Der Facebook-Konzern plant, über eine Tochtergesellschaft namens "Calibra" und in Verbindung mit anderen großen Unternehmen eine neue, weltweite Währung unter dem Namen "Libra" einzuführen.
LINKS ZU BZW. INHALTE VON EINIGEN MEDIENBERICHTEN:
Am 18.06.2019 berichteten unter anderem:
- Vielleicht der informativste der mir bekannten Artikel ist ein ausführlicher dpa-Bericht, der unter "Facebook will eine digitale Weltwährung etablieren" in der Süddeutschen Zeitung online steht. Dort finden sich am Artikelende auch Links zu weiteren Meldungen, davon diese in Deutsch (im Newsroom der Fa. Facebook), während dieser Link bereits zu einer speziellen Webseite für die "Libra" führt (Texte in Englisch). NACHTRAG: Der Link führt jetzt merkwürdiger Weise zu einem anderen Artikel (vom 19.06.). Da es sich jedoch um einen dpa-Bericht handelt, dürfte der Text (ohne die Links am Schluss) auch in zahlreichen anderen Medien zu finden sein, z. B. hier im Manager-Magazin.
- Ebenfalls in der SZ der mehr kommentierende Artikel (von Victor Gojdka) mit der fast gleichlautenden Überschrift "Facebook will neue Weltwährung anbieten"
- Die Neue Zürcher Zeitung bringt eine recht detaillierte Meldung unter "Fragen und Antworten zum neuen «Facebook-Coin»". (Dazu gibt es in der NZZ auch einen Kommentar u. d. T. "Jetzt wird es ernst mit der Konkurrenz für die Banken".)
- FAZ: "Facebook plant eine digitale Weltwährung"
- Interessant wäre vermutlich das FAZ-Interview "Blockchain-Experte im Gespräch: 'Facebooks Währung ist nicht wie der Bitcoin' “, doch verbirgt sich dieses hinter der Bezahlschranke.
- Die ZEIT unter "Libra: Facebook verspricht digitale Währung ohne Kursschwankungen"
- SPON titelt: "Eigene Kryptowährung So könnte das neue Facebook-Geld funktionieren"
- Informativ ist auch der Bericht "Kryptowährung Libra. Wie Facebook einen besseren Bitcoin erschaffen will", von Sebastian Kirsch in der Wirtschaftswoche. (Auf der WiWo-Seite gibt es vom selben Autor auch einen Kommentar "Zahlt bald die ganze Welt mit Facebook?". Dessen Inhalt kenne ich allerdings nicht, da er kostenpflichtig ist.)
Einige Auszüge aus den vorgenannten und weiteren Artikeln geben eine Orientierung, worum es in der Sache geht:
"Das Digitalgeld mit dem Namen Libra basiert ähnlich wie der Bitcoin auf der so genannten Blockchain-Technologie, soll aber ohne Kursschwankungen auskommen" schreibt die FAZ.
Und weiter: "In der Anfangszeit dürfte das Digitalgeld vor allem für Überweisungen zwischen verschiedenen Währungen eingesetzt werden, sagte [der für das Projekt zuständige Facebook-Manager David] Marcus. Die Vision sei aber, die Libra schließlich zu einem vollwertigen Zahlungsmittel für alle Situationen zu machen."
In der NZZ erfahren wir:
"Libra [genauer: die Libra Association] ist ein Verein, der in Genf auf Initiative von Facebook gegründet wurde und dem mittlerweile knapp dreissig Unternehmen angehören, darunter Visa, Ebay, Uber und Spotify. Libra ist aber gleichzeitig auch der Name einer Blockchain-basierten Kryptowährung, deren Wert durch einen Währungskorb abgesichert wird. Diese globale finanzielle Infrastruktur soll einen schnellen und günstigen Wertetransfer ermöglichen."
Neben dem Verein wurde kürzlich das Unternehmen "Libra Networks" gegründet. Beide, Verein und Unternehmen, haben ihren Sitz in Genf. Das nur zur Information; der genaue Zusammenhang zwischen Verein und Unternehmen muss uns hier nicht interessieren: Bei mir geht es um die Frage, wie eine solche Währung überhaupt funktionieren und was sie (nicht) leisten kann.
