Ich habe diese Dissertation gelesen und bin erschüttert, mit welchem Schund man promovieren kann. Gleichzeitig ist diese Arbeit auch ein Beleg dafür, wie es um unser Bildungssystem bestellt ist.
Im Internet sind einige Rezensionen über diese Arbeit zu finden.
Die ausführlichste und beste ist die von Hadmut Danisch. Ich zitiere hier sein Fazit. Es lohnt sich aber auf jeden Fall die komplette Rezension zu lesen, weil diese auch kleine Einblicke in den heutigen Wissenschaftsbetrieb liefert.
Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß ich diese Arbeit für einen Fake halte. Nach dem Motto mach halt irgendwas, liest und versteht ja sowieso keiner.
Diese Arbeit hat keinen wissenschaftlichen Inhalt, dafür aber eine Erklärung der Doktorandin, daß sie das auch gar nicht will und ablehnt. Wie man sowas als Dissertation annehmen kann, ist mir völlig unverständlich.
Es ist aber nicht etwa nur so, daß die Arbeit nur die Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten nicht nachweist. Es ist viel schlimmer. Ich sehe in dieser Arbeit so viele schwere und systematische Fehler, und halte die Vorgehensweise an manchen Stellen für so naiv, daß ich zu der Meinung gelange, daß die Arbeit sogar nachweist, daß Köhler nicht befähigt ist und mit wissenschaftlicher Arbeit weit überfordert ist. Ich habe sogar den Eindruck gewonnen, daß sie gar nicht weiß, was wissenschaftliches Arbeiten überhaupt ist, beispielsweise wenn sie die wissenschaftliche Erklärung nicht von einem Werturteil unterscheiden kann. Wenn nichts belegt oder begründet wird. Sie macht halt einfach irgendwas und die Seiten füllen sich eben. Wenn eklatante Fehler nicht bemerkt werden. Wenn man sich mit der Wiedergabe empirischer Werte schon genug ist.
Auch macht die Arbeit auf mich einen schlampigen Eindruck. Ungeordnet. Zitat mit Grammatikfehler, Definitionen wirr und unstrukturiert, sie liegen irgendwo im Kapitel über Stand der Wissenschaft herum. Die Fragestellungen sind nicht durchdacht. In der Zeitung stand, Köhler habe nur promovieren können, weil sie ein so gutes Zeitmanagement habe. Auf mich wirkt das genau wie das Gegenteil. Da hat wohl jemand 5 Jahre rumgemacht, sich nur ab und zu mal gekümmert, und ist jahrelang nicht vom Fleck gekommen. Als habe man jahrelang keinen wissenschaftlichen Ansatz gefunden. Und dann irgendwann gesagt, jetzt muß Schluß sein, jetzt machen wir das Ding eben fertig, egal wie. Also lassen wir den ganzen Wissenschaftskram einfach weg, kehren das zusammen und herzlichen Glückwunsch. Es würde mich gar nicht wundern, wenn da doch noch auf dem Rechner ein völlig vergurktes und nicht vorzeigbares kariöses Kapitel über wissenschaftliche Überlegungen herumliegt, bei dem man sich entschieden hat, es dann lieber wegzulassen. Denn die Arbeit wirkt so, als hätte da nach Kapitel drei noch was kommen sollen – und müssen. Und stattdessen hat man schnell in das Vorwort geschrieben hat, hört zu, ich bin jetzt einfach Anhängerin des Postulats von Max Weber, deshalb kann ich auch ohne wissenschaftliches Kapitel promovieren. Ätsch! (Es wäre damit zu rechnen, daß die Zahl der Anhänger von Max Weber künftig rapide ansteigt, wenn sich herumspricht, daß die dann auch ohne wissenschaftliche Mühen zu einem Doktor kommen. Halt nur dumm, daß das wohl nicht stimmt und Weber – soweit ich ad hoc sehen konnte – etwas anderes postuliert hat.)
Das ganze Ding kommt mir so vor (auch weil es auf einem SPIEGEL-Artikel von 2004 und der Bundestagswahl 2005 beruht), als gammelte das da schon seit Jahren am Institut rum. Und dann hat dann wohl mal das Dekanat oder das Rektorat – wie die das eben so machen – nachgefragt, was denn da los wäre, da wäre eine Promotion schon über die Jahre hinaus. Die würde ja schon verjähren.
