die Präsentation in Köln hat William Guerrieri die 50 Aufnahmen umfassende Serie, die erst ein einziges Mal in der Biblioteca Civica d’Arte Poletti in Modena zu sehen war, um einige unpublizierte Motive erweitert.
William Guerrieri konzentriert sich seit Beginn der 1990er-Jahre auf die photographische Dokumentation von Innenräumen wie Büros, Lesesäle, Flure oder Eingangssituationen, aber auch der Architektur und Landschaft gilt sein Interesse. Stets legt er seine Photographien in Serien an, bezieht aber auch historische Aufnahmen anderer Photographen oder anbindendes Material, beispielsweise aus Archiven oder vor Ort gefundene Objekte in seine Präsentationskonzepte ein. Hält er in seinen farbigen Aufnahmen den Status quo einer angetroffenen Situation nüchtern und präzise fest, so entsteht durch die Verknüpfung mit historischem Archiv- oder Gebrauchsmaterial ein Werkkomplex, der in künstlerischem Transfer auf die Geschichte eines Ortes verweist und den Aspekt aufeinander folgender Entwicklungsphasen ebenso reflektiert wie die Frage nach der Verarbeitung von Erinnerung.
William Guerrieri ist seit 2001 Koordinator von Linea di Confine, einer in Rubiera ansässigen Organisation, die sich der photographischen Dokumentation des Strukturwandels der norditalienischen Region Emilia-Romagna verschrieben hat. Im Jahr 2007 hat die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur unter dem Titel Trans Emilia eine Auswahl aus dem umfangreichen Bildbestand von Linea de Confine präsentiert, kuratiert von Fotomuseum Winterthur. Guerrieri hat in diesem Kontext 2006 entlang der sich im Bau befindlichen Zugtrasse Bologna-Mailand photographiert (Where it was). Weitere Projekte: Ambienti pubblici/Public Spaces, 1991-1993, 1994; Oggi nessuno puó dirsi neutrale/Heute kann sich niemand mehr neutral nennen/Today nobody can call himself/herslf neutral, 1998; Oppositions, 2000.
Quelle: SK Stiftung Kultur
Wann und wo
Die Photographische Sammlung (Raum 2)
Im Mediapark 7
50670 Köln
2. Dezember 2011 bis 5. Februar 2012