Sehr interessant aus demselben Artikel auch zur Frage "Welche Punkte sind noch offen?"diese Informationen:
"Noch viele. Der Verein ist zwar in Kontakt mit Behörden und Regulatoren, doch die Diskussion um Transparenz, Zulassungen und den Schutz vor Geldwäscherei sind noch lange nicht abgeschlossen. So kann, wie bereits gesagt, ein Verein in der Schweiz keine Banklizenz erhalten. In den USA gilt ein mit Währungen hinterlegter Coin als Wertschrift, und es braucht eine Broker-Lizenz, wenn man mit solchen Instrumenten Geschäfte macht. Die Charta, welche die Zusammenarbeit im Libra-Verein regelt, ist noch nicht abschliessend formuliert. Die Libra-Firmen haben zahlreiche Bezahl-, Aufbewahrungs- und Übermittlungsanwendungen angekündigt, fertig programmiert und produziert sind diese aber noch nicht. Aus diesem Grund steht auch das Datum der Lancierung von Libra noch nicht genau fest; anvisiert ist das erste Halbjahr 2020."
Aus dem Artikel "Uber, Visa, Mastercard, Paypal: Facebook bekommt prominente Unterstützung für seine Kryptowährung" der FAZ vom 14.06.2019:
"Wie genau die Währung funktionieren soll, sei bislang aber noch nicht ganz klar – selbst manchen der Investoren nicht."
Der dpa-Bericht in der SZ gibt insoweit etwas detaillierter Auskunft:
"Bisherige Blockchain-Währungen wie Bitcoin sind für ihre massiven Kursschwankungen berüchtigt - das ist etwas, was Facebook bei Libra unbedingt vermeiden wollte. Deshalb wird Libra in vollem Umfang durch einen Reservefonds mit verschiedenen Währungen wie Dollar, Euro und Yen gedeckt sein. "Wenn zum Beispiel jemand Libra für 100 Euro kauft, fließen diese 100 Euro in die Reserve", erläuterte Marcus. Die Libra Association werde zudem festlegen, in welchem Verhältnis Währungen und Wertpapiere wie Anleihen in der Reserve gehalten werden, um für einen stabilen Kurs zu sorgen. Auch wird Libra anders als der Bitcoin nicht von den Nutzern selbst erstellt, sondern muss bei Mitgliedern der Allianz oder auf Handelsplattformen erworben werden."
Aus dem WiWo-Artikel "Kryptowährung Libra. Wie Facebook einen besseren Bitcoin erschaffen will":
"Die Bilanz der großen Zahl-Offensive von Facebook heute: Zwei neue Websites, zwei neue Unternehmen, eine neue App, gut hundert Seiten Text in PDF-Dokumenten – und der Anspruch, eine neue Entwicklergemeinschaft für seine Kryptowährung aufzubauen. ..... Nutzer werden auch dann Libra-Münzen erwerben können, wenn ihre eigene staatliche Währung nicht Teil des Währungskorbs ist, der den Wert der Libra stabil halten soll. Das Geld in der Währungsreserve verwalten wird die Libra Association aber nicht: „Wir werden Kontakt mit Vermögensverwaltungen und großen internationalen Banken aufbauen, die die Währungsreserven für Libra verwalten. ..... Trotz der großen Ankündigung und Medien-Offensive: Noch scheinen viele Details des Zahlungs-Projektes von Facebook ungeklärt. Die Calibra-App befinde sich in der Entwicklung, heißt es auf der Website. Der Konzern arbeite daran, die Währung Libra und die zugehörige App Calibra möglichst schnell in möglichst vielen Ländern weltweit auf den Markt zu bringen. Und auch die Libra Association sagt lediglich, dass sie im Austausch mit den Finanzaufsehern in verschiedenen Ländern der Welt sei."