Und dann hat man vielleicht gemacht, was man in solchen Fällen so oft macht, daß man die Leute mit völlig unfertigen und nicht vorzeigbaren Dissertationen mal vorpromoviert, damit sie schon mal die Note haben und als fertig gelten. Das geht natürlich viel einfacher, wenn der Zweitgutachter wie hier aus dem gleichen Laden stammt. Dann ist die Prüfung eine Formalie, eine Lachnummer. Und dann wird die Dissertation eben noch nachträglich geschrieben. Weil es an vielen Fakultäten nicht unüblich ist, daß das dann noch ein oder gar zwei Jahre dauert. Das würde erklären, warum die zu ihrem Doktor gekommen ist, obwohl (noch) keine wissenschaftliche Leistung vorliegt. Es ist halt so eine richtig dumme (und nicht seltene) Situation, wenn auf diese Weise jemand vorzeitig promoviert wird, und man erst danach merkt, daß er die Dissertation, für die er schon eine tolle Note bekommen hat, nicht zustandebringt. Ich habe schon mal so einen erwischt. Der hatte zur Prüfung mit „sehr gut” gar keine Dissertation. Und dann dachte man wohl, es fällt keinem auf, wenn es keine gibt. Als ich dann zwei Jahre nach der Prüfung im Dekanat nachfragte, weil ich gerne mal diese Dissertation lesen wollte, bekam man einen Schreck und hat in aller Eile die Dissertation erst einmal geschrieben und zum Druck gegeben – sie bestand nur aus Fremdmaterial, keinerlei Eigenleistung. An das erinnert mich diese Dissertation hier.
Nun ruft aber plötzlich die Merkel an. Hör mal, der Jung ist zurückgetreten (oder tritt in den nächsten Tagen zurück), wir machen hier gerade Stühlerücken, und ein Stuhl wird frei. Wär doch was, dann wirste Ministerin.
Und dann könnte es so gelaufen sein, daß man erstens sagte, ein Doktor zur Ernennung als Ministerin wäre schön, das macht sich gut. Und zweitens hat man dann noch weniger Zeit, dann wird da eh nichts mehr draus. Und dann sagte, die Dissertation ist zwar noch völlig unfertig, aber machen wir sie halt auf die Schnelle noch fertig und drucken sie. Deshalb ist die wohl auch schon mit Doktor rumgelaufen, bevor das Ding gedruckt war, was eigentlich ein Unding ist. Dann wäre es keine Promotion, sondern ein Betriebsunfall.
Wenn ich eine so lausige Dissertation sehe, dann sehe ich normalerweise nur zwei Möglichkeiten, nämlich daß die Prüfer entweder selbst keine Ahnung von wissenschaftlichem Arbeiten haben oder daß sie absichtlich weggeguckt und bewußt falsch bewertet haben. Meistens ist sogar beides der Fall.
Hier sehe ich noch eine dritte Möglichkeit, nämlich daß die Prüfer ganz bewußt jemanden vorzeitig (und damit grob rechts- und pflichtwidrig) promoviert haben, es auf eine nachträgliche Arbeit haben ankommen lassen und dann in ihrem Vabanque-Spiel von der Ernennung überrollt wurden. Was blieb ihnen da noch anderes übrig, als gute Miene zu machen und die Doktorandin gegenüber der Presse zu loben? Das würde auch die Drohgebärden der Anwälte erklären. Denn nun hat der lieber Doktorvater (aufgrund eigener Nachlässigkeit) eine peinliche Dissertation am Hals, die er aus politischen Gründen loben muß, obwohl sie grottenschlecht ist. Kein Wunder, daß die mit den Anwälten auf jeden losgehen, der fragt.
Wie dem auch sei, ich halte diese Dissertation keinesfalls für promotionswürdig und den Doktorgrad für ungerechtfertigt. Meines Erachtens müßte es hier eine Untersuchung geben und geklärt werden, wie dieser Doktor zustandekam. Danach weiß man, inwieweit das disziplinarisch, strafrechtlich und verwaltungsrechtlich durch Feststellung der Nichtigkeit der Promotion und dem Entzug des Grades zu würdigen wäre.
Wäre die deutsche Wissenschaftsszene seriös (was sie nicht ist), dann müßte ein solcher Vorgang zum Absturz der Reputation der beteiligten Wissenschaftler führen. Was auch nichts machen würde, denn die meisten deutschen Professoren haben keine und das stört auch niemanden.
Bleibt zu hoffen, daß dadurch endlich eine öffentliche Diskussion über die extrem korrupte und willkürliche deutsche Promotionspraxis und die Inkompetenz deutscher „Wissenschaftler” in Gang kommt. Der dritte Teil der Bologna-Reform soll ja die deutsche Promotion ersetzen, weil sie international als so undurchsichtig und nicht nachvollziehbar angesehen und gerügt wird. Es wird höchste Zeit, daß dieser Sumpf endlich trockengelegt wird.
Komplette Rezension: forschungsmafia