Geht’s Ihnen auch so? Mehrmals am Tag kommen Sie in Situationen, in denen Sie Menschen beeinflussen wollen (oder müssen) etwas zu tun: in einer bestimmten Art zu handeln oder Ihnen einfach nur mal zuzuhören.
- Für Ihren umgetauschten Toaster will man Ihnen nur einen Gutschein geben und nicht das Bargeld.
- Ihr Kind weigert sich, regelmäßig den fade schmeckenden Antibiotikumsaft zu schlucken.
- Ihr Kollege hat gute Argumente, warum er nicht noch ein Projekt von Ihnen annehmen kann.
- Ihr Partner will nicht schon wieder einen Urlaub mit dem Wohnmobil machen.
Die meisten Menschen haben in solchen Situationen nur eine einzige Strategie zur Verfügung: Durch Reden gute Argumente aufzuzählen. Wenn das nicht zum gewünschten Erfolg führt, werden sie vielleicht nach einer Weile ärgerlich, wiederholen die Argumente mit größerem Druck – und scheitern am wachsenden Widerstand ihres Gegenübers. Wie können Sie in solchen Situationen Menschen eher für sich gewinnen?
Ganz einfach: Sie müssen aufhören zu reden und anfangen, zuzuhören.
Warum Argumente oft nichts bringen. Zuhören schon.Tweet ThisWarum Argumente oft nichts bringen.
Mit dem Aufzählen von Argumenten erzeugen Sie fast immer einen gewissen Druck, um andere zu beeinflussen oder zu überzeugen. Denn Sie glauben ja, dass Sie gute Argumente haben.
Doch Menschen mögen keinen Druck, schon gar nicht von anderen Menschen.
Das Ergebnis: die anderen leisten Widerstand. Entweder aktiv, also mit Gegenargumenten. Oder passiv, indem sie stumm dasitzen, Ihren Vortrag innerlich ignorieren und hoffen, dass Sie bald fertig sind. Das passiert vor allem, wenn Sie Menschen von etwas überzeugen wollen, die gerade im Stress sind.
Denn im Stress wollen Menschen erst recht keinen Rat haben, was sie besser machen können. Auch wenn Sie finden, dass das jetzt genau der richtige Moment ist, weil …
Menschen in einer solchen Situation wollen höchsten eins: sie wollen nur mitteilen, was sie gerade machen und was in ihnen vorgeht. Und warum sie gerade so genervt, ärgerlich, im Stress oder was immer sind.
Ein Beispiel:Ein Mann namens Steve steht auf dem Sims eines siebenstöckigen Hochhauses und droht hinunter zu springen. Er will sich umbringen. Das Gebäude wird von der Polizei abgesperrt. Ein Vermittler, Leutnant Williams, arbeitet sich zu dem Mann vor.
Mit vielen guten Worten versucht er, Steve zu überzeugen, dass es immer andere, bessere Möglichkeiten im Leben gibt, als sich umzubringen. Er beteuert, dass er hier sei, um Steve aus dieser schlimmen Situation heraus zu helfen. Doch Steve fühlt sich nicht verstanden und antwortet wütend: „Verschwinde sofort oder ich springe!“
Was würden Sie an der Stelle des Helfers tun?
Was würden Sie sagen?
Das Problem: Leutnant Williams hört nicht zu.
Nur Zuhören gibt anderen Menschen die Chance, ihre Gefühle und Sorgen mitzuteilen.
Und erst dann gewinnen wir vielleicht einen Spielraum, um nächste Schritte zu gehen und andere „Lösungen“ anzubieten.
Wenn Menschen fühlen, dass ihre Sorgen nicht gehört werden, erzeugt dies immer eine Ebene von Misstrauen zwischen uns und unseren Gesprächspartnern.
Stellen wir uns vor, dass ein weiterer Vermittler, Leutnant Brown, auftaucht, um mit Steve zu sprechen. Nachdem er Steve zugehört hat, sagt er zu ihm:
„Ich wette, Du fühlst Dich so, als sei dies der einzige Ausweg.“
„Ja. Es ist der einzige Ausweg“, antwortet Steve.