In der Süddeutschen Zeitung legt Victor Gojdka am 19.06.2019 noch einmal nach: "Was hinter Facebooks 'Weltwährung' steckt". Daraus:
"Manche Experten sehen gravierende Gefahren von dem Digitalgeld ausgehen. Sollten in Zukunft Milliarden Menschen damit im Alltag zahlen, könnten etablierte Finanzinstitutionen Probleme bekommen. "Das kann zu einer Gefahr für die Notenbanken werden", sagt Fabian Schär. Zinspolitik zum Beispiel könnte schwieriger umzusetzen sein, wenn viele Bürger nicht mehr nur Euro halten, sondern auch viel Libra. Frankreichs Finanzminister Bruno LeMaire gab bereits Folgendes zu Protokoll: Dass Libra eine eigene Währung werde, "kann und darf nicht passieren". Auch an der Währungsreserve des Libra-Konsortiums könnten sich etablierte Zentralbanker stoßen. "Die Assoziation übernimmt damit de facto zentralbankähnliche Aufgaben", sagt Experte Volker Brühl. Neben Notenbanken könnten sich auch schwächelnde Banken sorgen. Denn Kunden könnten ihre Einlagen dort abziehen und in den Libra-Coin schieben, sofern sie ihn für sicherer halten. Dies sind jedoch Extremszenarien. Andere Experten vermuten, dass der Libra-Coin wohl nur in Entwicklungsländern eine relevante Zahl an Nutzern erhalten wird. Das weltweite Finanzsystem würde das dann kaum tangieren."
FALSCHE GLAUBENSGEWISSHEITEN ÜBER KONKURRENZWÄHRUNGSSYSTEME
Was Facebook und seine Mitstreiter hier (längerfristig) einführen wollen, ist im Grunde ein Konkurrenzwährungsystem, wie es Friedrich August von Hayek in seinem Buch „Denationalisation of Money“ vorgeschlagen hat (1976, erweiterte Auflage 1978). Das bedeutet freilich nicht, dass die Libra-Akteure bewusst an Hayek angeknüpft hätten; mir erscheint das sogar sehr unwahrscheinlich.
Trotzdem kann man, wegen der objektiven Parallelität der Vorhaben, zur Beurteilung von Möglichkeiten und Risiken der Libra auf die Denkmodelle und Überlegungen Hayeks zurückgreifen.
Aber vor allem auf meine ausführliche Kritik an der Realisierbarkeit bzw. volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeit von Hayeks Vorstellungen, die ich unter dem Titel "Nobelpreis schützt vor Torheit nicht: Warum Friedrich August von Hayeks 'Denationalisation of Money' ein ‚Design for Disaster‘ ist" veröffentlicht hatte (03.02.2017).
Zunächst möchte ich aber einige gängige Vorstellungen erschüttern, die sich wahrscheinlich in vielen Köpfen festgesetzt haben. Ausdrücklich formuliert werden die selten. Jedoch wirken sie im Hintergrund des Denkens über Geld(systeme). Und gerade deshalb, weil sie das Denken sozusagen "vorfomatieren", ohne dass man sich dessen überhaupt bewusst ist, sind sie besonders gefährlich.
1) DIE QUALITÄT DES GELDES IST ABHÄNGIG VOM EMITTENTEN (PRODUZENTEN)
Manche Phantasien über ein neues Geldsystem lassen erkennen, dass der jeweilige Autor sich Geld so vorstellt wie irgend ein anderes Produkt: Es hätte dann so, wie es aus der "Fabrik" kommt, dauerhaft eine gut, weniger gute oder schlechte Qualität. Diese Vorstellung ist jedoch irrig.
Die Reichsbank von 1913 war ein solider und geachteter Geldemittent. Aber 1923 waren deren Scheine nur noch Klopapier.
Ich unterstelle, auch wenn ich das nicht sicher weiß, bei diesem Beispiel, dass die Vorkriegs-Geldscheine auch nach dem Krieg noch galten. Jedenfalls gilt: Das moderne (Fiat-)Geld hat keinen ein für allemal feststehenden Wert; das (zu einem bestimmten Zeitpunkt) beste Geld kann zu einem späteren Zeitpunkt komplett wertlos werden.
Und in einem Parallelwährungssystem hat der Emittent nicht einmal eine Kontrolle darüber, wie sich der Geldwert seiner eigenen Währung entwickelt (s. Ziff. 4).
