Wie plane ich meinen documenta-Besuch? Ein etwas anderer dOCUMENTA Rückblick

Nach zahlreichen gelungenen Rückblicken auf die 100 Tage-Kunstschau in Kassel möchte ich mal einen ganz anderen Versuch einer dOCUMENTA 13-Nachschau wagen! Meine Idee: ich zeige auf unterhaltsame Weise, wie ich seit der documenta X im Jahre 1997 meine Besuche geplant habe. Gelingt mir auf diese Weise quasi der Ultimative documenta-Guide?

Alle 5 Jahre findet die “100-Tage-Kunstschau” in Kassel statt. Zum vierten Male mache ich mich auf den Weg, um Erfrischendes und Erstaunliches zu entdecken! Die Anreise in den mit der Bahn nicht so leicht erreichbaren Ort und das Bewältigen der Fülle ist jedes Mal eine Herausforderung! Hier also (mit vielen Fotos!!!) meine Rückschau der dOCUMENTA 13…

September 2012! Noch 14 Tage bleiben mir Zeit, die Bahnfahrkarte ist reserviert. Heute steht mein 4. Documenta-Besuch an. Für mich immer wieder kreative Inspiration, eine Kraftquelle, ein erfrischender Kurzurlaub!

150 Künstler, auf mehr Orte im Kasseler Stadtgebiet verteilt als jemals zuvor. Eine echte Herausforderung! Erfreut habe ich gelesen, dass auch der Kulturbahnhof wieder einbezogen ist. Hier erlebte ich die Höhepunkte meiner ersten documenta X, 1997 war das.

Doch wie organisiere ich meinen Kasselbesuch bei soviel Highlights? Konzentriere ich mich auf bestimmte Künstler(innen) und/ oder Orte? Recherchiere ich Vorabinformationen oder lasse ich mich angenehm überraschen? Plane ich eine Übernachtung ein? Oder komme ich ein 2. Mal? Fragen über Fragen…

Um es vorwegzunehmen: ich habe bei 4 Besuchen schon alle Varianten durchprobiert.

Dieses Mal stand mir neben Fernsehberichten auch das Internet zur Verfügung für meine Vorab-Recherchen nach lohnenswerten Highlights! Also schnell die Online-Artikel vom Beginn der dOCUMENTA mit Copypaste auf 11 Seiten zusammenkopiert, die Beiträge nach Künstlern alphabetisch sortiert.

Meine Idee: so kann ich während der Ausstellung mal eben die gerade benötigten Infos abrufen – ein Smartphone besitze ich noch nicht und die 24 Euro für den Katalog möchte ich sparen! Mein Budget ist unter 100 Euro – und die Kataloge gibt’s später zum Ramschpreis für 5-10 Euro hinterhergeworfen, versprochen!

Im Zug lese ich gemütlich meine „BestOfDocumenta“, dabei fällt mir auf, dass bei 8 verschiedenen Quellen etwa 50 (von 150) Künstler vorgestellt werden. Die Highlights, da mehrfach ausgewählt befinden sich oftmals draussen, vor allem in der Karlsaue mit etwa 50 Pavillions.

Andererseits, die kleinen Entdeckungen mache ich spontan, denn Kunst ist für mich auch die Bereitschaft, sich immer wieder spontan einzulassen – und zu verlieben in ein Kunstwerk!

Gehört unbedingt zur Anreise dazu: Bahnverspätungen!

Nach 2,5 Stunden Fahrt (inklusive 45 Minuten Verspätung) bei strahlendem Sonnenschein bin ich endlich in Hamm gegen halb zehn – und mein Anschlusszug ist natürlich weg! In Hamm lasse ich mir eine neue Zugverbindung für die Regionalbahn RB89 ausdrucken. Doch auch dieser Zug bleibt auf halber Strecke stehen und erst nach weiteren 45 Minuten geht’s weiter! Angeblich spaziert jemand auf der Zugstrecke rum und wird gesucht. Schließlich bin ich am 2. Umsteigebahnhof Warburg. Um 11:29h soll der Anschluss nach Kassel mit dem Regionalexpress RE 3909 gelingen, doch auch dieser Zug ist weg. Noch schlimmer: nächster Anschluss in 75 Minuten! Der eigentlich recht schöne Ort ist kein wirklicher Trost… endlich um 13:55h komme ich mit 3stündiger Verspätung an. Warum ich das hier extra erwähne? Bitte merken: NIEMALS (wirklich niemals, unter keinen Umständen!) EINEN ZUG MIT UMSTEIGEBAHNHOF WARBURG BUCHEN!

Start: Kulturbahnhof Kassel

Vom Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe fahre ich weiter zum Kulturbahnhof, wo ich meine documenta starten will. Um 14.13h endlich da! 300 Teilnehmer, davon 187 Künstler und Künstergruppen erwarteten mich. Wieviel bekomme ich mit?

Im Nordflügel zuerst die Nähstube von Istvan Csakány, dann ein dunkler Hügel des Künstlers Michael Portnoy, der im Inneren ein Hörspiel in Form einer eher absurden Gameshow des Künstlers, das (so hörte ich) zu documenta-Beginn mit Besuchern aufgenommen wurde:: gut gemacht!

Die Jalousien von Hague Yang finde ich auch originell. Sie sind mitten in der Halle installiert und teilen den Raum, indem sie sich in bestimmten Abständen auf und ab bewegen. Der Raum von William Kentridge bleibt leider mit langen Warteschlangen außen vor, da ich lieber noch viel von der Sonne im Auepark genießen will. Eine Erfrischungsbar vor dem Ausgang – und schließlich vor der Tür der gigantische Müllberg von Lara Favretto. Mir gefällt die Aktion, 40 Tonnen hat sie da liebevoll aufgestapelt, um dem Schrott Schönheit zu entlocken – fast schon Ikepbana? Aber der Funke springt nicht so ganz über! Gegen 14.30h geht‘s weiter zum Südflügel. Noch 5 Stunden Zeit!

