Wie weit soll man gehen?

Überraschung! Denn es geht nicht um die Irrungen und Wirrungen Deutschlands der letzten Wochen und Monate, auch dazu werde ich mich noch äußern. Doch an dieser Stelle geht es um etwas anderes; eine Frage, die ich mir gerade als Kleinverlegerin stelle. Nämlich, wie weit man gehen soll, um einen entsprechenden Absatz seiner Bücher zu erreichen?

Kleinverlag BLITZ publiziert aktuell in seinem Blog einen reißerischen Artikel des Autors G. G. Grandt. Aus Gründen des Jugendschutzes, des Respekts der Würde des Menschen und der Pietät, und weil ich mit meinem Blogeintrag ohnehin schon genug virales Marketing betreibe, aber hierüber den Mund nicht halten will, gibt es keinen Link.

Es handelt sich bei dem vorgenannten Autor um Guido Grandt, der sich selbst gern als „investigativer Journalist“ bezeichnet; das darf er ruhig, ist diese Bezeichnung ja nicht geschützt, doch ist sie halt laut Definition nicht zutreffend. Auch der eher negativ behaftete, weil mehr auf die Boulevardpresse zugeschnittene „Enthüllungsjournalist“ trifft nicht zu. Guido Grandt publiziert lt. der im Internet zu findenden VÖ-Listen keine fundierten Artikel und deckt keine politischen oder wirtschaftlichen Schweinereien auf, sondern ist hauptsächlich als „Sach“-Buchautor mit Themen zu Satanismus und Freimaurerei beim Kopp Verlag vertreten, der vor allem dieser Tage mit seinen Verschwörungstheorien wieder voll im Mainstream ist. So hat der Verlag einst angefangen, mit Ufos und so, rechtspopulistisch und zugleich antikapitalistisch, und aktuell gibt er sich als „Tabubrecher“ (von Tabus, von denen wir bisher nichts wussten) und lässt frustrierte Leute wie Ulfkotte und Wisnewski die absurdesten Theorien zu „wahren Hintergründen“, angefangen bei der Mondlandung, servieren. Grandt schlägt, nachdem Freimaurer & Co momentan nicht gefragt sind, vor ein paar Jahren in dieselbe Kerbe mit einem Entführungsfall, der auf Kosten des Opfers geht … das hat mit seriösem Journalismus nun mal gar nichts zu tun.
Klar, der Kopp-Verlag brummt, aber seriös ist anders, und mit investigativ oder enthüllend hat all das auch nichts zu tun, denn hier stecken Wirrköpfe mit absurden Theorien, die reißerisch als Tatsachenbehauptungen dargestellt werden (und vermutlich im Text so schwammig gehalten werden, dass sie rechtlich nicht belangt werden können) und keine aufwändigen Recherchen und belegte Erkenntnisse dahinter. Egal, auf sowas stehen Leser.

Und weil das bei Kopp so gut funktioniert, nimmt sich ein Kleinverlag, der auf Fantasy, Horror und Science Fiction spezialisiert ist, nun ebenfalls angeblich authentischer Skandale an. Behandelt immerhin ein Verlag wie Unitall in seiner Werbung brisante Themen als das, was sie sind, nämlich reine Belletristik, wird hier bei BLITZ die Behauptung aufgestellt, es handle sich bei Grandts neuer Serie um einen „absolut authentischen Agenten-Thriller“. Äh, nein. Ein Agenten-Thriller ist immer Fiktion. Er kann reale Hintergründe haben, aber „absolut authentisch“ ist allerhöchstens das Tagebuch der Anne Frank, wobei auch hier die Niederlegung bereits gefiltert ist durch das, was besonders wichtig oder emotional bewegend erscheint. Oder ist der Agent etwa Grandt selbst? Oder jemand, den er kennt und dessen Erlebnisse er beschreibt? Selbst dann ist es als Belletristik = Fiction aufbereitet (verrät ja schon der Titel der Serie) und nicht mehr „absout authentisch“.

Und was bitte ist am (Retro-)Werbebanner und Cover authentisch? Eine langhaarige Blondine mit knappem Bikini, laszivem Fick-Mich-Blick und dicker steifer Wumme in der Hand. Abgesehen vom sexistischen Klischee, da werden die männlichen potenziellen Leser auf ihre Testikel reduziert – und womöglich auf eine völlig falsche Fährte geführt.

Denn nun, und jetzt komme ich endlich zum Kernpunkt, wird das Ganze auf eine Art und Weise beworben, die mir das Frühstück, Mittag- und Abendessen hochkommen lässt. Und was zu diesem an sich antiquierten, harmlosen, auf das männliche Testosteron reduzierte Cover so absolut gar nicht passt. Und übrigens auch nicht zu „investigativem Journalismus“.

Um möglichst viele Klicks zu erhalten, um so reißerisch wie nur irgend möglich zu wirken, werden Urlaubsfotos des Autors vermischt mit (übrigens nicht gekennzeichneten, woher sie stammen) entsetzlichen Fotos von grausam entstellten und verstümmelten Leichen im Großformat. Dazu gibt es einleitend ein lapidares ACHTUNG: DIESER BLOG-CONTENT BEINHALTET FOTOS, DIE FÜR KINDER, JUGENDLICHE & LABILE MENSCHEN NICHT GEEIGNET SIND!!! – und ich Depp habe das nicht ernst genommen, weil es danach gleich weitergeht ohne gesonderten Link, habe einfach weitergescrollt und bin bei diesen grauenvollen Bildern gelandet, die mich einige Nächte beschäftigen werden.
FOTOS, DIE WERBUNG MACHEN FÜR EINE ACTION-BUCHSERIE.

Ich hoffe nur, dass niemals ein Angehöriger dieser Opfer das zu sehen bekommt, wie ein Verlag, um seine Auflage möglichst hochzutreiben, derart pietätlos, geschmacklos und würdelos mit bedauernswerten Toten umgeht, die OPFER sind und Frieden und respektvollen Umgang verdient haben, und keine öffentliche Zurschaustellung auf diese Weise – um des Geldes wegen! Insofern passt das wiederum zum Buchcover – das ist gleichzeitig Voyeurismus der abscheulichsten Art und Pornographie pur.

Und jetzt geh ich kotzen.


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