Wie genau ist die optische Pulsmessung

Von Andreas Schleifer

Über die optische Pulsmessung wurde schon viel gesagt und geschrieben. Die Einen sind restlos begeistert und feiern sie als Revolution in der Sportelektronik. Die Anderen verteufeln sie wegen fehlender Präzision und Zuverlässigkeit. Doch was ist nun wirklich dran an den vielen Gerüchten und Meinungen. Wir haben zu diesem Thema genau recherchiert und zeigen Dir in diesem Beitrag, wie die optische Pulsmessung funktioniert und wie genau sie wirklich ist. 


Bei der optischen Pulsmessung handelt es sich keineswegs um ein neues und schon gar nicht revolutionäres Messverfahren. Das Prinzip dazu wurde bereits 1935 erstmalig beschrieben und 1972 vom japanischen Bioingeneur Takuo Aoyagi bis zur praktischen Anwendung weiterentwickelt.

In Deutschland wurde diese Messmethode unter dem sperrigen Namen Photoplethysmographie bereits 1976 zum ersten Mal angewendet. (Quelle Wikipedia)

In der Medizin hatte man also genug Zeit viele Erfahrungen mit der optisch-elektrischen Pulsmessung, auch Pulsoxymetrie genannt, zu sammeln. Und da das Messverfahren noch immer angewendet wird, scheint es sehr zuverlässig und präzise zu sein.

Doch bevor wir auf das Thema Genauigkeit näher eingehen, wollen wir noch eine andere Frage klären.

Wie funktioniert die optische Pulsmessung

Bei der bereits oben erwähnten Photoplethysmographie wird vereinfacht gesagt das sich ständig ändernde Blutvolumen in den Arterien gemessen. Pumpt das Herz Blut in den Körper ( Systole ) ist das Volumen größer als wenn Blut vom Herzen angesaugt wird ( Diastole).

Bei der Systole wird Blut, das stark mit Sauerstoff angereichert ist, in den Körper transportiert. Sauerstoff wird über das Protein Hämoglobin (oxygeniertes Hämoglobin) im Blut gebunden und weitergeleitet. Bei der Diastole ist das Protein frei von Sauerstoff (desoxygeniertes Hämoglobin). Je nachdem ob das Hämoglobin gerade besetzt oder frei ist, ändert sich dessen Lichtabsorption.

Aus dem Rhythmus von Systole und Diastole und dem sich ändernden Blutvolumen kann über das Messverfahren die Herzfrequenz abgeleitet werden.

Bei Fitness Tracker und Pulsuhren befinden sich auf der Rückseite des Uhrgehäuses zwei oder mehr LED-Lampen und ein optischer Sensor. Das Licht der LED´s durchdringt die Haut und die darunter befindlichen Blutgefäße. Je nach Blutvolumen wird das Licht absorbiert oder reflektiert. Der optische Sensor misst das reflektierende Licht, wodurch der aktuelle Puls ermittelt werden kann.

Quelle: Epson

Optische Pulsmessung besser als Ihr Ruf

Wie oben erklärt handelt es sich dabei um ein medizinisches Messverfahren, das sehr präzise und zuverlässige Daten liefert.

Nun sollte man vermuten, daß Fitness Tracker und Pulsuhren mit integrierter Pulsmessung ebenfalls sehr genau sind. Doch gibt es zahlreiche Erfahrungsberichte, die genau das Gegenteil beweisen. Warum das so ist und welche Gründe es für unterschiedliche Messergebnisse gibt, werden wir gleich erklären.

Doch zuerst wollen wir noch eine Studie von Epson vorstellen, die sehr interessante Aufschlüsse zur Genauigkeit der optischen Pulsmessung gibt.

Epson ist nicht als Sportmarke bekannt, gehört aber bereits seit Jahren zu den führenden Herstellern von Sensoren. Das Unternehmen hat im Herbst des Vorjahres die unabhängige Forschungsberatung Progressive Sports Technologies Ltd. mit einer Studie beauftragt, in der festgestellt werden sollte, wie genau die optische Pulsmessung nun wirklich ist.

Dabei wurde ein Elektrokardiogramm (EKG) als Referenzgerät mit einer Pulsuhr mit Brustgurt und zwei GPS-Laufuhren mit integrierter Pulsmessung verglichen. Eines der beiden Modelle war eine Epson SF-810.

15 Studienteilnehmer mussten verschiedene Aktivitäten, vom einfachen Liegen bis zum Laufen im hohen Belastungsbereich durchführen. Dabei wurden die Messwerte der drei Geräte aufgezeichnet und verglichen.

Auch Mio Global, ein Pionier der optischen Pulsmessung, hat dazu eine Studie gemacht und ist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen (Quelle Mio Global Genauigkeit der optischen Pulsmessung )

Warum sind die Messwerte manchmal trotzdem falsch

Es gibt einige Faktoren, die zu Fehlern bei der Messung führen können.

