Die Autoren fassen in diesem Zusammenhang auch andere esoterisch anmutende Praktiken wissenschaftlich zusammen, so habe sich zum Beispiel gezeigt, dass Menschen, die daran glauben, dass ihnen Gebete anderer helfen, schneller gesundeten. In weiteren Untersuchungen wurde die menschliche Fähigkeit zur Vorausahnung belegt. Überraschenderweise zeigte sich tendentiell bei Empfängern von aus der Ferne gegebenem "Segen" eine erhöhte Aktivität des Thalamus. Dieser Aspekt fasziniert mich selbst, wie ich hier schon schrieb, seit ich eine statistisch sehr unwahrscheinliche Häufung von Begegnungen mit einer geliebten Frau erlebte, auf die sich meine Gedanken lange Zeit in Liebe konzentriert hatten.* Erst vor ein paar Tagen kaufte ich in einem anderen Fall einen Schutzhelm für ein Kind, und als ich abends nach Hause kam, teilte mir die Bekannte, für dessen Kind ich ihn gekauft hatte und die ein paar Hundert Kilometer von mir entfernt war, mit, dass sie just zur gleichen Zeit mit ihrem jüngsten Kind und ihrer Mutter in einen Motorradunfall verwickelt war (der glimpflich ausging). Dieses spekulative Feld unserer Wahrnehmung, das auf der einen Seite zum Wahnsinn neigt und zuweilen auf quälende Weise nutzlos bleibt, erscheint mir als eines der viel versprechendsten Forschungsgebiete der Neurologie: Wie stark können wir über Distanzen hinweg mit geliebten Menschen verbunden sein, und wie sehr können wir deren Schicksal voraussehen und dies fruchtbar machen? Die Autoren geben praktische Hinweise und behaupten auch, dass sowohl sich wiederholende Bewegungen oder Töne wie auch eine spezielle Haltung - so lange sie angenehm seien ! - eine günstige rituelle Praxis darstellten. Sie berücksichtigen das Shaktipat der Hindus ebenso wie das Dikr der Sufis und die Meditation auf den Sound Om. Entscheidend sei, dass das "beobachtende Selbst" in einem Teil des Hirns stattfände, das nicht mit den sorgenvollen Gedanken im rechten Frontallappen verbunden sei, aber auch nicht mit den optimistischen des linken Frontallappens. Mehr "Achtsamkeit" im Alltag bedeute auch mehr Selbstvertrauen und eine verbesserte Fähigkeit, mit emotionalen Problemen fertig zu werden. Die "neurowissenschaftliche Wahrheit" der Autoren kommt uns bekannt vor: Unsere Wahrnehmung der Dinge sei nichts als eine Illusion, die im Parietallappen entstünde und in den Sprachzentren des Frontallappens einen Namen bekäme, unsere Gedanken und Gefühle seien also nur Gebilde in unserem Geist, Erinnerungen, die aus der Vergangenheit stammten und auf die Gegenwart projiziert würden. Darum müsse das gewöhnliche Bewusstsein, das vom Frontallappen regiert würde, unterbrochen werden, damit das eigene Glaubens- und Wertesystem zusammenbrechen und ein neues entstehen kann.
Natürlich hat zumindest einer der Autoren auch ein kostenpflichtiges Programm aus diesen Erkenntnissen entwickelt. Man muss ihm aber seine umfassende Auswertung des wissenschaftlichen Materials zugestehen, das schließlich auch viele im Lauf der letzten Jahre hier und anderswo von mir geäußerte Empfehlungen untermauert.
- Es ist angebrachter, sich in rhythmischen Bewegungsmustern der Erleuchtung zu nähern, also etwa in spirituell betriebener Kampfkunst, als im regungslosen Sitzen, und/oder die "Achtsamkeit des beobachtenden Selbst" bei Alltagstätigkeiten einzuüben.
- Es ist viel versprechender, die Erleuchtung bewusst anzustreben und zu wollen, als sich diesem Anspruch zu verweigern.
- Es gibt sichtbare Veränderungen in der Lebensperspektive und Lebensführung von Menschen, die Erleuchtung erfahren haben (oder das von sich glauben).
Dies alles erklärt m. E. auch ganz gut, warum so viele User auf buddhistischen Plattformen keine Entwicklung in ihrer Praxis durchzumachen scheinen und keine Erleuchtung erfahren (es fehlt ihnen an bewusster Zielgerichtetheit und einer angemesseneren Methode) und sich eher vor Andersdenkenden abschotten und nicht im Reinen mit sich wirken.
[* "Die Freude, jemanden wiederzufinden, dem man schon einmal begegnet ist, dem man immer wieder begegnet ist, ewiglich, in einer unendlichen Zahl früherer Inkarnationen. Glaubt man nicht daran, ist es ein Mysterium." Michel Houllebecq: Gestalt des letzten Ufers. Dumont 2014]