Heute möchte ich einmal etwas ansprechen, was meiner Meinung nach oftmals zu kurz kommt, wenn man über eine psychische Erkrankung, wie ein Burnout-Syndrom oder eine Angststörung nachdenkt: Selbstwertgefühl.
Wenn man beispielsweise an Panikattacken leidet, dann führt das dazu, dass das Selbstbewusstsein einen Knacks bekommt. Wir verachten uns nicht selten für eine Angststörung, manchmal hassen wir uns gar für diese vermeintliche Schwäche. Jeder Mensch kennt Angst, jeder Mensch hat in bestimmten Situationen Angst. So gehen Schätzungen davon aus, dass 4 von 5 Menschen Angst vor öffentlichen Auftritten haben.
Auch Du gehörst also mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Menschen, die diese Angst kennen. Wir beschäftigen uns mit den Gedanken, nicht gut genug zu sein, zu scheitern. “Was können andere Menschen über uns denken?” Es ist also vollkommen normal, vor bestimmten Situationen Angst zu haben, aber diese Tatsache macht noch lange keine Angststörung.
Was war zuerst da, Huhn oder Ei?
Ein gesundes Selbstwertgefühl kann einen Menschen so leicht jedoch nicht unterkriegen. Wenn man allerdings an einer psychischen Erkrankung leidet, ist das Selbstwertgefühl angeschlagen. Auf der anderen Seite vertrete ich die Auffassung, dass eine psychische Erkrankung es bei Menschen schwer hat, die ein gesundes Selbstwertgefühl aufweisen. Führt eine psychische Erkrankung zu einer Verringerung des Selbstwertgefühls? Ich behaupte: Ja. Gleichzeitig sehe ich Selbstzweifel als Nährboden für eine psychische Erkrankung an.
Zwei, drei kleine Rückschläge, das eine oder andere Problemchen, kann das Selbstbewusstsein nicht so leicht erschüttern. Häufen sich jedoch die Rückschläge und Schwierigkeiten, so kann das Selbstbewusstsein Stück für Stück abgetragen werden. Ein sehr traumatisches Erlebnis kann meiner Meinung nach ebenfalls dazu führen, dass Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl von jetzt auf gleich einen herben Dämpfer erhalten, doch es muss nicht gleich ein Trauma sein, um das Vertrauen in sich selbst in kurzer Zeit zu zerstören.
Ich bin ein gutes Beispiel dafür: Panikattacken, generalisierte Angststörung, Hypochondrie & Co. traten dann in mein Leben, als ich nach Abschluss meines Studiums keinen adäquaten Job fand. Hinzu kam kreisrunder Haarausfall, durch den ich meine komplette Körperbehaarung verlor. Das war kein Trauma, aber das genügte, um mein Selbstbewusstsein bis ins Mark zu erschüttern.
Zuvor bin ich extrem selbstbewusst durchs Leben gegangen. Davon war innerhalb weniger Monate nicht mehr viel übrig. Es war wohl nicht meine Glatze und die fehlenden Augenbrauen, die mich in Vorstellungsgesprächen keinen Erfolg haben ließen, sondern meine Selbstzweifel. Ich war mir sicher, dass ich scheiterte und genauso passierte es.
Hier sieht man deutlich das Dilemma: Extrem hohe Ansprüche an mich selbst, ich wollte immer perfekt sein, führten zu einem unheimlichen Druck. Aufgrund des mangelnden Selbstwertgefühls, der Angst oder sogar der Gewissheit, nicht gut genug zu sein, war ich diesem Druck nicht mehr gewachsen. Ich konnte dem nicht standhalten und so scheiterte ich, was mein Selbstbewusstsein immer weiter verringerte.
Was kannst Du tun?
Man muss einen Weg finden, sein Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Man hat kaum noch einen Blick für seine Stärken, betrachtet nur seine Schwächen und ist damit beschäftigt, diese in den Griff zu bekommen. Leidet man beispielsweise an einer Angststörung, so befasst man sich hauptsächlich mit dieser vermeintlichen Schwäche. Dabei verlieren wir aus den Augen, was uns wirklich helfen würde. Genau deshalb rate ich immer wieder dazu, auch hinter die Angststörung zu schauen und sich nicht ausschließlich mit seiner psychischen Erkrankung zu beschäftigen.
