Wie gewonnen, so zerronnen: Die Geschichte von Schottlands Unabhängigkeit

In der Heimat des Kilts wurde 2014 über Schottlands Unabhängigkeit von England abgestimmt. Nachdem London das Referendum zuerst mit Mißachtung strafte, gingen die Alarmsirenen an, als Studien in der Tat ergaben, ein „Aye" für die schottische Unabhängigkeit sei gar nicht so unwahrscheinlich. Es wurde viel über Währung, Wirtschaft und Nordseeöl diskutiert, ob sich die Schotten nun vom englischen Joch befreien oder weiterhin „proud to be British" sein sollten. Doch letztlich war die schottische Unabhängigkeit 2014 kein Massenfavorit: Erstaunlich deutlich sprach sich das schottische Volk gegen die Loslösung von England aus. Doch nun, angesichts des nahenden Brexit, mag das anders aussehen und Schottland ein weiteres Mal nach seiner Unabhängigkeit greifen.

Aber wie kam es eigentlich zu der Union beider Länder? War doch schon immer so, oder? Nein, natürlich nicht, und jeder, der einen gewissen Mel-Gibson-Film gesehen hat, weiss das. Wie kam es also, dass Schottland seine hart erkämpfte Eigenständigkeit einst aufgab?

Ich fasse hier stellenweise sehr komplexe historische Begebenheiten und Zusammenhänge zusammen. Klar muss ich dazu vereinfachen und komprimieren. Wer die gesamte Geschichte mit allen Details will, liest also besser ein Buch. Allen anderen: Viel Vergnügen!

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Geschichte von Schottlands Unabhängigkeit

Wie alles begann: Schottlands Unabhängigkeitskriege

Als 1286 der schottische König Alexander III. starb und ihm wenige Jahre später auch seine designierte Nachfolgerin, seine siebenjährige Enkelin, ins Grab folgte, traten nicht weniger als 13 Anwärter auf den Thron auf den Plan. Um den Ausbruch eines Bürgerkriegs zu vermeiden, ersuchte man den englischen König Edward I. (den bösen, alten König aus dem sogenannten Historienfilm „ Braveheart„), als Vermittler zu agieren. Dieser witterte jedoch die Möglichkeit, seinen Einfluss auf Schottland auszubauen und bestimmte John Balliol zum neuen schottischen König. Edward sah John nun als seinen Vasallen an. John teilte diese Meinung jedoch nicht und weigerte sich, England im Kampf gegen Frankreich zu unterstützen. 1296 marschierte Edward daher in Schottland ein, und John Balliol wurde für einige Jahre im Tower von London einquartiert, ehe er ins Exil nach Frankreich ging.

Schottland war also erneut königslos und von England besetzt. Hier tritt nun der berühmte William Wallace auf den Plan, der den Kampf für die schottische Unabhängigkeit aufnahm. Nach Jahren des Krieges, der Niederlage und der Flucht wurde Wallace schließlich gefasst und 1305 in London hingerichtet. Seinen Platz an der Spitze der schottischen Freiheitsbewegung nahm Robert the Bruce ein, der sich 1306 zum schottischen König krönen ließ und 1314 in der Schlacht von Bannockburn die Engländer endgültig besiegte. Und obwohl Englands König Edward III. die Unabhängigkeit Schottlands offiziell anerkannte, versuchte England in den kommenden Jahren (und Jahrhunderten) immer wieder, Schottlands Herrschaft zu beeinflussen.

Das Haus Stuart

Die Grundlage für die Vereinigung beider Länder bildet das Haus Stuart (oder Stewart, wie man es ursprünglich schottisch schrieb). Es kam in der Gestalt von Robert II., Enkel von Robert the Bruce, im Jahr 1371 auf den schottischen Thron. Die Beziehungen zwischen Schottland und England waren in den kommenden Jahrhunderten mehr oder minder gespannt, bis schließlich 1542 die berühmteste Schottenkönigin Maria Stuart auf den Thron kam. Maria, die bereits im Alter von nur sechs Tagen Königin wurde, war die Enkelin von Margaret Tudor, Schwester von Heinrich VIII., wodurch sie einen Anspruch auf den englischen Thron hatte. Heinrich brachte daher einen Heiratsvertrag zwischen Maria und seinem fünfjährigen Sohn Edward auf den Weg. Doch das schottische Parlament löste den Vertrag 1543, als Heinrich Schottlands Bruch mit Frankreich (altgedienter Verbündeter und Heimatland der Königinmutter Maria von Guise) forderte.

