Wie mit Rechten auf der Buchmesse und anderswo umgehen?

Von Sandro Abbate @novelerolit

Ich habe begonnen, mich gegen menschenverachtende Ideologie, rechte Hetze und Rassismus zu engagieren, da war ich etwa 13 Jahre alt. Seitdem verstehe ich mich als Antifaschist und versuche, wo es nur geht, tolerant und offen zu sein. Antifaschist ist nicht gleichbedeutend mit der sogenannten Autonomen Antifa, auf der “besorgte Bürger” gerne herumreiten. Antifa, das heißt nicht Chaot oder gewaltbereit zu sein, sondern einfach etwas gegen Faschismus, und zwar jeder Sorte, zu haben. Antifa ist keine Organisation, keine Ideologie, viel mehr eine Einstellung, die ich als selbstverständlich ansehe.

Eine ganze Zeit lang dachte ich, wer Nazi ist, kann nur dumm sein. Somit erschloss sich für mich auch nicht der Sinn dahinter, dass Rechte sich gerade auf einer Buchmesse breit machen. Aber wer Rechte pauschal als dumm bezeichnet, greift (leider) zu kurz. Der österreichische Komponist, Musiker und Kabarettist Gerhard Bronner sagte 2005 bei der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Gunskirchen: “Es gibt drei Dinge, die sich nicht vereinen lassen: Intelligenz, Anständigkeit und Nationalsozialismus. Man kann intelligent und Nazi sein. Dann ist man nicht anständig. Man kann anständig und Nazi sein. Dann ist man nicht intelligent. Und man kann anständig und intelligent sein. Dann ist man kein Nazi.” Damit ist grundsätzlich alles gesagt, denn wir begegnen keineswegs einfach dummen Menschen, sondern vielmehr unanständigen, machtbesessenen Menschen, die genau überlegen, was sie wo sagen, wen sie zum Sündenbock machen und wie sie sich als Hüter der Wahrheit, als Opfer und gegen das Establishment Kämpfende inszenieren.

Wie geht man nun aber damit um? Sollte man sie ignorieren, jedoch frei und öffentlich ihre Meinung kundtun lassen? Dabei ist doch Rassismus – oder wie es in neurechtem Sprech heißt Ethnopluralismus – vielmehr ein Verbrechen als eine Meinung. Ein Dilemma. Lässt man sie nicht zur Messe zu, spielt man ihnen direkt in die Hände, denn sie werden sich als Opfer der Zensur gerieren. Gewährt man ihnen den Auftritt, bietet man ihnen eine Bühne für Hetze und Hassparolen. Also heißt es, sich zeigen, Paroli bieten, protestieren – deutlich machen, dass der Satz “Wir sind mehr” nicht bloß ein Hashtag in den sozialen Medien, sondern (noch) Realität ist. Das haben auch in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse wieder viele getan, unter ihnen die Autorin und Redakteurin Sophie Sumburane. Auf ihrem Blog schreibt sie dazu: “Ich wollte ein Stück des Raumes einnehmen, den Herr Höcke für sich beanspruchte. Darum stand ich dort, wo ich stand, ich wollte durch bloßes Dasein zeigen, ich überlasse dir diesen Raum nicht. Ich bin hier.” Es war der Messe-Freitag, an diesem Abend sollte eine Veranstaltung Höckes als Autor stattfinden. Sophie Sumburane stand mit mehreren anderen draußen auf dem Messegelände, als zwei Frauen auf sie zukamen, gefolgt von mehreren Anzug tragenden Männern. Diese gaben sich als Polizisten zu erkennen und wollten die Personalien der Anwesenden aufnehmen. Die Gruppe forderte, da sich die Männer wohl nur unzureichend auswiesen, dass auch uniformierte PolizistInnen hinzukommen sollten. “Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der die Männer anfingen uns zu duzen und unser Wissen über den eigentlichen Umgang von Polizisten bei solchen Situationen in Abrede zu stellen („Bist du Jurist? Also, halt den Mund.“) kamen schließlich uniformierte Polizistinnen.” Damit nicht genug, auch zu Einschränkungen der Pressefreiheit sei es anschließend gekommen. “Irgendwann kam einer der Männer im Anzug auf einen von uns zu und fragte, wer er sei. Presse!
Er habe gefilmt, sagte der Mann im Anzug und verlangte, dass der Journalist sein Video vom Handy löscht. Eine vollkommen unzulässige Forderung! Egal, ob Dialoge aufgezeichnet worden sind oder nicht, kein Journalist darf in Deutschland oder sonst wo gezwungen werden, sein Material zu löschen, ohne zu prüfen, ob sich darauf justiziables Material befindet. Man drohte ihm mit Hausverbot, den genauen Dialog habe ich nicht verstanden, jedenfalls löschte er dann unter den Augen des Anzugmannes das Video.”

Voller Eifer gehen hier PolizistInnen ihrer Arbeit nach, während ihre KollegInnen in Chemnitz daneben stehen, wenn Hitlergrüße gezeigt und Naziparolen gerufen werden. Heute können wieder Dinge getan und gesagt werden, die noch vor einigen Jahren zu einem breiten Aufschrei geführt hätten. Es liegt an uns, zu verhindern, dass menschenfeindliche Ideologien wieder Mainstream werden. Wir dürfen alles, nur nicht die Hetzer in diesem Land, in Europa und der ganzen Welt den Diskurs bestimmen lassen. Sie sind laut, aber sie sind dennoch die Minderheit. Wir sollten auf die wirklichen Probleme in unserer Gesellschaft aufmerksam machen und uns gegen Lügen und Hass stellen. Das fängt auf lokaler Ebene an – in der eigenen Nachbarschaft, dem Sportverein, der Schule oder Universität, dem Arbeitsplatz.

Zum Schluss kann ich mich nur der Forderung der Initiative Verlage gegen Rechts anschließen: “Wir fordern offene Grenzen in den Köpfen und zwischen den Staaten und Solidarität mit allen Schwächeren auf dieser Welt. Wir wollen, dass alle hier Lebenden sozial und politisch gleichgestellt werden. Es sind genug Mittel für ein würdiges Leben für alle da, sie sind nur falsch verteilt. Statt Geld in Infrastruktur zu investieren, werden Milliardengeschäfte mit Waffen gemacht. Die deutsche Wirtschaft und Politik wird dadurch selbst zum Fluchtverursacher. Das muss ein Ende haben.”