Indem er zuhört, ist Brown in der Lage, Steve zu zeigen, dass er sich in seine Situation hineinversetzt. Er fragt weiter, wie Steve seinen Job verlor, warum seine Frau ihn verlassen hat und so weiter. Steve beginnt, ruhiger zu werden und seine Situation zu erklären. Mit der Zeit fasst er Vertrauen zu Brown und wird dadurch offener gegenüber den Ansichten und Vorschlägen des Vermittlers.
Zuhören ist der Schlüssel, um andere Menschen zu „öffnen“.
Wenn Sie wollen, dass andere Menschen gegenüber Ihren Ansichten und Argumenten offener werden, müssen Sie zuerst dem Anderen zuhören. Die gute Nachricht: Wir sind rein biologisch dafür programmiert, genau das zu tun. Und zwar wegen der Spiegelneuronen. Damit können wir empfinden und nachfühlen, was andere erleben.
- In einem Film werden wir selbst traurig, wenn wir miterleben, dass eine Familie ihr vierjähriges Kind, das Krebs hat, nach einem langen Kampf verliert.
Natürlich ist es ein Film und alle Szenen sind nicht echt, sondern nur gespielt. Aber Ihre Spiegelneuronen reagieren trotzdem auf diese Szene. - Eine Kollegin schneidet sich an einem Stück Papier in den Finger und verzieht schmerzvoll das Gesicht.
Ihr Finger tut nicht weh und trotzdem zucken Sie zusammen – wieder wegen der Spiegelneuronen.
Menschen empfinden es sehr positiv, wenn ihre Emotionen gespiegelt werden. Weil wir erleben, dass der Andere uns wahrnimmt, versteht – und für diesen Moment emotionale mit uns verbunden ist. Viele Forscher glauben, dass diese Spiegelneuronen sogar die Basis menschlicher Empathie sind. Deshalb nannte der Wissenschaftler V.S. Ramachancran die Spiegelneuronen „Empathieneuronen“. Denn sie bringen Menschen einander näher.
Spiegelneuronen sorgen auch dafür, dass wir dauernd versuchen, die Menschen um uns herum zu beruhigen, Wünsche und Erwartungen anderer zu erfüllen und deren Anerkennungen zu erbitten.
Mit Argumenten schaffen Sie keine Empathie.Tweet ThisMit Argumenten schaffen Sie keine Empathie.
Denn Argumente sprechen nur den Verstand an.
Wenn Sie von anderen etwas wollen, müssen Sie sich zuerst mit ihnen emotional verbinden. Und das schaffen Sie nur mit Zuhören.
Und indem Sie zeigen, dass Sie zugehört haben.
In Studien konnte man zeigen, was passiert, wenn wir andere „spiegeln“ aber im Gegenzug nicht widergespiegelt werden. Es gibt ein deutliches Defizit in unseren Spiegelneuron-Rezeptoren. Wenn diese Defizite in unseren Spiegelneuron-Rezeptoren auftreten, fühlen wir uns allein gelassen und nicht verbunden. Ob es nun ist, weil wir erleben, dass der andere dauernd auf sein Smartphone schaut, uns öfters unterbricht, auf einmal von einem ganz anderen Thema anfängt oder was auch immer.
Unser Gehirn besteht aus drei verschiedenen Gehirnen.
Unser Reptiliengehirn ist der älteste Teil unsere Gehirns.
Es ist ziemlich „primitiv“, es denkt vor allem an die grundlegenden Bedürfnisse, und hier vor allem um’s Überleben. Es befähigt uns, auf eine Situation sofort zu reagieren.
Schon unsere tierischen Vorfahren besaßen dieses Gehirn; deshalb ist es auch für alle Grundfunktionen des Lebens zuständig: Bewegen, jagen, Pflegen, das Revier verteidigen, sich paaren. Das Reptiliengehirn mag keine Veränderung, sondern nur bewährte Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Es lernt nur langsam und unwillig. Doch es vermittelt uns Beständigkeit und Sicherheit. Emotionen kennt das Reptiliengehirn nicht.
Das Krokodil, das gerade das kleine Gazellenbaby verschlingt, verdrückt dabei nicht die ihm nachgesagten Tränen.
Das Reptiliengehirn kennt nur Kampf-oder-Flucht-Reaktionen. Dominiert dieser Teil unseres Gehirns in uns, dann nehmen wir uns nicht die Zeit dafür, nachzudenken oder die Situation zu analysieren: wir handeln. Oder wir handeln nicht.