Wieder einmal fiel England in Schottland ein, um die Kindkönigin gefangenzunehmen. Maria von Guise versteckte ihre Tochter, arrangierte ihre Vermählung mit dem französischen Dauphin und schickte sie 1548 nach Frankreich.

Die kopflose Schottenkönigin

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Geschichte von Schottlands Unabhängigkeit

Die fünfjährige Maria Stuart wuchs am französischen Hof auf und heiratete 1558 den Dauphin. Ihr Schwiegervater, Heinrich II. von Frankreich, ließ verkünden, dass Maria Anspruch auf den englischen Thron erhebe. In England war just Elizabeth I. auf den Thron gekommen, die diesen Anspruch aus folgendem Grund so gar nicht lustig fand: Da Elizabeth der zweiten Ehe Heinrichs VIII. entstammte, die der Papst nicht anerkannt hatte, galt Elizabeth in der katholischen Welt als Bastard und Thronräuberin. Maria hingegen war Katholikin und daher für viele die eigentliche Königin Englands.

Im Jahr nach ihrer Hochzeit wurde Maria Königin von Frankreich, aber ihr Mann starb bereits ein Jahr später. Marias Schwiegermutter Katharina von Medici mochte Maria nicht, und nachdem nun auch Marias Mutter, die in ihrem Namen über Schottland geherrscht hatte, gestorben war, kehrte die junge Schottenkönigin nach Schottland zurück. Ihre Herrschaft war jedoch nicht besonders erfolgreich, und als sie schließlich 1568 aus ihrem eigenen Königreich fliehen musste, blieb ihr keine Wahl als nach England zu fliehen. Das weitere Schicksal Maria Stuarts ist, wie man sagt, Geschichte.

Die Stuartkönige von England beenden die schottische Unabhängigkeit

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Geschichte von Schottlands Unabhängigkeit

Doch bevor Maria 1587 auf einem englischen Schafott wegen Hochverrat starb, war ihr Sohn James erwachsen geworden und herrschte als James VI. über Schottland. Elizabeth ihrerseits hatte nie geheiratet und hinterließ entsprechend keinen Erben. James bestieg daher nach Elizabeths Tod im Jahr 1603 als James I. den englischen Thron und vereinte die beiden Königreiche in Personalunion. Er war es auch, der den Begriff Großbritannien prägte und den Union Jack, die Vereinigung der Flaggen beider Länder, einführte.

Das Haus Stuart regierte beide Länder (mit einer blutigen Unterbrechung, als Charles I. von seinem eigenen Volk hingerichtet wurde) bis ins 18. Jahrhundert. Unter der letzten Stuart-Königin, Anne, wurden beide Königreiche durch den Act of Union im Jahr 1707 vereinigt. Aus dem englischen und dem schottischen Monarchen wurde ein britischer Monarch. Das schottische Parlament wurde aufgelöst, und das House of Lords sowie das House of Commons wurden nun von Repräsentanten beider Länder gebildet.

Während Schottland hauptsächlich finanzielle Gründe für die Aufgabe seiner Souveränität (und gleichzeitige Abwälzung seiner Schulden) hatte, wollte England sicherstellen, dass der schottische Thron, genau wie der englische, frei von Katholiken bliebe und Schottland sich nicht seinem alten Verbündeten Frankreich wieder zuwenden würde. Als Königin Anne starb, ging die englische Krone an Georg von Hannover über, während entsprechend dem Act of Settlement zahlreiche Katholiken übergangen wurden. Und auch, wenn es immer wieder Versuche gab, die ursprünglich schottischen Stuarts wieder auf den Thron zu bringen (siehe Jakobiten), hatte Englands Plan gefruchtet, und der Thron von Großbritannien blieb nicht nur bestehen, sondern unkatholisch - bis heute.

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