Hunter S. Thompson wird „heute viel zu oft nur noch als eine Karikatur wahrgenommen […]: als menschenhassender, dauerzugedröhnter Freak mit einer Schreibmaschine.“ Die grafische Biografie dieses Mannes wage einen anderen Blick auf den Schriftsteller – „in seinem Balanceakt zwischen dem altbekannten Paar Genie und Wahnsinn, Schreib- und Drogenexzessen, zwischen Fakten und Fiktion.“ Ganz auf ging dieses Vorhaben allerdings nicht – dennoch ist diese Graphic Novel ein lesenswerter Versuch, diesem oft gedeuteten und selten angemessen gewürdigten Allrounder der US-amerikanischen Literatur näherzukommen.
Die Anekdoten über Hunter S. Thompson füllen Bücher und zeichnen das Bild eines Autors, welches sich auf folgende Schlagworte reduzieren ließe: Waffennarr, Alkoholiker, Kiffer und LSD-Konsument; Hell’s Angels, Nixon, Gonzo, Alter Ego Raoul Duke und schlussendlich Suizid. Diese Zuschreibungen tragen dazu bei, einen Mythos zu begründen, der abseits seiner Texte ent- und besteht, den Blick auf den Literaten und seine Arbeiten verstellt und darüber hinaus eine vermarktungsfähige Gegenposition begründen soll – ob als Gegenchronist der US-amerikanischen Gesellschaft, als Rebellion gegen literarische bzw. journalistische Standards oder, vereinfacht ausgedrückt, als eine Alternative zum vermeintlich allgegenwärtigen Mainstream. Eine Darstellung abseits dieser scheinbar allgegenwärtigen Klischees würde zeigen, dass Hunter S. Thompson sehr viel mehr ist als das. Hier setzt, ließe sich unterstellen, GONZO. Die Grafische Biografie von Hunter S. Thompson an: Wer ihn nur so kenne, „der hat keine Vorstellung davon, dass Hunter in seiner besten Zeit ein sehr ernsthafter, hart arbeitender Schriftsteller war, der über jedes einzelne Wort nachdachte und es sorgsam auswählte, der sich an jedem Satz abquälte, an seinem Inhalt, den verschiedenen Bedeutungsschichten, dem Rhythmus, der unnachahmlichen Stimme, dem Witz und der Schärfe“, schreibt sein langjähriger Lektor Alan Rinzler im Vorwort. Und: „Hunter hätte der Schwergewichts-Champion der amerikanischen Literatur werden können.“ Damit trifft er den Kern, bleibt aber leider bei diesen immer wieder bemühten Bildern stehen: den auf Grund der Eigenarten Hunter S. Thompsons zu erwartenden Komplikationen während des Arbeitsprozesses, deren Verbindung zu Alkohol- und Drogenexzessen sowie der Bedeutung der Verfilmungen seiner Arbeiten für das von ihm gezeichnete Bild u. a. – befremdlich wirkt hier vor allem die Betonung der Bedeutung seiner Arbeit als Lektor, fast so, als wären die vier bedeutendsten seiner Werke nicht ohne seine Hilfe möglich gewesen. Neues oder Unbekanntes, was im Stande wäre, das kritisierte Bild zu verändern, liefert er nicht – die Gleichsetzung zwischen Protagonist (Raould Duke vs. Dr. Gonzo) und Autor ist hier vielmehr viel zu deutlich angelegt; ein Versuch übrigens, der die Auseinandersetzung mit Texten oft auf abseitige, weil nicht mit literarischen Fragestellungen kompatible Wege lenkt und dabei selten für diese relevante Aussagen erbringt. Wird nun noch die Reduktion des für Graphic Novels üblichen Formats – wodurch die Lektüre erschwert wird – berücksichtigt, sind alle Mängel benannt.
GONZO. Die Grafische Biografie von Hunter S. Thompson bildet das Leben eben jenes in den 60er und 70er Jahren ab, wobei bezüglich dieses „Projekts“ vor allem der künstlerische Ansatz zu betonen ist: eine Annäherung an, eine Auseinandersetzung mit diesen/m Autor, seinem Leben und Werk. Nicht nur die Einbindung zahlreicher Zitate des Schriftstellers – welche dieser „Biografie“ eine gewisse Nähe, Authentizität verleihen –, sondern auch die Verbindung mit einem Format, das für Darstellungen dieser Art ganz sicher nicht ungeeignet ist, schafft Anreize, sich mit seinen Arbeiten auseinanderzusetzen – und damit das überlieferte Bild zu korrigieren.