14.2.2012 – Mit eiserner Hand zwingt die EU Griechenland von einem Sparpaket ins nächste. Unter der Führung unserer unbarmherzigen Kanzlerin fordern wir immer weitere Privatisierungen und Lohnkürzungen, den Verkauf von öffentlichem Eigentum und den fortgesetzten Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst oder drastische Kürzungen bei den ohnehin geringen Sozialleistungen.
Wer Not säht, erntet Wut
Das griechische Parlament hat am Wochenende dem insgesamt achten Sparplan innerhalb der letzten drei Jahre zugestimmt, während Hundertausende Menschen auf den Straßen und Plätzen von Athen gegen den Kurs ihrer nicht gewählten und unrechtmäßigen Regierung protestierten.
Die Griechen mussten erleben, wie sich ihr Land unter dem Diktat der EU in wenigen Jahren zu einer postdemokratischen und neoliberalen Gesellschaft nach deutschem Vorbild entwickelt hat. Als Gegenleistung für sogenannte „Hilfspakete“ haben die europäischen Staatsoberhäupter und der IWF Forderungen durchgesetzt, die mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensumstände der Menschen in Griechenland verbunden sind.
Hierzu zählen unter anderem der drastische Abbau sozialer Leistungen, die Erhöhung von Verbrauchersteuern, die fortgesetzte Privatisierung von öffentlichem Eigentum, die Schließung von Krankenhäusern und Schulen oder die Senkung von Löhnen im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft.
Der aktuell beschlossene „Sparplan“ sieht weitere Einschnitte vor. So müssen im öffentlichen Dienst noch in diesem Jahr wiederum 15.000 Stellen abgebaut werden. Bis 2015 sollen insgesamt 150.000 öffentliche Arbeitsplätze wegfallen. Der griechische Staat muss seine Ausgaben um weitere 1,5 Prozent des BIP senken und wird alleine die Ausgaben im Gesundheitssystem um 1,1 Milliarden Euro und öffentliche Investitionen um 400 Millionen Euro kürzen.
Die Griechen reagieren mit zunehmender Empörung auf die Verschlechterung der Lebensverhältnisse in ihrem Land. Die Proteste haben längst den Mittelstand erreicht und obwohl Hunderttausende auf den Straßen und Plätzen der großen Städte demonstrieren, finden Berichte über die Protestbewegung nur selten Einzug in die deutschen Medien.
Experten bezweifeln die Wirksamkeit
Die bisher geleisteten „Hilfspakete“ kommen weder bei der Bevölkerung an noch verbessern sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Griechenland. Hauptsächlich dienen die Milliardenbeträge den investierten Banken als Garantie für die Rückzahlung von Staatsanleihen und werden als Druckmittel eingesetzt, um den postdemokratischen Umbau des griechischen Staates und seiner Gesellschaft zu erpressen.
Die Folgen der europäischen „Hilfen“ sind grausam und verschlechtern die Lage der griechischen Bevölkerung nachweislich von Monat zu Monat. Nach dem Beginn der unheiligen Kombination aus sogenannten „Hilfspaketen“ und absurden „Sparplänen“, ist die griechische Wirtschaft im Jahr 2010 um 4,5 Prozent und im Jahr 2011 um 6,8 Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hat sich von 13,9 Prozent im Jahr 2010 auf mittlerweile 20,9 Prozent erhöht. Mehr als eine Million erwerbsfähige Griechen sind inzwischen ohne Job. Besonders hart ist dabei die Gruppe der bis zu 24-jährigen Betroffen. Hier erreicht die Arbeitslosigkeit mittlerweile knapp 50 Prozent.
