Schlafender Silbersack im Tageslicht
Ein Besuch in Hamburg: Das bedeutet für uns stets auch rituelle Begehungen und Aktivitäten. Dazu gehört zuallererst jene Besonderheit, mit der Fähre zum ganz normalen ÖPNV-Preis bis raus nach Finkenwerder zu fahren. Muss sein, wird gleich gemacht. Dazu gehört es, am Sonntag den Fischmarkt in seinem Erschöpfungszustand zu besuchen. Wie jedes Mal zu spät fürs morgendliche Treiben, sehen wir dem Abbau zu. Wie jedes Mal essen wir Franz- und Fischbrötchen in diesen Tagen. Wie jedes Mal umkreisen wir den Silbersack, der uns dieses Mal schon am Eingang ausspuckt. Und das am Sonntag Abend … so voll, dass wir den Fuß nicht reinsetzen mögen, kaum können. Wie jedes Mal durchwandern wir Schanzenviertel (mittlerweile gentrifiziert wie der Prenzlauer Berg) und Caroviertel, immer noch ein bisschen anders.
Fischmarkt Altona – Ein Morgen danach
Grundversorgung: Fischbrötchen
Urban Gardening im Caroviertel in Hamburg – Frühe Keimzelle einer Idee
Kulinarisches Hamburg – Erst kommt das Fressen…
Portugal-Fans wie wir lieben die Präsenz portugiesischer Lebensmittelläden, Cafés und Bars in Hamburg, das sogar ein ganzes „Portugiesisches Viertel“ am Hafen drunten bietet. Während dieses längst ein Rummelplatz am Wochenende geworden ist, auf dem Menschenmassen mit Muscheln gefüttert werden, sind wir dieses Mal entzückt von einem kleinen portugiesischen Café vor den Zeisehallen in Ottensen. Pastéis de nata und andere bezaubernde Küchlein, dazu der portugiesische Milchkaffee Galao, wunderbar. Im Hauptgebäude (siehe Foto ganz oben) finden Programmkinofreunde ihr Hamburger Eldorado.
Und wir besuchen die Küchen aus Ländern, die in Frankfurt nicht gastieren. Dieses Mal: Bretonisch und Litauisch. In beiden Fällen ist das interessant, in beiden Fällen so hochprofessionell, dass wir den Tribut an deutsche Standardgaumen und -ansprüche spüren. Touristen wie wir können uns darüber kaum erheben, wir essen und verbringen mit Freunden gute Zeiten – im TI BREIZH (Haus der Bretagne) ebenso wie im Litauischen Restaurant Teigtasche.
Galette und Cidre an der Elbe
Hamburg per Bus: Traditionell, live und in Farbe
In einer großen fremden Stadt sollte man Bus fahren. Die Gruppentageskarte ist mit 11,20 € für rmv-gefolterte Besucher(innen) wie uns erstaunlich günstig und lohnt sich auch ruckzuck ab 2 Personen, denn wie gesagt: Man kann sogar ausführlich Schiffchen auf der Elbe fahren damit. Der hanseatische Busfahrer als solcher scheint sich vom garstigen an der Ostseeküste, vom routiniert-unfreundlichen in Berlin und vom neutral-desinteressierten in Frankfurt (alles Realerfahrungen, denen aber zugegebenermaßen außer in Frankfurt am Main die statistische Grundlage fehlt) wohltuend abzuheben. Zwar können wir nicht mit einem großen Schein im Bus bezahlten, dies wird uns aber launig und ausführlich erklärt, als habe der Busfahrer a) alles Zeit der Welt und b) eine Fortbildung in Beschwerdemanagement gemacht, die zur heiteren Anwendung kommt, bevor wir uns noch irgend beschweren könnten. Zum Ausgleich fürs Münzensuchen wird uns sogar ein Hamburger Stadtplan angeboten.
Wir fahren mehrere Strecken ab in diesen Tagen, kommen auch in unwirtliche Außenbezirke und landen wieder da, wo man so gar keinen Stadtplan braucht: An der Binnenalster, am Jungfernstieg. Dort gibt es einen der ca. hundert Weihnachtsmärkte, die in Hamburg über die Stadt verteilt sind. Möwen flattern vor Märchenschiffen und es wird eine Speise angeboten, die wir nicht kennen, sehr typisch und selten: Kaminbrot.
Jungfernstieg Hamburg
Unbekannte Speise: Kaminbrot am Lucullus-Stand
So richtig hanseatisch kühl kommt hingegen die Gästeführerin rüber, die uns durchs Hamburger Rathaus führt. Im Leben wäre ich nicht auf die Idee gekommen, das Hamburger Rathaus zu besichtigen, hätte der Liebste nicht gedrängelt. Man sollte es tun! Vermutlich ist kein anderes Landesparlament in so prunkvollen Räumen untergebracht wie die Bürgerschaft des Stadtstaats Hamburg. Kaufmännisches Mäzenatentum hat für eine Ausstattung gesorgt, die man prassendem Adel zuschreiben würde, selbstbewusst und ungeniert schmücken koloniale Ziele die Deckenbilder, filigrane Schnitzereien von „Waisenkindern“ ein unbenutztes Durchgangszimmer.
Hamburg sei nun mal „die schönste Stadt der Welt“, erfahren wir. Und eine reiche dazu, das sehen wir.
Der Festsaal im Hamburger Rathaus – fürwahr nur ein Ausschnitt
Und doch sitzen wir abends gemütlich in der ein oder anderen Kneipe in St.Pauli und bestaunen das Ende der aktuellen, olympischen Sehnsuchtsgröße. Denn Hamburg ist auch so:
Wieder im Bus. Eine Kindergarten-Gruppe steigt ein. Die Erzieherinnen verbieten einem hungrigen Fratz das Essen im Bus.
Tipps für Hamburg:
- Alternative Hafenrundfahrten: Die weltbeste Stadtführerin stand uns – wir haben halt Glück – privat zur Verfügung (DANKE, Sonja!) ist aber auch Mitglied der Hafengruppe, die alternative Hafenrundfahrten mit Informationen u.a. zur Kolonial- und Migrationsgeschichte Hamburgs anbietet. Derzeit Winterpause, aber bei milderen Wettern absolut empfehlenswert.
- Kulinarisches Hamburg: Zuhause entdecke ich jetzt eine großartige Seite über die portugiesische Szene in Ottensen. Da gibt es auch für uns in der Zukunft noch viel zu entdecken. Das Wasser läuft mir jetzt schon im Mund zusammen.
Crêpes und Galettes in Hamburg im TI BREIZH in der Deichstrasse 39.
Zepellini und mehr… Litauische Küche an der Elbe im Restaurant Teigtasche in der Hein-Hoyer-Str. 10 (St.Pauli).