Wie eine Büffelkuh zum Star avanciert

Von European-Cultural-News

Hirte und Büffelkuh von Jean Barbault (c) Strasbourg, Musée des Beaux-Arts


Italienerinnen und Italiener in ihrer Landestracht, antike Ruinen sonder Zahl, ein großes Panorama, auf dem eine Maskerade zu sehen ist und Landschaften, in weiches Licht getaucht. All das ist derzeit im Musée des beaux Arts (Museum der bildenden Kunst) noch bis zum 22. August in Straßburg zu sehen. „Jean Barbault oder das Theater des italienischen Lebens“, “Le théâtre de la vie italienne” so der französische Titel, verrät, was die gut zusammengestellte Schau zeigt. Bilder des wenig bekannten französischen Künstlers (1718-1763), die jenen von Zeitgenossen, unter ihnen auch Jean-Honoré Fragonard, gegenübergestellt werden und das Thema Italien zum Inhalt haben.

Anlass zu dieser Ausstellung gab eine Neuerwerbung des Museums, das Bild Barbaults mit dem Titel „Hirte und Büffelkuh, eine Grotte verlassend“. Es zeigt eine große, dickbäuchige Büffelkuh, die von einem jungen Mann in italienischer Landestracht des 18. Jahrhunderts vergeblich zum Weitermarschieren animiert wird. Sie reagiert nicht auf seine kleine Gerte, die er grazil mehr andeutend als schlagend an ihr Hinterteil hält, sondern steht fest geerdet vor dem Ausgang einer Höhle, aus der die beiden herausgekommen zu sein scheinen. Eine der möglichen Interpretationen wäre eine zeitgenössische Umdeutung der griechischen Sage von Io, die Jupiter begehrte, die er aber wegen seiner eifersüchtigen Frau in eine Kuh verwandeln musste. Merkur, der Götterbote wird schließlich ausgesandt, das Schicksal von Io zu erleichtern und sie von der Bewachung Argus` zu befreien – und, so erfährt man in dem gut gemachten Begleitkatalog, so könnte der schicke Kuhhirte eine Merkurinterpretation des 18. Jahrhunderts darstellen. Er könnte – er muss aber nicht; Belege zu dieser Interpretation gibt es keine, wie überhaupt die Angaben zu Jean Barbault sehr spärlich sind. Dass er einer der Stipendiaten der Academie de France in Rom war, steht unstrittig fest, obwohl er den Preis für den Aufenthalt nicht gewonnen hatte, was normalerweise Voraussetzung gewesen war. Vielmehr erwies sich der Direktor des Institutes als sein Fürsprecher, was dem Künstler den Romaufenthalt in der Akademie erst ermöglichte. Auch, dass  er sich noch während seiner Stipendiatszeit mit einer Italienier verheiratete und unter Schulden litt, ist  bezeugt. Sein späterer Lebensweg verliert sich jedoch im Dunkel der Geschichte.

Venetianerin von Jean Barbault (c) Jean BARBAULT (Viarmes (Val-d'Oise), 1718 - Rome, 1762), Vénitienne, vers 1750, Huile sur toile, 24,5 x 18,8 cm. Paris, collection particulière


Die Ausstellung gibt einen schönen Überblick über die verschiedenen Bildgattungen, die zu jener Zeit französische Künstler malten, welche  zu Italien eine besondere Beziehung pflegten. Neben den städtischen Veduten, in denen vor allem das antike Rom vorherrschte, waren Portraits, religiöse Sujets, Historiengemälde, aber auch Genrebilder anzutreffen. Ein eigener, intimer Raum, in welchem kleinformatige Bilder Barbaults gezeigt werden, die er quasi als Erinnerungsstücke für Italienreisende verfasste, macht deutlich, wie sehr der Künstler bemüht war, auch gleiche Motive durch geringfügige Abwandlungen zu beleben. Seine schöne „Frau aus Frascati“ zum Beispiel, die “Venezianerinnen“ oder auch die „Männer der Schweizer Garde“ waren beliebte Mitbringsel aus Italien, wenngleich auch sicherlich etwas teurer als unsere heutigen Postkarten. Und tatsächlich hatten die noblen Herren, die sich auf der “grand tour” in Italien befanden, auch mehr Kleingeld eingesteckt als heutige Durchschnittstouristen. Noblesse verpflichtete eben, auch beim Souvenirkauf.

Atemberaubend schön präsentiert sich Barbaults bekanntestes Werk „Die Maskerade der vier Erdteile“, welches sich über eine ungewöhnliche Länge von knapp 4 Metern, bei einer Breite von nur knapp 38 Zentimetern spannt. Das Bild ist ein Entwurf, der ein kostümiertes Defilee der Stipendiaten vor dem Palais Mancini in Rom zeigt, in welchem die damalige Akademie untergebracht war. Gekleidet in Fantasiekostüme der Bewohner aller vier damals bekannten Erdteile – Amerika, Europa, Afrika und Asien – und unterbrochen von Festwägen – erfreuen sie noch heute die Betrachter durch die Vielfalt der prächtigen Gewandungen. Ganz am rechten Rand ist ein Mann zu sehen, mit braunem Cape, weißen Gamaschen an den Füßen und einer blauen Hose. Dieselbe Erscheinung, wie jener Kuhhirte des Bildes, das die Ausstellung als letztes bekrönt. Vielleicht hat sich hier Barbault selbst verewigt?

Das Besondere an der Schau sind nicht nur die Bilder, die einen wunderbaren Überblick über die französisch- italienische Schule des 18. Jahrhunderts geben. Das Besondere ist die kluge, spannende und witzige Konzeption, welche die Besucherinnen und Besucher Stück für Stück hinleiten zu jenem thematisch ausgefallenen und rätselhaften Bild, auf welchem die Büffelkuh sich keinen Meter mehr weiterrührt. Die Kuh, die in einer anderen Präsentation leicht übersehen werden könnte, avanciert so zum absoluten Superstar der Ausstellung.

Weitere Infos unter: http://www.musees-strasbourg.org/sites_expos/barbault/