Willi Graf wurde am 2. Januar 1918 in Kuchenheim geboren, sein Vater, Gerhard Graf, leitete die dortige Molkerei. Als Willi vier Jahre alt war, zog die Familie nach Saarbrücken, da der Vater dort die Geschäftsführung einer großen Firma für Weingroßhandel und Saalvermietung übernommen hatte. In dem stark katholisch geprägten Elternhaus wuchs er mit seinen beiden Schwestern wohl behütet, sowie kulturell und intellektuell interessiert, auf. Willi besuchte erfolgreich das humanistische Gymnasium in Saarbrücken. Nach Abitur und Arbeitsdienst beginnt Willi Graf Ende 1937 in Bonn sein Medizinstudium, weil er sich von diesem die größten Freiheiten erhoffte, in einer Zeit, in der die Freiheit nicht nur trügerisch, sondern nur ein leeres Wort war. Wegen seiner Mitgliedschaft im ‚Grauen Orden’, einer damals verbotenen katholischen Jugendbewegung, wird er 1938 inhaftiert und angeklagt, doch das Verfahren wird im Zuge einer Generalamnestie nach dem ‚Anschluss’ Österreichs eingestellt.1940 muss Graf zur Wehrmacht, wird zum Sanitäter ausgebildet und an der West- und Ostfront eingesetzt. Dort wird er Zeuge nationalsozialistischer Verbrechen. Im April 1942 wird Willi Graf in eine Münchner Studentenkompanie versetzt, wo er sein Studium fortsetzt und Hans Scholl und Alexander Schmorell kennen lernt. Im Dezember 1942 entschließt sich der Medizinstudent Willi Graf zum aktiven Widerstand gegen die Hitler-Diktatur. Graf weiß, dass die beiden, Hans Scholl und Alexander Schmorell im Sommer vier regimekritische Flugblätter verbreitet haben. Nun will er sie dabei unterstützen. Seit seiner Jugend ist er Gegner des Nationalsozialismus, denn seine christliche Überzeugung lässt sich nicht mit der NS-Ideologie vereinbaren, sein gesamtes humanistisches Weltbild steht völlig konträr zur NS-Herrschaft. In den Weihnachtsferien 1942/43 unternimmt Graf mehrere Reisen in andere Städte, bei denen er in seinem alten Freundeskreis um Mitstreiter wirbt. Seit Dezember 1942 ist er an der Diskussion des fünften Flugblattes der Weißen Rose beteiligt und versucht erneut, bei einer Reise vom 20. bis 24. Januar 1943 Unterstützung bei Freunden in Köln, Bonn, Saarbrücken, Freiburg und Ulm zu finden. Im Februar 1943 beteiligt er sich an den Freiheitsparolen der Gruppe in der Münchener Innenstadt und unterstützt die Herstellung und Verbreitung des sechsten Flugblattes der Weißen Rose. Es waren insgesamt sechs Flugblätter, die die Studenten zu nächtlicher Stunde in mühseliger Handarbeit auf Vervielfältigungsapparaten herstellten. Diese Flugblätter gipfelten immer wieder in dem Aufruf an Kommilitonen und Lehrer, endlich den Weg vom Wissen zum Widerstand zu gehen. Sie wandten sich nicht nur gegen das faschistische System, sondern gegen die Deutschen, die es ertrugen. Sie konzentrierten sich darauf, das Ausmaß von Schuld und Verbrechen der Nazis bewusst zu machen …
Ein Auszug aus einem der Flugblätter:
„Nicht über die Judenfrage wollen wir in diesem Blatte schreiben, keine Verteidigungsrede verfassen – nein, nur als Beispiel wollen wir die Tatsache kurz anführen, die Tatsache, dass seit der Eroberung Polens 300000 Juden in diesem Land auf bestialische Weise ermordet worden sind. Hier sehen wir das fürchterliche Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann. Auch die Juden sind doch Menschen – man mag sich zur Judenfrage stellen wie man will -, und an Menschen wurde solches verübt. Vielleicht sagt jemand, die Juden hätten ein solches Schicksal verdient; diese Behauptung wäre eine ungeheure Anmaßung. Aber angenommen, es sagte jemand dies, wie stellt er sich dann zu der Tatsache, dass die gesamte polnische Jugend vernichtet worden ist (…). Wozu wir Ihnen dies alles erzählen, da Sie es selber schon wissen, wenn nicht diese, so andere gleich schwere Verbrechen des fürchterlichen Untermenschentums? Weil hier eine Frage berührt wird, die uns alle zutiefst angeht und allen zu denken geben muss. Warum verhält sich das deutsche Volk angesichts dieser scheußlichsten, menschenunwürdigsten Verbrechen so apathisch?“
