Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 2/4

Erstellt am 27. März 2018 von Ralf Moebius @bitlaw
Dass in Deutschland die isoliert betrachtete Buchstabenfolge ACAB als Abkürzung für den englischsprachigen Slogan „all cops are bastards“ verstanden wird, will auch das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage stellen. Denkbar sind natürlich auch andere Bedeutungen wie "acht Cola acht Bier", "all christians are brothers", "all crmininals are black" oder auch "all cats are beautiful". Für die Interpretation der Zeichenfolge ACAB wird man daher stets den individuellen Kontext der Äußerung und deren konkrete Verwendung betrachten müssen. Denn sicherlich gibt es im Raum Aachen zahlreiche Autofahrer, die arglos mit den Buchstaben AC AB auf ihrem Nummernschild herumfahren, ohne damit ihre allgemeine Ablehnung unserer Ordnungshüter ausdrücken zu wollen.
In der juristischen Methodenlehre ist nämlich unumstritten, dass der übliche Sinn eines Wortes, eines Gesetzes oder auch einer Abkürzung nur ein Hinweis für deren Auslegung ist und nur der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung darstellt, welche auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf. Damit wird man die reine Zeichenfolge ACAB in der Regel auf die Bedeutung "all cops are bastards" reduzieren dürfen, wenn der Kontext und die konkrete Verwendung keinen Hinweis auf eine andere Deutungsmöglichkeit, wie etwa bei Nummernschildern, enthält.
Interessant ist daher der Fall eines Katzenliebhabers, der es wagte, mit einem rosafarbenen, ca. 40 x 40 cm großen Stoffbeutel, im oberen Bereich mit dem Aufdruck „A.C.A.B.“, im mittleren Bereich mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und im unteren Bereich mit dem Aufdruck „All CATS are BEAUTIFUL“ versehen, demonstrieren zu gehen. Bemerkenswert ist noch, dass das im oberen Bereich aufgedruckte Kürzel „A.C.A.B.“ und der untere Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ weitgehend in der gleichen Schriftgröße ausgeführt wurden, während das Katzenbild deutlich größer war. Man könnte nun auf die Idee kommen, dass sich der Träger des Beutels mit der Abkürzung ACAB auf die für ihn massgebliche Bedeutung "all cats are beautiful" festgelegt hatte und sich damit ausdrücklich von der herkömmlichen Bedeutung einer abfälligen Äußerung gegenüber der Polizei distanzierte.
Allerdings forderte der Einsatzleiter der Polizei den Tierliebhaber nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 13.06.2017 zum Az.: 1 BvR 2832/15 trotz des deutlich sichtbaren Katzen-Slogans auf, seinen Beutel nicht weiter offen zu tragen. Dieser Aufforderung kam der Beutelträger aber nicht nach, sondern präsentierte den Beutel „nunmehr ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den die Demonstration abschirmenden Einsatzkräften der Polizei. Eine verständliche Reaktion des Tierfreunds, seine Liebe zu Katzen nun erst recht zu zeigen, weil er in aller Deutlichkeit darauf hinweisen wollte, sich sein Recht als Tierliebhaber darzustellen nicht von der Polizei verbieten lassen zu müssen? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt zu dieser Frage nicht viel her, sondern stellt lediglich fest, dass sich das Amtsgericht hinreichend mit weiteren Deutungsmöglichkeiten der Abkürzung ACAB auseinandergesetzt habe.
Es lohnt daher ein Blick auf das Urteil des Amtsgerichts Erfurt vom 26. März 2015 zum Az.: 830 Js 34947/14 51 Cs, das trotz der sichtbar abweichenden Interpretation meinte, jede andere Deutung des Schriftzuges „A.C.A.B.“ ausschließen und den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilen zu können: "Es ist fernliegend, daß der Angeklagte in einer Gruppe von Gegendemonstranten gegen den NPD-Landtagswahlkampf durch das Tragen des Jutebeutels allein darlegen wollte, daß er „Katzen schön und süß“ findet. Denn Farbwahl, Schriftgröße und die näheren Umstände des Tragens des Beutels sprechen dafür, daß der Angeklagte beabsichtigte, dass die Polizeibeamten auf ihn aufmerksam wurden. Unter dem Deckmantel einer (sinnfreien) Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ kam es dem Angeklagten darauf an, sich gegenüber den Polizeibeamten der Abkürzung „A.C.A.B.“ zu entäußern und die Polizeibeamten durch diese Kundgabe seiner Missachtung zu beleidigen. Der Streitfall gibt dem Gericht keine Veranlassung, weitergehenden Deutungsmöglichkeiten nachzugehen. In der Literatur wird in Ansehung der länder- und kulturübergreifenden Verwendung der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ jede weitere theoretische Deutung als „Acht Cola acht Bier“, „Alles Christen außer Berti“, „all colours are beautiful“, „Alice Cooper and band“ regelmäßig als Schutzbehauptung angesprochen (vgl. Zöller, ZJS 2013, 102)."
Ob trotz vieler theoretisch denkbarer Deutungen der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ auch dann von einer Schutzbehauptung gesprochen werden kann, wenn der Äußernde eine denkbare Deutung ausdrücklich für sich beansprucht, indem er diese zusammen mit der streitbefangenen Abkürzung und einer entsprechenden bildlichen Darstellung sichtbar präsentiert, kann man durchaus diskutieren. Denn in der Literatur werden die theoretischen Deutungen nur im Zusammenhang mit der isolierten Zeichenfolge ACAB ohne sichtbar beigefügte Eigeninterpretation betrachtet. Wer allerdings um die Neigung von Amtsrichtern weiß, die Kenntnis ihrer Pappenheimer dem Ergebnis einer rechtswissenschaftlichen Subsumption gegenüber höher zu bewerten, sollte sich besser nicht darauf verlassen, eine sichtbar von der üblichen Bedeutung abweichende Interpretation des Slogans ACAB straffrei und unübersehbar paradierend präsentieren zu können. Ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, seine Tierliebe straffrei vor einer hinreichend überschaubaren Polizistengruppe zu demonstrieren, wird daher im folgenden Teil 3/4 zu klären sein.399e16cb3e0f46acbcf4115bbc1a48ef