Der Südflügel hat zahlreiche Eingänge und ich bin glücklich, dass ich mit meinem Einkaufsbeutel überall Einlass finde. Rücksäcke müssen abgegeben werden! Kameras sind übrigens nur ohne Blitzlicht erlaubt, daher von mir wenige Innenfotos. Andere Besucher haben das Verbot anscheinend (glücklicherweise!) nicht so ernst genommen, wie man im Web sieht. Eine Best Of-documenta folgt am Ende des Berichts!

Erstes Highlight Rabih Mroué mit gespenstischen Bild- und Toninstallationen von Opfern syrischer Todesschützen, kurz bevor diese getötet wurden. Mal als Daumenkinos mit Tonbegleitung, mal als Endlosschleife – und im Videoraum telefoniert jemand seelenruhig im Hof mit einer vertrauten Person, bringt den Müll raus, geht wieder rein und kommt zum Rauchen wieder – während das Rohr eines Panzers dem Mann die ganze Zeit über folgt! Unglaublich schockierend, vor allem weil hier alles gezeigte so unwirklich erscheint!

Vor dem Betreten des nächster Raums mit Filminstallationen der indischen Künstlerin Tejal Shah! warnt ein Schild vor „teilweise pornografischen Inhalten“ und ich bin neugierig. „Between the Waves”, das sind insgesamt 5 Kurzfilme. Film 1 zeigt 2 Frauen in seltsamen Kostümen, die Hüte erinnern an Dildos. Die Umhänge mit CDs behangen, fetish-ähnlich verschnürt, am kargen, steinigen Strand. Was will uns die Künstlerin sagen? Film 2 zeigt 3 Badende an einem vermüllten, schmutzigen Strand, dann Film 3 im Geäst eine weitere Form der „Müllästhetik“. Und immer wieder tauchen die merkwürdigen Dildohüte auf. Film 4 dann mit einer korallenartigen Unterwasserszene, komplett aus Plastikmüll, um in Film 5 dann auf einen verregneten Großstadtbalkon zu gehen. Zwei rundgeformte Frauen zermatschen dort zuerst Passionsfrüchte, um sich dann damit einzureiben. Im Hintergrund ein schöner Blick auf den Fluss. Schließlich erfüllen die Hüte noch eine weitere Funktion (siehe Hinweistafel). Die Flüssigkeit der Passionsfrucht als Kontrast zu gezeigten Schnittwunden, die Unterwasserwelt und die behutsam in Szene gesetzten lesbischen Szenen überraschen! Etliche Zuschauer, in der Mehrzahl Frauen, bleiben den ganzen Film über sitzen. Beim googlen erfahre ich noch, Shah bewege sich „innerhalb feministischer, homo- und transsexueller Theorien“ Und sie beschäftigt sich „mit Fragen der sexuellen Zugehörigkeit Auseinandersetzung mit Evolutionstheorien. buddhistischer Philosophie, der Interspezien-Forschung und post-pornographischen Theorien“ –

In der Nachrichtenmeisterei Christodoulos Panayiotou (recyclete Strommasten) und AND AND AND mit einem Schul- und WG-Raum. Später begegnet der Besucher der Künstlergruppe nochmals im Auepark-

Nach der ersten Runde im Hbf. mit 12 Künstlern kaufe ich um 16h noch einen Regenponcho in einer witzigen Kugel als Andenken, verzichte dagegen im Verkaufspavillion auf den Apfelsaft für 25 Euro die Flasche und hoffe auf etwas Trinkbares wenn ich die Treppenstrasse runterlaufe zum Auepark.

Einen kleinen Umweg (neben Snack) noch zum Elisabeth-Krankenhaus, wo nur 20 Personen gleichzeitig Einlass haben und schon 40 drin sind und weitere 50 vor der Tür stehen! Schade…

Ankunft Auepark, wo ich insgesamt 20 der 51 Orte besuche. Diese sind wunderbar ausgeschildert mit Wegweisern und Nummern an den Kunstwerken! Als erstes sehe ich schon von weitem einen Baum mit Stein in der Krone vom Künstler Penone!

Bin aber erschöpft und daher setze ich mich ins Gras, wo eine Künstlerin performt. Sie hat eine Bilderinstallation in die Bäume gehängt und beginnt gerade mit einem neuen Bild, unterstützt von musikalischer Begleitung. Obwohl mir dadurch weniger Zeit für die Museen bleibt, entschließe ich mich spontan zu bleiben und alles auf mich wirken zu lassen! Die Performance passt sehr gut zur dOCUMENTA. Die Künstlerin sagt, was ihr vorschwebt: eine Göttin, archaisch, rund, dick, präsent soll entstehen, und zwar die Sommergöttin. Sie hat bisher 100 Bilder gemalt und will noch für jeden Tag des Jahres eine Göttin malen. Nach 30 Minuten ist die Rohfassung fertig und wird zum Trocknen aufgehängt. Auf dem Rückweg will ich unbedingt noch das fertige Bild sehen!

(Wird in Kürze fortgesetzt, inklusive meiner Bildergalerie!)

!!! Best of dOCUMENTA im WWW !!!

Virtueller Rundgang und vieles mehr:
http://www.hr-online.de/website/specials/documenta13/index.jsp?rubrik=74368

Beste Besucherfotos hier:
http://www.mydocumenta.de/

Ein er der zahlreichen Blogs mit dOCUMENTA-Feeling, der mir gut gefällt:
http://www.erhard-metz.de/


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