Das Säugetier-Gehirn ist ein weiter entwickelt als das Reptiliengehirn.
Dieses “emotionale” Gehirn, auch limbisches System genannt, hat zentrale Bedeutung für unser Gedächtnis. Es beherbergt unsere starken Gefühle wie Ärger, Neid, Liebe, Kummer, Freude, Fröhlichkeit und Traurigkeit. Lachen und Weinen, Spieltrieb und Sexualität, Euphorie und Depressionen sind hier verankert. Alle Informationen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert werden sollen, passieren zuerst einmal diesen Teil des Gehirns. Verstand und Gefühl treffen hier aufeinander.
Und dann gibt es noch den Neocortex.
Es ist der jüngste Teil des Gehirns in unserer Evolutionsgeschichte und befindet sich in der Großhirnrinde, der äußeren Hülle des Gehirns. Hier denken Sie und speichern Informationen. Logik, das Bilden von Strukturen und Prozessen, Schlussfolgerungen und neue Erkenntnissen sind hier zu Hause. Auch Phantasie sowie die Langzeitspeicherung von Informationen sind wesentliche Aufgaben dieses jüngsten Gehirnteils.
Ihr Gesprächspartner hat auch 3 Gehirne.
Wenn Sie also wollen, dass andere aufmerksam Ihnen zuhören, müssen Sie sie auf der richtigen Gehirnebene ansprechen. Erst dann wird Ihre Kommunikation effektiv. Interessanterweise kommt Zuhören vom rationalen Teil unseres Gehirns, also unserem Neocortex – nicht vom emotionalen oder instinktiven Teil des Gehirns.
Um anderen gut zuzuhören und sie zu erreichen, ist es wichtig, erst einmal Ihre eigenen Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Denn wenn Ihnen in einer Gesprächssituation Ihre eigenen Gefühle wie Angst, Ärger oder Trauer dazwischen kommen, werden Sie weniger gut Ihrem Gegenüber zuhören können oder angemessen auf ihn eingehen können.
Wie schafft man das? Am „einfachsten“, indem Sie unangenehme Gefühle wie Angst, Unsicherheit oder Scham zugeben. Das ermöglicht es Ihnen, ruhiger zu werden und nach Lösungen zu suchen. Studien haben gezeigt, dass das einfache Benennen von Bedrohungen und Ängsten uns entspannen lässt, weil wir nichts mehr verbergen müssen.
Das gilt natürlich auch für unser Gegenüber. Wenn Sie auch anderen den Raum geben, um ihre Ängste auszusprechen, helfen Sie Ihnen, Ihren Argumenten wieder mit klarem und Geist zuzuhören.
Verwundbarkeit zu zeigen gibt Anderen die Chance Ihnen zuzuhören.
Einer der schwierigsten Teile, ein guter Gesprächspartner zu werden ist, Ihre eigene Verletzlichkeit zu akzeptieren. Viele sehen Verletzlichkeit als Schwäche. Und versuchen Sie deshalb zu leugnen oder zu verstecken.
Ihre Verwundbarkeit ist ein Werkzeug.Tweet ThisIhre Verwundbarkeit ist auch ein Werkzeug.
Wenn Sie verletzliche Gefühle wie Hilflosigkeit oder Angst zeigen, geben Sie Anderen die Chance, sich mit Ihnen zu verbinden und zu erwidern. Wie wir gesehen haben, ist das Spiegeln ein wichtiger Teil, sich mit anderen zu verbinden. Jedoch können andere nur das widerspiegeln, was Sie ihnen zeigen. Wenn Sie also Ihre Gefühle verstecken, werden Sie nicht wirklich verstanden werden.
Wie wäre die Szene abgelaufen, wenn Sie stattdessen Ihre echte Emotion gezeigt hätten, also Ihre Nervosität und Angst? Dann hätte sich Ihr Kollege möglicherweise in Sie hineinversetzt und hätte eine beruhigende oder hilfreiche Bemerkung gemacht. Anderen die Möglichkeit zu geben, ihre Verletzlichkeit zu zeigen, ermöglicht Ihnen auch, zu erforschen, was hinter Ihren Emotionen steckt.
Menschen sprechen gern über sich selbst.
