Und das besondere Leid von Kuckuckskindern.
In meiner Arbeit mit Menschen, gleich ob in den Persönlichkeitsseminaren oder Coachings kommt der abwesende Vater immer wieder zur Sprache. Bei dieser Entwicklung gibt es mehrere Formen:
1. Die völlige Abwesenheit- Der Vater ist vor der Geburt gestorben oder verschollen.
- Das Kind wurde zur Adoption freigegeben.
- Die Mutter kennt den Vater nicht oder wollte seinen Namen nicht preisgeben.
- Die Mutter „schiebt" einem anderen Mann die Vaterschaft zu („Kuckuckskind„)
- Der Vater verstarb in den ersten Lebensjahren des Kindes.
- Die Eltern trennten sich früh.
- Hier lebt das Kind zwar mit den Eltern oder dem Vater aber der Vater ist beruflich bedingt sehr selten zu Hause.
- Der Vater ist zwar körperlich anwesend aber emotional nicht präsent.
Der Vater hat für jedes Kind eine enorme Bedeutung.
Ich kann mich erinnern, dass ich in meinem Psychologiestudium ein Seminar besuchte, wo anhand verschiedener Literatur noch ernsthaft die Frage diskutiert wurde, ob der Vater außer für die Zeugung überhaupt für die Entwicklung des Kindes eine Rolle spielte. Das war im Jahr 1980.
Doch wer kleine Kinder aufmerksam beobachtet - in der eigenen oder einer fremden Familie - kann erleben, wie sehr Kinder, nicht nur Jungen, von früh an ein eigenständiges Interesse am Vater entwickeln. Selbst dann wenn dieser anfangs vielleicht zurückhaltend oder unwillig sich gibt, versuchen sie, ihn in eine Beziehung zu ziehen.
Menschen, mit den ich arbeite und die einen frühen Vaterverlust verarbeiten mussten, antworten auf meine Frage wie sie dies erlebt und verarbeitet haben mit dem Satz: „Wie kann ich etwas vermissen, was ich gar nicht kannte?"
Ich halte dies für eine Rationalisierung, also eine psychische Abwehrreaktion. Denn natürlich erlebt das Kind schon im Kindergarten, auf dem Spielplatz oder in der Grundschule, dass es Väter gibt, die das Kind abholen, es in die Arme schließen oder mit ihm herumtollen.
Das Mädchen oder der Junge sehen also deutlich, dass es Väter gibt und muss sich innerlich mit der Frage beschäftigen, wo sein Vater ist. Und vor allem, wie er wohl ist.
In einem lesenswerten Artikel in der PSYCHOLOGIE HEUTE 3/2010 stellt der Psychoanalytiker Hans-Geert Metzger eine interessante These auf:
Kinder leben mit einem Vater, selbst dann, wenn er nicht anwesend ist. Sie erschaffen sich ein Bild von ihm.
Einerseits vermittle die Mutter schon früh, bewusst oder unbewusst, dem Kind ihr Bild des Vaters. Dies kann positiv oder negativ sein, je nachdem wie die Beziehung war oder endete. Auch durch Bemerkungen der Mutter über andere Väter oder überhaupt über Männer bekommt das Kind Informationen. Ein Mädchen oder ein Junge spürt am Tonfall, der Mimik oder der Stimme, wie die Mutter den Vater bewertet, einschätzt oder abwertet.
Der abwesende Vater wird idealisiert.
Metzger hat die Erfahrung gemacht, dass viele Kinder die Abwesenheit des Vaters kompensieren, indem sie in den frühen Jahren ein Idealbild von ihm erschaffen. Er hält dies für einen notwendigen und entwicklungspsychologisch wichtigen Prozess.
Umso einschneidender kann dann die spätere Begegnung mit dem realen Vater sein. Ich erinnere mehrere Fälle von Klienten, wo nach einer frühen Trennung der Eltern der Jugendliche sich auf die Suche nach seinem Vater machte oder dieser selbst eines Tages den Kontakt suchte.
Wenn wie in einem Fall im Idealbild des Kindes der Vater ein erfolgreicher Held war, der in ein fernes Land auswanderte und der reale Vater bankrott machte und zum Alkoholiker wurde, ist die Enttäuschung natürlich immens.
Aber auch wenn Idealbild und der wirkliche Vater nicht so weit auseinander klaffen, ist es nicht leicht, diese Konfrontation mit der Wirklichkeit zu erleben und zu verarbeiten.
Manche Jugendliche oder Erwachsene lösen dieses Problem mit dem Vater durch Kontaktabbruch. „Mein Vater ist für mich gestorben" lautet dann die entsprechende Antwort. Die anfängliche Idealisierung verwandelt sich in eine vernichtende Entwertung. Um den Schmerz nicht fühlen zu müssen, wird der Vater innerlich „entsorgt".
Dies ist nicht nur für die auf Abstand gehaltenen Väter oft tragisch. Auch für den betreffenden Sohn ist dies keine gute Lösung, wie ich in diesem Video zu vermitteln suche:
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Den zweiten Teil dazu können Sie
Warum entziehen sich Väter ihren Kindern?
Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Die häufigsten meiner Erfahrung nach sind:
-
Das Vaterbild wird weitergeben.
