“Ich bin immer für Dich da!”
Dieses Versprechen gab ich schon als junges Mädchen meinen Freunden und meinte es ernst. Todernst sogar, wie das halt so ist, wenn man von jugendlichem Ernst ergriffen wird. Da fallen schnell Sätze wie: “Für Dich würde ich ALLES tun!”, “Für Dich würde ich durch`s Feuer gehen” und ähnliche.
Das sollten Erwachsene nicht belächeln, denn solche Aussagen sind ernsthaft und aufrichtig, das sind Schwüre, die sind so kristallklar in ihrer Reinheit, wie nur noch die wenigsten von uns als erwachsene Menschen zu schwören vermögen.
Bedingungslos.
Gnadenlos.
Wer so etwas schwört, ist weder dumm, noch naiv. Er hat lediglich noch nicht alles erfahren, was es zu erfahren gibt. Zum Glück.
Wer schwört, für jemanden ALLES zu tun, von dem ist das noch nie verlangt worden. Und wer schwört, für jemanden durch`s Feuer zu gehen, der hat sich noch nie richtig schwer verbrannt.
Diese Art aufrichtiger, tiefer Opferbereitschaft finden wir manchmal wieder, wenn wir einen Partner für`s Leben finden, oft aber erst, wenn wir Kinder haben.
“Ich leb für Dich – ruf mich und ich komme, ich dreh`mich um Dich – wie die Erde um die Sonne”, sang einst Sabrina Setlur und hatte damit obschon selbst kinderlos vollkommen recht.
Aber was ist jetzt mit der Freundschaft los?
Es gibt Einschnitte im Leben, die unsere Bereitschaft, für jemanden da zu sein, einschränken. Als Jugendlicher muss man sich da noch keine Gedanken drum machen insofern, dass man diese Einschränkungen ja nicht zu vertreten hat. Man kann eine Freundin nur so lange trösten, bis man nach Hause gehen muss, man kann nur über Nacht bleiben, wenn die Eltern das erlauben.
Klar kann man dem Freund zuliebe die Schule schwänzen oder Ähnliches, aber wenn man erwischt wird, hat das Konsequenzen.
Als Erwachsener ist es einfacher und schwieriger.
Die Arbeit:
“Ich bin immer für Dich da … Aber morgen Früh muss ich zur Arbeit!”
Die Kinder:
“Ich bin immer für Dich da … Aber heute Mittag muss ich die Kinder abholen!”
Der Partner:
“Ich bin immer für Dich da … Aber ich muss auch langsam mal wieder nach Hause!”
Sind unsere Versprechen und Schwüre daher weniger wert als damals?
Ich denke nicht, dass dem so ist. Vielmehr sehen wir klarer, wissen mehr um die Konsequenzen. Und ja, haben auch dazu gelernt.
Niemand sollte leichtfertig versprechen, ALLES für einen anderen zu tun, nichtmal für seine Kinder, es muss immer Grenzen geben!
Manche Menschen mißachten diese Grenzen und verwickeln sich in kriminelle Machenschaften, verstoßen auf Wunsch des Partners ihre Freunde oder behandeln andere schlecht.
Ja, es gibt Grenzen. Wer die einhält, ist weder ein schlechter Mensch, noch ein schlechter Freund.
Ja, es gibt Notfälle.
Aber seien wir ehrlich: Echt Notfälle sind zum Glück sehr sehr selten.
Und man muss sich nicht schämen, wenn man sagst: “Du, es tut mir leid, aber ich kann jetzt nicht kommen! Weil …” Arbeit, Kinder, Partner, was auch immer.
Zugegeben: Für denjenigen, dem es grade schlecht geht, ist das nicht schön. Und wird auch oft falsch aufgenommen. Weil man auch emotional gerade in einer Ausnahmesituation steckt. Aber jeder von uns kann versuchen, fair zu bleiben: Der andere ist für uns da IM RAHMEN SEINER MÖGLICHKEITEN!
Was also ist denn nun der Prüfstein für wahre Freundschaft, wenn es gar nicht mehr das berühmte “Ich bin IMMER für Dich da” ist? Kein bedingungsloses durch`s Feuer gehen, kein “Ich würde ALLES für Dich tun”?
Wenn wir nichts davon mehr ehrlich versprechen und auch einhalten können, ohne irgendwelche Einschränkungen zu machen, wenn wir das dann auch fairerweise unseren Freunden zugestehen müssen … was bleibt dann noch als Anhaltspunkt?
Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht, woran man wahre Freundschaft erkennen kann.
Und ich sage bewusst “erkennen” und nicht “testen”. Die Überschrift fragt danach, wie man eine Freundschaft testet und die Antwort ist einfach: Gar nicht!
Es ist verlockend, eine Freundschaft – ebenso wie eine Liebe – zu testen. Um Sicherheit zu bekommen, nach der es so viele von uns verlangt.
So eine Sicherheit kann es leider nie geben. Es bleibt immer ein Risiko, ebenso, wie es immer Lieben geben wird, die verlöschen oder Freundschaften, die nicht halten.
Und wer versucht, jemand anderes Liebe oder Freundschaft auf die Probe zu stellen, wird sich und dem anderen nur weh tun.
Nein, eine Freundschaft kann man nicht testen und man tut gut daran, es gar nicht erst zu versuchen.
Aber manchmal kann man ERKENNEN, ob man es mit einem wirklich guten Freund zu tun hat.
Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu folgendem Entschluß gekommen:
Vielleicht, wenn nicht mehr ein uneingeschränktes “Ich bin immer für Dich da!” zählt, nicht mehr zählen kann, wenn dieses Versprechen für Zeiten der Not nicht länger der Maßstab sein kann … vielleicht ist es dann das Gegenteil: Bedingungslose Freude?
Wem möchte ich erzählen, wenn mir etwas Schönes passiert ist?
Wem KANN ich das erzählen?
Wer würde sich bedingungslos, selbstlos und – ein ganz klein bisschen Neid hier und da sei mal dahingestellt – total für mich freuen?
Wen würde es glücklich machen, zu hören, dass MIR etwas Tolles passiert ist?
Wer würde mir Glück gönnen?
Ich muss ehrlich zugeben: Wenn ich im Kopf durchgehe, wer sich ehrlich und herzlich für mich freuen würde … da fallen einige Leute durch. Menschen, die mir zweifellos zuhören würden, wenn ich Kummer hätte. Die in ihrem Rahmen da wären, um mir mit Rat und Tat zu Seite zu stehen. Die sich aber nicht aufrichtig für mich freuen könnten.
Ist das nicht verblüffend?
Und somit lautet meine Erkenntnis:
Ein wahrer Freund erträgt nicht nur meinen Kummer, sondern auch mein Glück!
Und zum Glück habe ich solche Freunde, *strahl*
Ich hoffe, Ihr auch!
Eure Molly
PS: Spiegel der Erziehung:
Größtes (im Auto): “Guck mal Mami, vor uns im Auto ist Schulfreund mit seinem Papa! Äh … sind das jetzt auch blöde Penner?”
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