Eines Nachts im November 2005 setzte der junge israelische Astronom Avishnay Gal-Yam alles auf eine Karte. Mit den riesigen Spiegelteleskopen des Keck-Observatoriums auf Hawaii jagte er nach einer Art von Sternexplosionen, die es nach gängiger Meinung gar nicht geben durfte. Gal-Yam nahm eine aktive Supernova namens SN 2005gl ins Visier, obwohl er wusste, dass das Objekt 200 Millionen Lichtjahre entfernt lag. In der großen Entfernung hatte er kaum keine Chance, auf älteren Aufnahmen den Vorläuferstern der Supernova aufzuspüren; vor der Explosion hätte der ferne Stern normalerweise viel zu schwach geleuchtet.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, August 2012
Wie Gal-Yam in der August-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet, hatte er unverschämtes Glück. Auf früheren Bildern des Hubble-Weltraumteleskops fand er genau am richtigen Ort etwas, das einem Stern ähnlich sah. Falls es sich um einen einzigen Himmelskörper handelte, war er in der Tat extrem leuchtkräftig: eine Million mal heller als die Sonne und somit mindestens hundertmal so schwer.
Doch die meisten Astronomen hätten den Lichtfleck auf dem Hubble-Foto eher für einen Cluster aus kleineren und schwächeren Sternen gehalten, die zusammen die beobachtete Helligkeit erzeugten. Denn Sterne mit mehr als 100 Sonnenmassen galten als unmöglich. Solche Riesen würden in Form von starkem Sternenwind schnell Masse verlieren und schrumpfen – und gewiss nicht als Supernova explodieren. So dachte man jedenfalls.
Ein Jahr später kam Gal-Yam wieder der Zufall zu Hilfe. Diesmal nahm er mit dem Keck-Observatorium eine Supernova namens SN 2006gy ins Visier. Bei Analyse der Messdaten entpuppte sich das Objekt als die leuchtkräftigste bis dato entdeckte Sternexplosion. Angesichts ihrer Heftigkeit musste der Vorläufer – diesmal war ein Cluster ausgeschlossen – mindestens 100 Sonnenmassen haben. Wie sind derart energiereiche Supernovae mit so massereichen Vorläufersternen möglich? Auf der Suche nach einer Antwort stießen die Forscher auf verstaubte theoretische Artikel vom Ende der 1960er Jahre. Drei junge Astrophysiker – Gideon Rakavy, Giora Shaviv und Zalman Barkat – hatten damals ein neuartiges Modell für Sternexplosionen vorgeschlagen.
Sterne leuchten, weil ihr Kern so dicht und heiß ist, dass Wasserstoffatome zu Helium und schwereren Elementen verschmelzen; dabei wird Fusionsenergie frei. In der Regel wird der Sternkern mit der Zeit dichter und heißer; dabei entstehen durch Fusion sukzessive immer schwerere Elemente – erst Helium, danach Kohlenstoff, später Sauerstoff und so weiter. Rakavy und seine Kollegen hatten berechnet, was geschieht, wenn ein sehr massereicher Stern – hunderte Male so schwer wie die Sonne – ein Stadium erreicht, in dem sein Kern vorwiegend aus Sauerstoff besteht.
Bei kleineren Sternen wissen wir, was dann passiert: Der Stern zieht sich unter der eigenen Schwerkraft zusammen, und sein Kern erhitzt sich, bis die Fusion von Sauerstoff zu Silizium möglich wird. Doch der Kern eines Hyperriesen wird den Berechnungen zufolge bei der Kontraktion zwar heiß, aber nicht sehr dicht. Anstelle der Fusion von Sauerstoff tritt so genannte Paarerzeugung auf: Lichtquanten (Photonen) verwandeln sich spontan in ein Elektron und sein Antiteilchen, ein Positron. Auf diese Weise wird die Strahlungsenergie der Photonen in Form von Materie quasi eingefroren. Während die Photonen mit ihrem Strahlungsdruck den Kollaps des Sterns unter seinem eigenen Gewicht aufgehalten haben, wird nun der Kern instabil und beginnt sich rasch zusammenzuziehen.
Ebenso schlagartig steigt die Dichte, und das setzt nun die Sauerstofffusion in Gang. Da dies nicht in einem stabilen, sondern in einem kollabierenden Kern geschieht, läuft die Zündung explosiv ab: Die von der Fusion freigesetzte Energie heizt das Material weiter auf, und dies wiederum beschleunigt die Fusion durch positive Rückkopplung. Der Stern kann in Minutenschnelle so viel Sauerstoff verbrennen, dass die dadurch erzeugte Energie die gesamte Gravitationsenergie des Sterns übersteigt. Darum vernichtet sich der Himmelskörper bei diesem Explosionstyp praktisch restlos, während typische Supernovae einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hinterlassen. Zurück bleibt nur eine rasch expandierende Wolke, die größtenteils aus den bei der Explosion gebildeten Elementen besteht.