Wenn es eine Sache gibt, über die wir alle gerne sprechen – dann sind es wir selbst. Unsere Erlebnisse, unsere Erfahrungen, unseren Meinungen. Das können Sie zu Ihrem Vorteil nutzen, wenn Sie wollen, dass sich Menschen öffnen und Ihre Ideen und Meinungen anhören wollen. Benutzen Sie viele Fragen zu nutzen, um eine Atmosphäre von Chancengleichheit und emotionaler Verbindung mit Ihrem Gesprächspartner herzustellen. Wirkliches Interesse an anderen lässt diese sich wichtig fühlen und lenkt so den Dialog auf eine tiefere Ebene.
Ein Beispiel: Welche der folgenden Fragen ist ein besser für einen Pharmavertreter?
„Guten Tag Herr Dr. Schneider. Haben Sie eine Minute, um mit mir die Vorteile unseres neuen Medikaments zu diskutieren?“
Oder: „Entschuldigen Sie, Herr Dr. Schneider, erlauben Sie mir, Sie etwas Persönliches zu fragen? Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie immer noch Spaß daran haben, Arzt zu sein?“
Die erste Frage folgt den altbekannten Mustern, während die zweite dieses Muster mit etwas Unerwartetem bricht: der Arzneimittelvertreter zeigt Interesse für den hart arbeitenden Arzt.
Empathie zu zeigen ist der beste Weg, damit andere sich verstanden und wertgeschätzt fühlen.
Eine Anleitung, um besser zuzuhören.Tweet ThisDoch Empathie zu zeigen ist für den Ungeübten nicht so einfach. Er weiß nicht, was er sagen soll. Aber Empathie kann man üben. Hier eine Anleitung, mit der Sie schrittweise Empathie lernen und anwenden können:
- Nehmen Sie zuerst die Emotion, das Gefühl oder die Stimmung Ihres Gesprächspartners wahr.
Angenommen, es ist Ärger. Als nächstes fragen Sie ihn, ob Ihre Wahrnehmung richtig ist:
„Sie scheinen ärgerlich zu sein, stimmt das?
Mit der Frage geben sie Gelegenheit, dass Ihr Gegenüber Ihren Eindruck bestätigen oder korrigieren kann. („Ärgerlich nicht, eher enttäuscht.“) - Dann, wenn Sie herausgefunden haben, um welche Emotionen es sich handelt, können Sie fragen:
„Wie ärgerlich sind Sie denn?“
Damit laden Sie den Anderen ein, sein Gefühl genauer zu spüren oder zu untersuchen. Seien Sie auf eine emotionale Erwiderung vorbereitet und lassen Sie Ihrem Gegenüber Zeit für die Antwort. Es geht hier nicht um Sie, werden Sie also nicht defensiv oder versuchen Sie nicht, dem anderen sein Gefühl auszureden. - Finden Sie als Nächstes heraus, warum er sauer ist. Sie könnten fragen: „Was macht Sie so ärgerlich?“
- Danach können Sie fragen: „Was muss passieren, damit Sie sich besser fühlen?“
- Im letzten Schritt können Sie herausfinden, wie Sie beide zusammenarbeiten können, um voranzukommen. Jetzt könnten Sie fragen: „Was kann ich tun, um Sie dabei zu unterstützen? Was kann ich tun, damit es Ihnen besser geht?“
Zuhören hört sich leichter an als es ist.
Man muss schon sehr genau hinschauen und hinhören, um zu erfassen, was in dem Anderen vorgeht. Das obige Beispiel ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Obwohl es in der täglichen Kommunikation meist nicht die Regel ist:
Der beste Weg, dass Menschen empfänglich für Ihre Ideen werden ist, ihnen zuerst zuzuhören. Indem Sie sich empathisch zeigen, wird sich Ihr Gesprächspartner vermutlich wahrgenommen und verstanden fühlen. Und Sie werden sich wahrscheinlich auch gut fühlen. Denn erst das das Zuhören ermöglicht es Ihnen, eine emotionale Verbindung zwischen sich und Ihrem Gesprächspartner zu schaffen Und dies lässt ihn vermutlich auch offener für Ihre Ideen werden.
PS: Dieser Beitrag ist eine Rezension des Buches von Mark Goulston „Just Listen: Discover the Secret to Getting Through to Absolutely Anyone“, das ich auf meiner Amerikareise letztes Jahr am Flughafen kaufte.
Können Sie gut zuhören?
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Bild: visualhunt.com
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