Die rücksichtslose Ausbeutung aller verfügbaren Rohstoffe – auch der, die die Arktis aufgrund der Erderwärmung freigibt- Fracking, Ölgewinnung aus Teersand, Tiefseebohrungen, u.a.m. zeigen, die Wachstumsspirale dreht sich unaufhörlich weiter. Ehemals soziale Parteien erstellen Positionspapiere, in denen demokratische Grundrechte den Freihandelsabkommen und internationalem Gewinnstreben von Konzernen geopfert werden und an die Stelle einer Solidargemeinschaft schleichend “gnädige Wohltätigkeit” tritt.(1) Der Wachstumsglauben, der beinahe schon religöse Züge annimmt, gemeinsam mit der Gier nach Reichtum dominieren die Wirtschaft und mit ihr die Politik.
Epikur: “Genuss durch die Unterdrückung aller überflüssigen Begierden” Foto: © Epicurus LouvreCC BY-SA 2.5, Eric Gaba (User:Sting), July 2005
Doch längst müssten unsere “Vordenker” und “Staatenlenker”, sogar die Mächtigen in der Wirtschaft erkannt haben: “Wachstum” alleine ist eine Einbahnstraße in die Selbstzerstörung.
Wenn man dieser Tage auf gute Gedanken kommen möchte, ist es wichtig, sich auf das zu besinnen, was “Reichtum” wirklich bedeutet. In diesem Zusammenhang ist das letztes Jahr erschienene Buch von “Edward & Robert Skidelsky – Wie viel ist genug?”* zu empfehlen, das wertvolle Impulse aus philosophischen, ökonominschen und politischen Betrachtungen vermittelt. Sie formulieren, dass die materiellen Begierden keine natürlichen Grenzen kennen würden und stellen die These auf, dass der Kapitalismus jedoch gerade auf dieser grenzenlosen Expansion der Begierden basiert. Es müssten die Grundfragen neu gestellt werden:
Was macht ein “gutes Leben” aus, was droht uns im Wachstumsrausch verloren zu gehen? Im Buch werden führende Denker von der Antike bis ins 21. Jahrhundert über Entstehung und Gebrauch des Reichtums angeführt und Ihre Ausführungen dazu bewertet. Auch dazu, wie ein erfülltes Leben jenseits der Arbeit geführt werden kann. “Sie benennen sieben »Basisgüter« wie Sicherheit, Respekt, Muße und Harmonie mit der Natur, auf denen eine Ökonomie des guten Lebens aufbauen muss. Vor allem aber machen sie Mut, Wirtschaft wieder neu zu denken: als moralisches Handeln von Menschen, die in Gemeinschaften leben.” (2) Eine der zentralen Thesen des Buches ist die der notwendigen “Selbsteinschränkung”. Die Autoren leiten dies vom griechischen Philolosophen Epikur (341-270 vor Christus) ab. Dieser sei der Meinung gewesen, „dass Genuss am besten zu erreichen sei durch die Unterdrückung aller überflüssigen Begierden, einschließlich der Gier nach Reichtum.“
Das Buch bietet eine Fülle von positiven Gedankengängen und Ansätzen und sortiert Prioritäten neu: “Vom Wachstumsstreben zum Streben nach Glück überzugehen, bedeutet, ein falsches Ideal durch ein anderes zu ersetzen. Unser wahres Ziel als Individuen und als Staatsbürger ist nicht einfach, glücklich zu sein, sondern Grund zum Glücklichsein zu haben.“, schreiben sie und warnen uns, nicht “einem Trugbild zu erliegen”: “dem Trugbild, dass das Leben in Ordnung ist, während es das tatsächlich nicht ist”.
Wer heute die Nachrichten schaut, weiss, wie nah diese Gedankengänge am aktuellen Geschehen sind. Ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken anregt und zur Diskussion einlädt. Hoffentlich erreicht es die, die Macht für Veränderungen in ihren Händen halten.
* Robert Skidelsky / Edward Skidelsky: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens, 318 Seiten, erschienen im März 2013, Übersetzt von Ursel Schäfer, Thomas Pfeiffer ISBN 978-3-88897-822-7: Leseprobe (S 1-34): <hier>
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