Sicher spielten bei den Studenten der ‚Weißen Rose’ politische Motive die sichtbarste Rolle. Das innere Motiv aber war die menschenverachtende Tyrannei der Machthaber. Im Kampf gegen den Faschismus ging es in erster Linie um die Wiederherstellung humaner Werte und um die Verteidigung der Freiheit. Von daher formte sich auch das Bild von dem, was danach kommen sollte. Eine Tagebuchnotiz Willi Grafs vom 14. Januar 1943 lautet: „Ob es der richtige Weg ist? (…) Manchmal glaube ich es sicher, manchmal zweifle ich daran, aber trotzdem nehme ich es auf mich, wenn es auch noch so beschwerlich ist…“ Die Gestapo nimmt Willi Graf am 18. Februar 1943 fest. Auch unter Folter verrät er keine Mitstreiter. Der Volksgerichtshof, unter Vorsitz von Roland Freisler, klagte ihn, Professor Kurt Huber und Alexander Schmorell am 19. April 1943 in München wegen Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung an und verurteilte ihn, wie auch die Mitangeklagten zum Tode. Fast ein halbes Jahr später wird Willi Graf am 12. Oktober 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim ermordet. 1946 wurden seine sterblichen Überreste nach Saarbrücken überführt und am 4. November auf dem Alten Friedhof St. Johann beigesetzt.
In seinem letzten Brief schreibt er:
"Meine geliebten Eltern,
meine liebe Mathilde u. Anneliese, an diesem Tag werde ich aus dem Leben scheiden und in die Ewigkeit gehen. Vor allem schmerzt es mich, dass ich Euch, die Ihr weiterleben werdet, diesen Schmerz bereiten muss. Aber Trost und Stärke findet Ihr bei Gott, darum werde ich bis zum letzten Augenblick beten, denn ich weiß, dass es für Euch schwerer sein wird als für mich. Ich bitte Euch, Vater und Mutter von Herzen, mir zu verzeihen, was ich Euch an Leid und Enttäuschung zugefügt habe, ich habe oft und gerade zuletzt im Gefängnis bereut, was ich Euch angetan habe. Verzeiht mir und betet immer wieder für mich! Behaltet mich in gutem Andenken! Seid stark und gefasst und vertraut auf Gottes Hand, der Alles zum Besten lenkt, wenn es auch im Augenblick bitteren Schmerz bereitet. Wie sehr ich euch geliebt habe, konnte ich Euch im Leben nicht sagen, nun aber, in den letzten Stunden sage ich Euch, leider nur auf diesem nüchternen Papier, dass ich Euch alle von Herzen liebe und euch verehrt habe. Für Alles, was Ihr mir im Leben geboten habt und was Ihr mir durch Eure Fürsorge und Liebe ermöglicht habt. Schließt Ihr übrigen Euch zusammen und stehet in Liebe und Vertrauen zueinander! Die Liebe Gottes hält uns umfasst und wir vertrauen Seiner Gnade, möge Er uns ein gütiger Richter sein. Mein letzter Gruß euch allen, lieber Vater und geliebte Mutter, Mathilde Ossy, Anneliese , Joachim , alle Verwandten und Freunde. Gottes Segen über uns, in Ihm sind wir und leben wir. Lebet wohl und seid stark und voller Gottvertrauen!
Ich bin in Liebe immer.
Euer Willi."
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Bild 1: Willi Graf – Quelle: planet-wissen.de · Bild 2: Die Weiße Rose – Quelle: wikimedia.org · Bild 3: Buchtitel Willi Graf