Immer wieder lese ich in Blogs, auf Twitter oder Facebook den Satz: „Das Private ist politisch!“. Bei mir löst das immer ein komisches Gefühl aus und eine Augenbraue zieht sich kritisch nach oben. Was macht einen Elternblog politisch relevant?
Was ist ein Familienblog und was will er
Es fängt schon an der Vielzahl an Blogs an, die sich zu den Elternblogs zählen oder sich Familienblog nennen. Die Bandbreite ist riesig und reicht von reinem Tagebuchbloggen über den Alltag bis zum hochprofessionellen Produktblog. Viele dieser Blogs schneiden niemals politische Themen direkt auf ihrem Blog an. Meist ist es ein Elternteil, der diesen Blog betreibt oder es ist ein gemeinsames, eher themenbezogenes Blog (Reisen als Familie oder ähnliches). Es gibt unzählige Blogs rund um das Thema DIY und Einrichtung rund ums Kind, Buchvorstellungen, Werbung für Kinderkleidung und so weiter…
Sind sie trotzdem politisch, auch wenn sie keinen offensichtlichen Schnittpunkt mit politischen Themen haben?
Das Private ist politisch! Ist das so?
In Elternblogs ist das Thema Vereinbarkeit DER DAUERBRENNER. Dem einen mag es manchmal zum Halse raushängen. Und doch Ist es ein wichtiges Thema.
Zu sehen, wie andere damit umgehen Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, wie sie ihr Familieneinkommen generieren und wie sich die unterschiedlichen Familien mit der Belastung umgehen.
Die Reaktionen auf solche Beiträge sind aber meist gleich und man kann die Uhr danach stellen, denn es gibt zwei Sorten von Antworten auf diese Blogposts:
1.) öh..schon 100239057x gelesen. Keinen Bock mehr auf diese Artikel….blablabla
2.) So wichtig, denn das Private ist auch politisch!!Einself!!
Ist die Vereinbarkeitsproblematik wirklich immer politisch?
Aber ist die Vereinbarkeitsfrage wirklich immer eine politische? In den meisten Fällen dreht es sich doch darum, wie der Alltag zwischen den Akteuren neu geregelt wird. Es geht darum, dass es anstrengend ist und man, obwohl wir ja hier alle superduper emanzipiert und in Sachen Gleichberechtigung voll auf der Welle surfen, trotzdem immer wieder das Gefühl hat, der eine Elternteil (in diesem Fall sind es ja meist die Mütter) mehr macht, als der andere.
Und ich frage an dieser Stelle noch einmal: ist das wirklich eine politische Fragestellung ergo: eine politische Relevanz?
Jetzt werden die einen bestimmt stöhnen und sagen: ja natürlich ist das Private immer politisch. Schließlich hat es ja von irgendeinem gelesen (gesellschaftliche Relevanz). Und wo gesellschaftliche Relevanz ist, ist auch immer eine politische Relevanz gekoppelt. Status: Es ist halt kompliziert!
Denn in Zeiten, in denen wir als Familien unseren Lebensalltag so frei und ohne Vorgaben von außen (Politik, gesellschaftlichen Normen etc.) gestalten wollen, WO soll der Staat da eingreifen? Wir wollen keine Lösungen von oben. Aber es soll Lösungen von oben geben, wenn es gerade schwierig ist? Und jetzt weiß ich auch nicht.
Vereinbarkeitsprobleme (und ja, ich spreche da aus Erfahrung), sind in den meisten Fällen nicht durch den Einsatz einer politischen Maßnahme zu ändern. In erster Linie ist es an uns, individuelle Lösungen zu finden und sukzessive das gesellschaftliche Bild zu formen.
Ist ein Profiblog noch politisch?
Und ich gehe mit meinen Gedanken noch einen Schritt weiter. Der Trend geht zur Professionalisierung und zur Monetarisierung des Blogs. Das ist keine Entwicklung, die ich grundsätzlich kritisieren möchte. Professionalisierung ist in jeder Hinsicht ein Schritt nach vorne. In jedem Hobby und unerlässlich, wenn man mit seinem Blog Geld verdienen möchte.
Der Schritt zur Monetarisierung ist dagegen gar nicht so unkritisch zu sehen, wenn man ihn in Verbindung mit der politischen Relevanz von Elternblogs setzen möchte. Wie unbeeinflusst ist der Blogger noch, wenn es mittels Kooperationen und Werbung sein Einkommen (in welchem Prozentsatz auch immer) generiert?
Politik und Wirtschaft sollten doch eigentlich getrennt sein oder nicht? Es passt für mich vom Gefühl nicht ganz zusammen. Und für euch?
Ein Elternblog ist ein Elternblog ist ein Blog
Fernab dieser ganz speziellen Themen gibt es sicherlich unendlich viele Blogs, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen. Die politisch relevante Elternthemen in den Äther des Internets und – viel wichtiger- aus dem Internet hinaus in die richtige Politik tragen.
Aber der Großteil der Blogosphäre ist eben nicht politisch.
Ob ich lieber ein buntes oder ein graues Kinderzimmer habe: ist nicht politisch relevant!
Ob ich mich über aufrege, dass mein Lieblingscafé keine Spielecke anbietet: ist nicht politisch relevant!
Ob ich mich darüber ärgere, dass ich erschöpft bin und ich mir die Mutterschaft anders vorgestellt habe: ist nicht politisch relevant!
Ob ich die Kinderbilder in Netz veröffentliche oder nicht: ist nicht politisch relevant!
Trinkbecher verschönern mit Washitapes: ist nicht politisch relevant!
Blogger brauchen keine Schubladen!
Elternblogs sind Blogs: nicht mehr und nicht weniger. Die Menschen hinter den Blogs können tatsächlich die Absicht haben mit ihrem Blog oder ihren Blogposts politisch relevant zu sein.
Aber mit den Sätzen: „Das Private ist politisch!“ und „Elternblogs haben eine politische Relevanz.“ werden wieder Schubladen geöffnet, die wir doch eigentlich in unserer elterlichen, emanzipatorischen und blogosphärischen Solidarität nicht mehr öffnen wollten.
Lasst den Leser entscheiden, was er für politisch relevant hält.
Meiner Meinung nach geht politische Teilhabe über viele Wege, auch über einen einfachen Blog. Ob ein Blog(post) ohne direkten Adressaten eine politische Relevanz hat…..es fällt mir auch am Ende dieses Textes schwer daran zu glauben.
Denn Elternblogs sind letztlich: Die Plattform von Eltern die Schreiben. Eine Plattform von Eltern, die professionell schreiben und Werbeträger sind. Eine Plattform von Menschen, die Zuspruch und Austausch suchen. Und alles dazwischen und darüber und darunter.
Elternblogger sind Individuen – keine einheitliche Masse mit uniformen Zielen. Und manchmal ist das Private nämlich einfach nur: privat!