Derart superhelle Supernovae sind offenbar so selten wie Sternriesen mit 200 Sonnenmassen – aber wer hartnäckig genug sucht, kann sie finden.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, August 2012
Wie Gal-Yam in der August-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet, hatte er unverschämtes Glück. Auf früheren Bildern des Hubble-Weltraumteleskops fand er genau am richtigen Ort etwas, das einem Stern ähnlich sah. Falls es sich um einen einzigen Himmelskörper handelte, war er in der Tat extrem leuchtkräftig: eine Million mal heller als die Sonne und somit mindestens hundertmal so schwer.
Doch die meisten Astronomen hätten den Lichtfleck auf dem Hubble-Foto eher für einen Cluster aus kleineren und schwächeren Sternen gehalten, die zusammen die beobachtete Helligkeit erzeugten. Denn Sterne mit mehr als 100 Sonnenmassen galten als unmöglich. Solche Riesen würden in Form von starkem Sternenwind schnell Masse verlieren und schrumpfen – und gewiss nicht als Supernova explodieren. So dachte man jedenfalls.
Ein Jahr später kam Gal-Yam wieder der Zufall zu Hilfe. Diesmal nahm er mit dem Keck-Observatorium eine Supernova namens SN 2006gy ins Visier. Bei Analyse der Messdaten entpuppte sich das Objekt als die leuchtkräftigste bis dato entdeckte Sternexplosion. Angesichts ihrer Heftigkeit musste der Vorläufer – diesmal war ein Cluster ausgeschlossen – mindestens 100 Sonnenmassen haben. Wie sind derart energiereiche Supernovae mit so massereichen Vorläufersternen möglich? Auf der Suche nach einer Antwort stießen die Forscher auf verstaubte theoretische Artikel vom Ende der 1960er Jahre. Drei junge Astrophysiker – Gideon Rakavy, Giora Shaviv und Zalman Barkat – hatten damals ein neuartiges Modell für Sternexplosionen vorgeschlagen.
Sterne leuchten, weil ihr Kern so dicht und heiß ist, dass Wasserstoffatome zu Helium und schwereren Elementen verschmelzen; dabei wird Fusionsenergie frei. In der Regel wird der Sternkern mit der Zeit dichter und heißer; dabei entstehen durch Fusion sukzessive immer schwerere Elemente – erst Helium, danach Kohlenstoff, später Sauerstoff und so weiter. Rakavy und seine Kollegen hatten berechnet, was geschieht, wenn ein sehr massereicher Stern – hunderte Male so schwer wie die Sonne – ein Stadium erreicht, in dem sein Kern vorwiegend aus Sauerstoff besteht.
Bei kleineren Sternen wissen wir, was dann passiert: Der Stern zieht sich unter der eigenen Schwerkraft zusammen, und sein Kern erhitzt sich, bis die Fusion von Sauerstoff zu Silizium möglich wird. Doch der Kern eines Hyperriesen wird den Berechnungen zufolge bei der Kontraktion zwar heiß, aber nicht sehr dicht. Anstelle der Fusion von Sauerstoff tritt so genannte Paarerzeugung auf: Lichtquanten (Photonen) verwandeln sich spontan in ein Elektron und sein Antiteilchen, ein Positron. Auf diese Weise wird die Strahlungsenergie der Photonen in Form von Materie quasi eingefroren. Während die Photonen mit ihrem Strahlungsdruck den Kollaps des Sterns unter seinem eigenen Gewicht aufgehalten haben, wird nun der Kern instabil und beginnt sich rasch zusammenzuziehen.
Ebenso schlagartig steigt die Dichte, und das setzt nun die Sauerstofffusion in Gang. Da dies nicht in einem stabilen, sondern in einem kollabierenden Kern geschieht, läuft die Zündung explosiv ab: Die von der Fusion freigesetzte Energie heizt das Material weiter auf, und dies wiederum beschleunigt die Fusion durch positive Rückkopplung. Der Stern kann in Minutenschnelle so viel Sauerstoff verbrennen, dass die dadurch erzeugte Energie die gesamte Gravitationsenergie des Sterns übersteigt. Darum vernichtet sich der Himmelskörper bei diesem Explosionstyp praktisch restlos, während typische Supernovae einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hinterlassen. Zurück bleibt nur eine rasch expandierende Wolke, die größtenteils aus den bei der Explosion gebildeten Elementen besteht.
Derart superhelle Supernovae sind offenbar so selten wie Sternriesen mit 200 Sonnenmassen – aber wer hartnäckig genug sucht, kann sie finden.