Man hört oftmals, dass man an seinen Schwächen arbeiten sollte. Das halte ich nur bedingt für richtig. Man kann einige seiner Schwächen sicherlich verbessern, möglicherweise sogar vollkommen ausräumen. Das Streben nach Perfektion ist jedoch nicht der richtige Ansatz, da wir diesen Zustand niemals erreichen werden. Niemand ist perfekt. Diese oftmals lapidar dahingesagte Floskel enthält viel Wahrheit.
1. Unzulänglichkeiten annehmen
Wir werden immer Unzulänglichkeiten an uns feststellen, ganz egal, wie sehr wir an uns arbeiten. Teilweise schämen wir uns sogar dafür, vor allem, wenn wir sehr ehrgeizig sind und extrem viel von uns erwarten. Deshalb gibt es letztlich nur einen Weg: Wir müssen gewisse Schwächen, unsere ganz persönlichen Unzulänglichkeiten annehmen. Diese gehören zu uns, genauso, wie Panikattacken, Hypochondrie, generalisierte Angststörung, Burnout-Syndrom oder was auch immer zumindest für den Moment zu uns gehört.
2. Vertrauen zurückgewinnen
Es spielt letztlich keine Rolle, ob Dein Selbstwertgefühl aufgrund einer psychischen Erkrankung am Boden ist, oder aber bereits zuvor einen Dämpfer erlitten hat, und Angststörung, Burnout-Syndrom oder was auch immer erst deshalb in Dein Leben treten konnte. Du solltest nach einem Weg suchen, wieder Vertrauen in Dich zu gewinnen. Dabei solltest Du kleine Schritte machen und auf diese Weise nach und nach kleine Erfolge erzielen. Erst dann machst Du den nächsten Schritt.
Wenn Du beispielsweise an Agoraphobie leidest und Dich kaum aus dem Haus traust: Stelle Dich den Situationen, die Dir Angst machen, fange langsam an und stecke Dir mit der Zeit immer größere Herausforderungen. Macht Dir eine Herzneurose zu schaffen, starte mit regelmäßigem Sport usw. Auf diese Weise gewinnst Du langsam wieder Vertrauen in Dich, Deinen Körper, Deine Fähigkeiten.
Zudem kann Autosuggestion dabei helfen. Indem Du Dir beispielsweise immer wieder sagst: “Ich schaffe das”, “Ich bin gut so, wie ich bin.” und dergleichen, steigern diese Affirmationen mit der Zeit Dein Selbstvertrauen.
Neben dem Selbstvertrauen halte ich es für wichtig, wieder ein Urvertrauen zu entwickeln, das Vertrauen darin, dass alles wieder gut wird, dass es immer irgendwie weitergeht. Auch hier kann die Autosuggestion helfen. Auch wenn positives Denken oftmals ungemein schwer fällt, wenn man an einer Angststörung oder einem Burnout-Syndrom leidet, halte ich dies dennoch für ungemein wichtig.
Fazit
Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen etc. halte ich für einen wichtigen Anhaltspunkt, um seine psychische Erkrankung zu besiegen. Ich bin sicher, dass auch Du viele Eigenschaften hast, die Dich liebenswert machen. Sicherlich hast auch Du Deine Unzulänglichkeiten, Schwächen, die Du an Dir verabscheust. Diese gehören zu Dir und machen Deine Persönlichkeit aus.
Da Du diese alle kennst, mag es Dir vorkommen, dass Du viel mehr Schwächen hast, als alle anderen Menschen. das ist ein Trugschluss! Wir verbergen unsere Unzulänglichkeiten vor anderen und sind meist ziemlich gut darin. Nur deshalb kommt es Dir so vor, dass andere besser, stärker und liebenswerter sind, als Andere.
Du bist gut so, wie Du bist, mit all Deinen Stärken und Schwächen!