Unbewusst gibt ein Mann seine Vernachlässigung durch den eigenen Vater weiter. Das mag sich darin äußern, dass er sich beim Umgang ungeschickt vorkommt oder verhält. Auch unbewusste Neidgefühle nach dem Motto„Mein Vater hat sich auch nicht um mich gekümmert, warum sollte es mein Kind besser haben" können eine Rolle spielen. -
Der Mann wird an das eigene Kindsein erinnert.
Durch das Zusammensein mit dem Kind wird unwillkürlich das „innere Kind" des Mannes wachgerufen. Eigene Erfahrungen mit Abhängigsein, mit Sehnsucht, Enttäuschungen werden halbbewusst erinnert und möglicherweise durch Distanz zum realen Kind zu vermeiden versucht. Vor allem Männer, die innerlich noch nicht erwachsen sind und viel noch in die eigene Identitätssicherung investieren müssen, können sich so verhalten. Hier ein guterArtikel dazu ... -
Paarkonflikte werden über das Kind ausgetragen.
Wenn eine Mutter überbeschützend das Kind nicht teilen mag und der Partner dies nicht angemessen konfrontiert und eingreift, gibt es ein Ungleichgewicht in der jungen Familie. Die Mutter kommt aus der Symbiose mit dem Kind nicht heraus und das Paar wird nicht zum Elternpaar. Der Vater gerät immer mehr an den Rand und flüchtet dann in den Beruf, den Hobbykeller oder zur Geliebten.
Welche Schwierigkeiten dabei auch für einen Vater heute eine Rolle spielen können, wird in diesem Artikel gut aufgezeigt.
Kuckuckskinder - ein besonderes Schicksal.
"Kuckuckskind " - der Begriff stammt ursprünglich aus der Vogelwelt - dem Kuckuck der seine Eier in fremde Nester legt und der Wirtsvogel ein fremdes "Kind" großzieht, ohne es zu merken. Dasselbe passiiert auch unter Menschen:
Eine Frau schiebt einem Partner/Ehemann ein Kind unter und gibt ihm das Gefühl, der leibliche Vater zu sein. Hat man bis vor kurzem noch angenommen, dass etwa jedes zehnte Kind nicht von dem - per Urkunde genannten - Vater abstammt, so geht man laut einer belgischen Studie davon aus, dass es lediglich 1-2% sogenannte Kuckuckskinder geben soll. Erwähnt wurde diese Zahl aktuell im Zusammenhang mit einem neuen Gesetzesentwurf, der die Auskunftspflicht der Mütter einfordert.
Justizminister Heiko Maaß plant derzeit eine Auskunftspflicht, nach der Kuckucksmütter den wahren Vater nennen müssen, um Scheinväter die Möglichkeit zu bieten, Unterhalt für zwei Jahre zurückzufordern. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist im Grundgesetz verankert.
Dann können auch Fälle, wie in dem nebenstehenden Artikel nicht mehr passieren.
Was aber machen Kinder, deren Mütter ihr Schweigen nicht brechen?
Lassen sie ihre Kinder bewusst in Unkenntnis, kann das lebenslange schwere psychische Folgen nach sich ziehen. Die Autorin Sophie Christina Aichinger (ein Pseudonym) weiß aus Erzählungen einiger Kuckuckskinder, dass das Gefühl, nicht zugehörig zu sein, oft nicht ruhen will, bis die Betroffenen ihre Wurzeln gefunden haben. Vorher fühlen sie sich fremd, irgendwie nicht dazugehörig.
Brechen die Mütter ihr Schweigen nicht, wird das Kind seiner Identität beraubt. Es wird vielleicht nie in Erfahrung bringen, wer der wahre Vater ist. Die Frage nach den Wurzeln wird nie geklärt. Dabei ist es so wichtig zu wissen: "Woher komme ich, wer bin ich?"
Die Autorin hat selbst diese Erfahrung gemacht. Sie fühlte sich zeitweise wie "völlig aus der Art geschlagen". Nicht nur ihr Aussehen hat sie an ihren väterlichen Wurzeln zweifeln lassen. Immer hat sie irgendwie gespürt: "Hier stimmt etwas nicht". Es gab etwas unergründlich Fremdes in ihr. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass es ein Geheimnis gibt. Mein Scheinvater, der gehörnte Ehemann, hat mich seine Wut und Enttäuschung über das "Belogen" worden sein immer spüren lassen.
Nachdem ihr die Lebenslüge endlich offenbart wurde, hat sie sich auf die Suche gemacht, in der Hoffnung, dass ihr leiblicher Vater ein besserer Vater ist. Auf dieser Suche nach Wahrheit und Identität hat sie u.a. einen siebenjährigen Prozess führen müssen, um die Vaterschaft ihres biologischen Vaters feststellen zu lassen.
Trauriges Fazit: Nein, auch er war kein besserer Vater. Was Frau Aichinger auf ihrem langen schmerzvollen Weg erlebt hat und welche Steine ihr in den Weg gelegt wurden, schildert sie in ihrem biografischen Roman mit dem Titel "Ungewollt".
Mich interessieren bei diesem Thema vor allem Ihre Erfahrungen.
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