Wie kommt ein Asylbewerber zum Medikament? Wie jeder andere auch, ausser ... hmmja.
Die jüngere Frau bringt mir ein Rezept vom Spital für Elevit. Das sind Vitamine, die man in der Schwangerschaft anwendet. Sie sieht zwar noch nicht schwanger aus, aber das muss nichts heissen. Zusammen mit dem Rezept drückt sie mir den Brief von der Krankenkasse in die Hand, da sie - wie sie mir in leidlichem deutsch erklären kann - keine Krankenkassenkarte bekommt.
Gut kann ich heute in der Apotheke bei den meisten Krankenkassen die Versicherungsdeckung einer Person auch via Internet abrufen. Im schlimmsten Fall auch nur mit Name und Geburtsdatum - auch wenn das wesentlich aufwändiger ist. Ich mache das, dabei fällt mir auf, dass sie die Krankenkasse offensichtlich zugewiesen bekommen hat, weil sie Asylbewerberin ist. Deshalb bekommt sie wohl auch keine Karte. Nicht wirklich überraschend ist denn auch, dass sie nur Grundversichert ist, so wie obligatorisch. Keine Zusatzversicherung. Das bedeutet in dem Fall auch: das Elevit wird nicht übernommen, das zahlt nämlich nur die Zusatzversicherung. Auch in der Schwangerschaft. Da hat man zwar ein paar Vergünstigungen wie: keine Franchise, kein Selbstbehalt ... aber das nicht.
Ich gehe zurück zur Patientin und versuche ihr die Sachlage zu erklären: Wenn sie die Multivitamine will, dann muss sie sie selber bezahlen.
Nicht wirklich überraschend hat sie kein Geld dafür.
„Gibt es da nichts, was übernommen wird?" fragt sie.
Leider nicht. Die ganzen Multi-Vitamine werden - wenn überhaupt - nur von der Zusatzversicherung übernommen.
„Ich brauche sie aber, da ich schwanger bin."
Naja - es sind Vitamine, auch wenn wir einzelne brauchen, die kann man im Normalfall auch ohne Tabletten zu sich nehmen: sie sind in der Nahrung enthalten. Aber - ich sehe das Problem. Ich überlege. Das wichtigste darin, das sie braucht ist wahrscheinlich die Folsäure und das Eisen. Das könnte man sich separat verschreiben lassen, bei denen gibt es Präparate, die von der Grundversicherung übernommen werden.
Die Pharmaassistentin übernimmt den Fall und versucht im Spital anzurufen. Ich mache das aus verschiedenen Gründen sehr ungern. Auch hier zeigt es sich wieder: die Ärztin, die sie hatte ist nicht da und die in der Abteilung, in der die Patientin gewesen ist, ist zu beschäftigt. Immerhin verspricht man zurück zu rufen.
Ich sage der Frau, dass sie am nächsten Tag wieder kommen soll - das könnte etwas dauern.
Später am Tag folgt tatsächlich der Rückruf durch die verschreibende Assistenz-Ärztin selber. Die ist erst mal sehr erstaunt, dass das nicht übernommen wird - auch nicht in der Schwangerschaft. Dass die Patientin das nicht selber zahlen kann, kann sie sich selber denken. Tatsächlich hat sie es vor allem deshalb aufgeschrieben, weil sie denkt, dass die Frau in der Unterkunft wahrscheinlich auch nicht sehr ausgewogen zu essen bekommt. Leider ist sie von meinen Vorschlägen nicht überzeugt. Ändern darf ich deshalb nichts, die Frau soll nur bei eventuell auftretenden Problemen wieder zum Arzt.
Etwas unbefriedigend, weshalb ich mich danach noch etwas mehr damit beschäftigt habe.
Da in der Schweiz die Grundversicherung obligatorisch ist müssen auch Asylsuchende eine haben (gilt übrigens auch für sans-Papiers etc.). Jede Kasse muss sie aufnehmen, sie haben ein Anrecht auf Prämienverbilligung und im Asylverfahren bezahlen oft die Kantone die Prämien - wenn die Bewerber sie nicht selber bezahlen können. In dem Fall bestimmt der Kanton dann aber auch welche Krankenkasse und schränkt die Wahl der Ärzte und Spitäler ein.
Dann steht hier bei migraweb:
Asylsuchende haben in der Schweiz das Recht auf medizinische Basisversorgung. Sie dürfen aber nicht von sich aus einen Arzt oder ein Spital aufsuchen, sie brauchen - ausser in absoluten Notfällen - eine Kostengutsprache des zuständigen Sozialdienstes.
Sie müssen also zuerst den Arzt, der zum Beispiel für das Asylzentrum verantwortlich ist (oder auf einer Liste steht?) aufsuchen. Und eben: es wird nur übernommen, was auf der SL Liste steht (Grundversicherung). Das sollten die Ärzte dann aber wissen ...