Wie geht es uns denn so? Uns! Eine hübsche Grußformel und Grundlage für unzählige Ärzte-Witze ist. Bei einer persönlichen Begrüßung fragen die Gesprächspartner häufig auch nach dem Wohlbefinden. Das gilt als höflich sich nach dem Befinden des Gegenüber zu erkundigen. Im Grundes könnten sie jedoch gleich fragen: wie geht es uns. Quasi als Standardbegrüßung. Ist es wirklich eine ernst gemeinte Frage? Ist diese Frage überhaupt möglich? Oder widerspricht sie jeder Logik? Kann es beim Wohlbefinden ein standardmäßiges uns geben?
Wie geht es uns tatsächlich
Vielleicht ist der gewählte Zeitpunkt gar nicht schlecht, diese Frage hier und jetzt aufzuwerfen. Kalenderentsprechend wünsche ich zunächst mal ein frohes neues Jahr. Möge das neue Jahr um vieles besser werden, wie es das alte war. Ich meine das sehr ernst. Aber zurück zur Ausgangsfrage. Wie geht es uns denn so?
Die Antwort ist schwierig. Man wird aus der Subjektivität beinnahe nicht heraus kommen. Aus persönlicher Sicht geht es mir „nun ja, recht gut, aber nicht richtig gut“. Große Hoffnung setze ich in die Reha-Maßnahme, die in wenigen Tagen beginnt. Ein Erfolg wird sich natürlich nicht nur auf mich auswirken, sonder ich kann das verbesserte Wohlbefinden auch ausstrahlen. Somit verbessert sich auch das Wohlbefinden meiner Umgebung. Aber uns bedeutet die Mehrheit, die Masse, inklusive der eigenen Person, aber auf jeden Fall zahlenmäßig mehr und größer, als nur die eigene Person plus direkte Umgebung. Wie geht es uns? Ich glaube, eine pauschale Antwort ist unmöglich. Zu groß ist die Menge der Einzelbefinden und zu vielfältig die einzelnen Facetten, die sich zum Wohlbefinden zusammenfügen. Aber trotzdem möchte ich einige Punkte heraus greifen, die wenigstens Bruchstücke zur General-Beantwortung beitragen können.
Baustein Gesundheit
Keine Angst, ich fange jetzt nicht an über meine Gesundheit zu reden. Auffällig ist nur, dass bei jedem Jahreswechsel und Wiegenfest Gesundheit gewünscht wird. Beim Niesen ist es aus der Mode gekommen, geht aber noch immer locker von der Zunge. Gesundheit ist also ein wichtiger Faktor in der Beantwortung des „wie es uns geht“. Derletzt lass ich einen tollen Ausspruch, der mich lange beschäftigt hat. Wer für seine Gesundheit keine Zeit hat, wird viel Zeit mit seiner Krankheit verbringen.
Jepp, das kann ich bestätigen. Mittlerweile habe ich eine Menge geändert, aber das sind „Einstellungen“ für die Zukunft. Total auf den Geist geht mir die aktuelle Fitness-Werbung. Wow, so einen Fitness-Hype hatten wir zuletzt in den 1980ern. Nur hatten wir damals noch keine App. Irgendwie schimmert es in der Werbung durch, dass mit Benutzung der App (Zeitstempel Mitte 2010er Jahre) das Gesamtwohl über den Einzelnen in die Allgemeinheit rollen wird. Schöne, heile Welt, aber gar keine abwegige Erkenntnis. Mit der App ist die Vernetzung des Einzelnen auch nicht mehr weit und dann bekommt die Frage wie geht es uns einen Sinn. Wobei … dann wird man die Frage nicht mehr stellen müssen, weil der Bevölkerungsgesundheitsindex täglich um 10 Uhr veröffentlicht wird. Gleich neben den wichtigsten Börsen-Indizes. Wir sehen also: Am „wie geht es uns?“ wird ernsthaft gearbeitet. Schwerpunkt Fitness und Gesundheit.
Mein persönlicher Beitrag
Ich hatte es angekündigt, demnächst gibt es Tee von mir … per Internet-Shop. Zuerst dachte ich, das Tee-Thema müsste am Gesundheitsthema aufgehängt werden. Denkfehler! Zwar ist Tee gesund und tatsächlich, die Wirkung verschiedener Mischungen ist nicht zu verleugnen, aber wie ein Medikament kann Tee nicht eingesetzt werden. Das wäre auch schade, weil der eigentliche Sinn vom Teegenuss der Genuss ist. Und wenn das nebenbei auch noch gut für die Gesundheit ist, um so besser. Ich denke, hier sind wir an einem wichtigen Punkt angekommen. Gesundheitsbewusst kann nur jeder einzelne handeln. Für sich, eigenverantwortlich und nur im Eigenzweck. Da ist er vollkommen frei in der Wahl der Mittel und Wege. Der Einzelne ist aber auch gleichzeitig Baustein des Gesamten. Gesellschaft. Ach egal, wir schweifen ab …
Baustein Sicherheit
Wenn ich hier proklamiere, dass wir in sicheren Zeiten leben, dann werde ich als unseriös dargestellt. Mit Recht. Aber leben wir wirklich in einer Zeit, die unsicherer ist? Unsicherer als je zuvor? Und wie spielt das in das hinein, was wir zur Beantwortung der Wohlbefindensfrage benötigen. Müssen wir auf die Frage „Wie geht es uns“ für die Antwort gut immer die maximale Sicherheit haben? Dabei stellt sich die Frage, ob es echte, wahre, umfassende Sicherheit überhaupt gibt. Sicherheit bedeutet zumindest Szenerien zur Gegenreaktion auf Krisen griffbereit zu haben. Alter Schwede, ich schwinge mich gerade in ungeahnte Höhen auf! Aber aufgepasst, das Thema Sicherheit ist komplex und vielfältig. Es reicht vom krisensicheren Job, Bremsweg und sauberem Wasser bis zum Schutz gegen Krieg, Terror und Umweltkatastrophen.