Dabei wird in der europäischen Öffentlichkeit immer wieder bewusst ein unberechtigter Zorn auf die Griechen geschürt, die angeblich über ihre Verhältnisse gelebt haben sollen. Die „normalen“ Menschen in Griechenland haben dabei weder von den Machenschaften ihrer korrupten Regierung noch von den Spekulationen der Finanzwirtschaft profitiert. Mit Begriffen wie „Hilfe“ oder „Sparen“ soll suggeriert werden, dass die griechische Bevölkerung ihre Lage selber verschuldet hat und dass die europäischen Staaten mit gutem Recht fordern müssen, dass sich die Griechen weiter einschränken, um unsere „Hilfe“ zu verdienen.
In Wirklichkeit wird Griechenland durch die bank- und investorenfreundlichen Maßnahmen immer weiter in die Misere getrieben. Die Milliardenbeträge aus den sogenannten „Rettungsschirmen“ kommen weder der sozialen noch der wirtschaftlichen Entwicklung zugute sondern verstärken nur die Faktoren, die Griechenland Schritt für Schritt zerstören.
„Jetzt zählen nur noch Taten“
Wenn Außenminister Westerwelle in einem aktuellen Spiegel-Interview betont, es könne im Fall Griechenland keine Vorleistungen mehr geben und die Situation mit dem populistischen Aufruf „Jetzt zählen nur noch Taten“ anheizt, dann wirkt dies ebenso zynisch und verächtlich, als wenn Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ fordert, Griechenland müsse Vereinbartes auch umsetzen:
“Erst wenn das passiert, erst dann kann es neue Hilfen geben und darauf ist Griechenland ja dringend angewiesen.“
Der 86-jährige Komponist, Schriftsteller und Politiker Mikis Theodorakis wurde bei den Demonstrationen am Wochenende in Athen Opfer von Tränengasangriffen. Sondereinheiten der Polizei sprühten ihm das Reizgas direkt ins Gesicht. Seinen Protest konnte er wegen Atemnot nicht fortführen.
In einem Aufruf hatte Theodorakis erklärt:
“Wir bitten Sie nicht, unseren Kampf aus Solidarität zu unterstützen, nicht, weil unser Land die Wiege von Platon und Aristoteles, Perikles und Protagoras, der Konzepte von Demokratie, Freiheit und Europa war. Wir bitten Sie nicht um eine besondere Behandlung, weil wir als Land eine der schlimmsten Katastrophen in Europa in den 1940er Jahren erlitten haben und wir vorbildlich gekämpft haben, dass der Faschismus sich nicht auf dem Kontinent etabliert hat.
Wir bitten Sie, es in Ihrem eigenen Interesse zu tun. Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und die Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. Sie werden nicht auf den Ruinen der europäischen Gesellschaften gedeihen.”
In einer Presseerklärung vom gestrigen Tag ruft Pierre Laurent, der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, alle europäischen Bürger dazu auf, Solidarität mit dem griechischen Volk zu zeigen und Widerstand zu leisten:
„Wir rufen alle europäischen Bürger auf, sich vor den griechischen Botschaften in den EU Ländern zu versammeln und ihre Solidarität mit dem griechischen Volk zu demonstrieren. Wir rufen auch all jene auf, die diesen katastrophalen Sparplänen in ganz Europa widerstehen, zusammen zu arbeiten für die Formierung einer Gegenoffensive aller europäischen Völker.“
Während in der Öffentlichkeit das Märchen vom längst verstorbenen Griechen verbreitet wird, dessen Angehörige über Jahre die Rente weiterkassieren, ist es in Wirklichkeit so, dass die Allianz aus Banken, EU-Finanzministern und Staatschef und dem IWF den griechischen Staat in seiner jetzigen Form künstlich am Leben erhält, um auf Kosten der europäischen Steuerzahler so viel Geld aus dem geschwächten „Patienten“ zu pressen, wie nur möglich.
Vom ersten „Sparpaket“ an herrschte unter den Akteuren Einigkeit darüber, dass man die völlige Zerstörung der griechischen Gesellschaft in Kauf nimmt, um Vermögen von unten nach oben zu verteilen und die europäischen Staaten Schritt für Schritt in die finanzfaschistische Diktatur zu zwingen.