Wien entledigt sich der Unbequemen an der Front

Von Medicus58

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GTL | 28.11.2013 | Kommentare (0)

Wien entledigt sich der Unbequemen an der Front

 Kürzlich habe ich hier unter Weg mit den Primarii! (http://wp.me/p1kfuX-HX) darauf hingewiesen, dass seit Jahren der Trend dahin geht, die (in sehr bescheidenem Rahmen) eigenständigen ärztlichen Abteilungsleiter zu demontieren und mich keiner Illusion darüber hingegeben, dass die allgemeine Trauer darüber ihre Grenzen haben wird.
Auch in Wien hat dieser Trend – insbesondere bei den „kleinen Fächern“ schon vor über einem Jahrzehnt eingesetzt, als z.B. vakant gewordene Primariate nur supplierend durch ehemalige Oberärzte weitergeführt wurden. Intensive Versuche der Zusammenlegung mit anderen Abteilungen, schließlich findet sich immer ein Eitler, der sich so die Klassegelder mehrer Abteilungen zu sichern glaubt und weniger an der aktiven Mitarbeit im eigenen Team als am Antechambrieren bei den politischen Entscheidungsträgern interessiert ist. Wer sich erfolgreich von der Beschäftigung mit den lästigen Details der Ebene freimacht, genießt das „Master-of-the- Universe-Feeling“ des Machers, wie es Michael Douglas so eindrucksvoll in Wallstreet 1 vorgeführt hat; zwar mit letztendlich doch weniger Knete aber nicht minderem Größenwahn.

Die auf den niedergelassenen Bereich fokusierte Ärztekammer hat erst vor etwa 2 Jahren den Trend begriffen (Spitalsreform: Ärztekammer strikt gegen Mehrfachprimariate http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110406_OTS0150/spitalsreform-aerztekammer-strikt-gegen-mehrfachprimariate). Wie nicht anders so erwarten, war auch von juirostoscher Seite nicht mehr als Gemeinplätze dazu zu hören: „Die Übernahme zweier oder mehrerer Primariate ist nur dann zulässig, wenn die mit der Abteilungsführung verbundenen Verpflichtungen von ein und derselben Person auch tatsächlich wahrgenommen werden können“, informiert Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner, LL.M., von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien.(http://www.medmedia.at/starkere-mitsprache-fur-leitende-krankenhausarzte-osterreichs/)

Während entsprechende Entwicklungen in anderen Bundesländern (NÖ, Steiermark!) schon weit fortgeschritten sind, geht nun auch Wien, im Zuge der Umstrukturierung des KAV deutlich diesen Weg.

Als Gesundheitsstadträtin Wehsely am 17.3.2011 ihr Wiener Spitalskonzept 2030 präsentierte (http://www.wien.gv.at/gesundheit-soziales/spitalskonzept.html), war das das alles noch unter den Nebelbänken von „Schwerpunktbildung“ versteckt, vermutlich politisch auch noch gar nicht explizit beabsichtigt, nun geht es aber plötzlich völlig eindeutig in die Richtung:

Jeweils zwei Spitäler (WIL+KHL, KFJ+RUD, DSP+KHN) werden organisatorisch zunehmend als eine Einheit gesehen und sollen zentral gesteuert werden.

Es ist absehbar, dass das das Ende der lokalen Kollegialen Führungen (Ärztliche, Verwaltungs-, Pflege- und technische Direktion) bedeutet. Unter dem Titel der Schwerpunktbildungen werden zum Teil rezent für nicht gerade wenig Geld Großgeräte nicht weiterbetrieben oder zwischen zwei Häusern „geteilt“. Gleichnamige Abteilungen werden vermutlich so lange in Mehrfachprimariate übergeführt, bis man zum Schluss nur noch einen „Primar“ rauswerfen muss, um endlich vor Ort nur mehr einem Heer von „medizinischen Arbeitern“ zu haben, die mit den zugeordneten Produktionsmitteln den Anschein einer Prozess- und Ergebnisqualität aufrecht erhalten müssen. Einsprüche von unten sind dann endgültig eliminiert, zumal das „gestrige Modell eines lokalen Chefs“ den hochfliegenden Managementplänen eloquenter Manager nicht mehr in die Suppe spucken mag. Die Entsolidarisierung des Ärztestandes ist auch schon so hoch, dass kaum zu befürchten ist, dass es zu einem akkordierten Widerstand kommen wird. Selbst die ungleich besser organisierte Pflege schaut derzeit mehr oder weniger untätig zu, wie auch an ihrer ehemals unangreifbaren Eigenständigkeit gesägt wird.
Im Prinzip kann man ja jede Organisation sowohl zentral als auch dezentral strukturieren. Mir scheint aber, dass nun die gesamte Entscheidungsgewalt zentralisiert und die Verantwortung an die Front dezentralisiert wird.