Natürlich, wenn ich heute Leute auf der Straße nach ihrem Sicherheitsgefühl befrage, werde ich keine besonders positive Meinung ermitteln können. Das Thema der Flüchtlinge und die IS-Terrorgefahr sind allgegenwärtig. Und auch eine Unsicherheit zur politischen Lage, inklusive aufkeimendem Misstrauen gegen Regierung und Opposition. Wie geht es uns? Unsicherheitsgefühl. Uns geht es nicht gut. Ist es tatsächlich so?
Mal ganz ehrlich, ich nehme aktiv schon eine ganze Weile an der gesellschaftlichen Entwicklung teil und habe durchaus Phasen der scheinbaren Sicherheit, wie auch Perioden von Gefährdung und Unsicherheit miterlebt. Die 1970er Jahre, mit aktivem, nahem, staatsangreifendem Terror. Die 1980er Jahre mit kaltem Krieg, NATO-Doppelbeschluss und einer fast greifbaren Angst vor wirtschaftlichem Abschwung. Ich könnte weitere Beispiele bringen, aber in Wirklichkeit ist nicht das Wissen um die Krisen wichtig, sondern das Erkennen der Bewältigung. Jede Krise ist eine Chance. Man muss nur den richtigen Weg finden. So können zum Beispiel die Flüchtlinge für uns eine Chance und Zukunftsoption sein. Auch die Abwehr des IS-Terrors kann die Gesellschaft stabilisieren. Ich glaube, eine größere Gefahr für den Einzelnen liegt in seinen Zucker-, Cholesterin- und Blutdruckwerten. Gefährdungen im Großen (also gegen den Staat) werden im Großen abgewehrt. Gefährdungen im Kleinen müssen im Kleinen abgewehrt werden. Es ist also wichtig und gut, dass wir uns (jeder Einzelne) über Gefahren Gedanken machen und Szenerien zur Krisenabwehr entwickeln. Im Kleinen und nach Möglichkeit und Einfluss auch im Großen. Wenn diese Szenerien noch nicht griffbereit sind, bedeutet das noch lange nicht, dass wir in schlechten, unsicheren Zeiten leben und keinen Ausweg haben. Es heißt lediglich, dass wir aktiv werden müssen. Wie geht es uns tatsächlich? Nur wenn wir auf Dauer keine Szenerien zur Krisenabwehr haben, geht es uns schlecht.
Wie geht es uns tatsächlich?
Wegen Platz und Zeit konnte ich jetzt nur Streiflichter setzen. Im Grunde ist die wie-geht-es-Frage aber nicht wirklich zu beantworten. Die Messlatte des Wohlfühlens ist bei jedem Menschen eine andere. Ebenso wie die Szenen der Krisenbewältigung. Erschwert wird die Beantwortung, weil es einem Tasten nach Befindlichkeiten im Halbdunkel gleicht kommt und an einem Ziel gemessen wird, das gleichfalls diffus ist.
Die Beantwortung der wie-geht-es-Frage hängt davon ab, wie klar wir unser Ziel sehen oder wie exakt wir die Zieldefinition vornehmen können.
Dies mag jetzt eine erschreckende Erkenntnis sein, aber es lohnt sich im Sinne des Wohlbefindens, aktiv daran zu arbeiten. Es geht uns nur schlecht, wenn wir nichts an der Gesamtsituation tun. Zu Krisen muss jeder selbst eine Einstellung finden und Szenerien zur Abhilfe zumindest in Bausteinen beitragen. Bei kleinen Krisen können gute Ratschläge und Eigeninitiative das Wohlbefinden sichern. Und manchmal ist es notwenig sich selbst neu zu erfinden. Ich weiß genau, von was ich da rede. Die letzten Monate haben mir einiges an Leistung in dieser Richtung abgefordert. Aber ich bin dran und ich fühle mich alleine schon durch diese Aktivitäten viel besser. Ein „wie geht es?“ löst bei mir keinen Schwall diverser Jammer-Triaden aus, sondern bietet mir die Möglichkeit über die Zukunft zu reden. Im meinem Fall ist das Tee.
Abgesehen von meiner Begeisterung für Tee und meiner Arbeit an dem nach meiner Reha aktiven Tee-Laden, verbinde ich bei der wie-geht-es-uns-Frage auch noch andere Gedanken. Da denke ich in erster Linie an die Internet-Kultur (die nichts anderes als ein Kondensat der realen Gesellschaft ist), die zwischen Facebook-Jubel-Trubel-Oberflächlichkeit und tiefer Depression schwankt. Für 2016 wünsche ich mir einen Wertewandel, Zupacken beim Wandel von Risiken in Chancen und mehr Optimismus. Nicht nur im Internet, sondern auch im RL in der Gesellschaft und bei jedem Einzelnen. Schön wäre es, wenn unser gemeinsames Ziel für 2016 eine Begrüßung nach folgendem Muster: Wie geht es? Antwort Optimistisch! 2017 kann es dann einen ganzen Schritt weiter gehen.