Man wundert sich doch immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit große Zeitungen regelmäßig Umfrageergebnisse, die nicht ins Bild passen, zensieren. Was hat das mit einem demokratischen Geist zu tun?
Unter der Überschrift “Super Tuesday” berichtete die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands zum Beispiel gestern auf ihrer Onlineplattform über die Vorwahlen der Republikaner in den USA. Schon im “Newsticker” fällt auf, dass ein Republikaner nur am Rande erwähnt wird – Ron Paul. Ob das an seiner bekanntermaßen vom Mainstream abweichenden Einstellung oder den vergleichsweise schwachen Wahlergebnissen liegt, ist nicht zu erkennen.
Viel interessanter ist jedoch die Umfrage, die unter dem “Newsticker” eingeblendet wird. “Welcher Republikaner soll Obama herausfordern?” wird dort gefragt und vier Antwortmöglichkeiten werden vorgegeben: Mitt Romney, Rick Santorum, Newt Gingrich und Ron Paul.
Natürlich ist auch bei den Usermeinungen ein Zweikampf zwischen Romney und Santorum zu erwarten. Doch der Schein trügt gewaltig, denn bei der Umfrage zeichnet sich schon nach kurzer Zeit ein ganz anderes Bild ab.
Das Überraschende: Ron Paul führt die Umfrage mit 44% mehr als deutlich an, hat satte 12 Prozentpunkte Vorsprung vor Romney und sogar 25 vor Santorum.
Wie repräsentativ diese Umfrage nach knapp 1.700 Stimmen ist, sei dahingestellt. Sie zeigt aber auf, dass sehr viele deutsche Leser Sympathien für einen US-Präsidentschaftskandidaten entwickelt haben, der von den Medien meist kategorisch ignoriert wird und auch durch die Vorwahlen keinen medialen Aufwind erfährt. Und sie zeigt auf, dass es (zumindest hier) eine nicht unerhebliche Divergenz zwischen Medien- und Lesermeinung gibt.
“Deutschlands schnellste Meinung” war daraufhin ganz schnell wieder verschwunden, denn es dauerte keine Stunde, bis die Umfrage ohne jeglichen Kommentar von der Seite entfernt wurde…
Dieses Vorgehen ist keinesfalls ein einmaliges, sondern regelmäßig zu beobachten, wenn sich die Umfrageergebnisse in eine unerwünschte Richtung entwickeln. Das Zensieren von unbequemen Ergebnissen und das mittlerweile standardmäßige Sperren der Kommentarfunktion bei politischen Artikel wirft nicht nur ein schlechtes Licht die Wertschätzung der Lesermeinungen, sondern vor allem auf das Demokratieverständnis dieses Mediums.