So beeinflussen Tätowierungen, sehr dunkle Haut, starke Behaarung, Schmutz auf dem Sensor und auch Kälte den Messvorgang und damit auch die Ergebnisse.

Der häufigste Grund ist jedoch der schlechte Sitz des Fitness Armbandes am Handgelenk. Ist der Abstand zwischen Gerät und Handgelenk zu groß, kann das Licht der LED´s nicht tief genug in das Gewebe eindringen oder der Sensor erfasst zu wenig des reflektierten Lichtes.

Alle großen Anbieter empfehlen den Fitness Tracker rund drei Finger breit oberhalb des Handgelenks zu tragen. An dieser Stelle sitzt das Fitness Armband fest genug um die besten Messergebnisse zu erzielen und während dem Workout nicht ständig zu verrutschen. Fitbit hat zum richtigen Tragen eines Fitness Tracker eine sehr gute Anleitung verfasst

Ruckartige, heftige und intensive Bewegungen können die Messung ebenfalls beeinflussen. Bei solchen Aktivitäten verliert die Messeinheit ( LED´s und Sensor) kurzfristig den Hautkontakt. Das kann zu völlig unrealistischen Werten ( deutlich zu hoch oder zu niedrig) führen oder auch zu kurzen Aussetzern in der Messung.

Ein weiterer Grund, der sich auf die Qualität der Messdaten auswirkt, ist die generelle Verzögerung in der Messung.

Bei der Pulsmessung mittels Brustgurt befindet sich der Sensor in unmittelbarer Herznähe. Bei der optischen Pulsmessung dauert es naturgemäß ein wenig bis Änderungen der Herzfrequenz ermittelt werden können. Bei Ausdauersportarten wie Laufen, wo über einen längeren Zeitraum eine Aktivität in gleicher Intensität ausgeführt werden, stellt diese Verzögerung kein Problem dar. Schon nach wenigen Minuten sind die Messwerte präzise und zuverlässig.

Bei anderen Sportarten, wie Krafttraining, in denen sich kurze intensive Anstrengungen mit Ruhephasen abwechseln, gelangen die meisten Fitness Armbänder an ihre Grenzen und sind nur bedingt verwendbar.



Vor- und Nachteile der optischen Pulsmessung

Der sicher größte Vorteil ist der Wegfall des Brustgurtes. Viele empfinden den Brustgurt als unbequem und unangenehm, weil das Teil einengt und manchmal sogar scheuert.

Bei Pulsuhren oder Fitness Armbänder mit integrierter Pulsmessung hingegen, erspart man sich zusätzliche Sensoren und genießt ohne jegliche Einschränkungen den Sport.

Außerdem darf man nicht vergessen, daß erst mit der optischen Pulsmessung Geräte wie Fitness Tracker, die auch Aktivitäten im Alltag aufzeichnen, erst möglich wurden. Oder kannst Du Dir vorstellen, den ganzen Tag mit einem Brustgurt herumzulaufen?

Der entscheidende Nachteil der Pulsmessung am Handgelenk ist die mangelnde Eignung für alle Sportarten. Bei heftigen Bewegungen oder abwechselnden intensiven und ruhigeren Aktivitätsphasen stößt diese Messmethode an ihre Grenzen und ist daher nur für Ausdauersportarten wirklich empfehlenswert.

Fazit

Noch vor einigen Jahren wurde die optische Pulsmessung aufgrund fehlender Genauigkeit völlig zurecht kritisiert. Inzwischen wurde das Messverfahren deutlich verbessert, wodurch es in Präzision und Zuverlässigkeit mit anderen Messmethoden vergleichbar ist und durchaus mithalten kann.

Um wirklich gute Messdaten zu erhalten, ist es wichtig die Pulsuhr oder das Fitness Armband an der richtigen Stelle fest genug angebracht zu tragen. Außerdem solltest Du bereits beim Aufwärmen vor dem Sport die Herzfrequenzmessung starten, damit sich die Messung zu Beginn Deiner Trainingseinheit eingependelt hat.

Berücksichtige auch, daß äußere Einflüsse wie Hitze oder Kälte Deine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und nichts mit der Messqualität Deiner Sportuhr zu tun hat. Außerdem haben wir alle manchmal sehr gute aber auch schlechte Tage.

Außerdem ist gar nicht so wichtig, ob Deine Pulsuhr oder Dein Fitness Tracker absolut genaue Messdaten liefert. Die Unterschiede in den Messungen belaufen sich oft nur 5 bis 10 Schläge pro Minute, was keinerlei Aussagekraft über Dein Leistungsvermögen oder Fitness hat.

Zum Abschluss kurz und bündig – Die optische Pulsmessung ist ein zuverlässiges und präzises Messverfahren, das dem ambitionierten Hobbysportler ausreichende und informative Daten liefert.