2) ES GIBT EIN OBJEKTIV BESSERES UND SCHLECHTERES GELD, DAS ALLE GELDNUTZER UNBEDINGT HABEN MÖCHTEN
Wir haben uns daran gewöhnt, ein kaufkraftstabiles Geld als gut zu betrachten. Tatsächlich haben aber Sparer und Kreditnehmer objektiv gegensätzliche Interessen, was den Geldwert angeht: Dem Sparer nützt es, wenn das Geld aufwertet ("Deflation"). Der Kreditnehmer freut sich, wenn das Geld abwertet ("Inflation").
Das gilt allerdings nur abstrakt; im realen Leben entscheidet außerdem die Zinshöhe, was man "wirklich" für sein Geld bekommt bzw. bezahlen muss. Selbst 1.000% Inflation am Tag sind nicht schlimm, wenn der Sparer 2.000% Zinsen erhält. Und umgekehrt bringen selbst 1.000% 1Inflation dem Kreditnehmer keinen Gewinn, wenn er 2.000% Kreditzinsen bezahlen muss.
3) IN EINEM SYSTEM MIT KONKURRIERENDEN WÄHRUNGEN KANN SICH JEDER NUTZER DIE BESTE AUSSUCHEN
Das Cleverle Friedrich August von Hayek hatte sein System so ausgedacht, dass die Anbieter die Geldmenge möglichst knapp halten, damit die jeweilige Währung möglichst wertvoll ist und von möglichst vielen Wirtschaftssubjekten nachgefragt wird. Drastisch formuliert hält er also diejenige Währung die beste, die man gar nicht bekommen kann. Solche Denke ist natürlich schon in sich widersprüchlich und wäre damit in der Realität zum Scheitern verurteilt.
Die Volkswirtschaft insgesamt dürfte mit einigermaßen kaufkraftstabilem Geld (das auch Hayeks Ideal ist) am besten fahren. Am schlechtesten fährt sie allerdings, wenn überhaupt kein Geld da ist.
Das bedeutet (im Konkurrenzwährungssystem), dass Anbieter von Arbeitskraft und Gütern lieber schlechtes Geld annehmen werden, als gar kein Geld.
Wer seine Waren, Dienstleistungen oder Arbeitskraft anbietet, muss dasjenige Geld annehmen, das die Kaufinteressenten haben - oder auf das Geschäft verzichten. Auf Dauer nichts verkaufen, geht natürlich nicht. Also werden die Marktteilnehmer in einem Konkurrenzwährungssystem dasjenige Geld annehmen (müssen), das sie bekommen können.
Es ist auch nicht so, dass alle Marktteilnehmer sich besonders für die Wertstabilität interessieren würden: Wer das Geld morgen wieder ausgibt, dem ist eine jährliche Inflationsrate von z. B. 2% herzlich gleichgültig. Wer das Geld auf die hohe Kante legen will, sieht das natürlich anders. Aber auch der muss eben "nehmen, was er kriegen kann". Und wenn er ein (momentan) besonders "hochwertiges" Geld gar nicht bekommt, muss er sich mit dem weniger werthaltigen zufriedengeben.
4) IN EINEM KONKURRENZWÄHRUNGSSYSTEM KÖNNEN DIE EINZELNEN EMITTENTEN UND WÄHRUNGEN SUBSYSTEME BILDEN, DIE SICH GEGENEINANDER (WEITGEHEND) ABSCHOTTEN LASSEN.
Hayek glaubt und hofft, dass in seinem System die konkurrierenden Währungsemittenten ihre jeweilige Geldmenge durch Volumenänderungen (Verknappung oder ggf. auch Angebotsausweitung) so steuern werden, dass es (mit Bezug auf einen bestimmten Warenkorb) kaufkraftstabil bleibt. Und indem ALLE Emittenten das tun (weil sie seiner Meinung nach ansonsten vom Markt verdrängt würden), soll der Geldwert letztlich auch im gesamten System im Durchschnitt ziemlich kaufkraftstabil bleiben.
Tatsächlich hat aber jeder Emittent ein Interesse daran, die Nachfrage nach seiner Währung zu steigern: Nur so kann er mit der Geldemission möglichst viel Geld verdienen. Da aber alle Emittenten insoweit das gleiche (objektive) Interesse haben, wird die gesamte Geldmenge am Markt unter Wettbewerbsbedingungen eher größer als kleiner sein. Da nützt es auch nichts, wenn einzelne Emittenten sich zurückhalten: Volkswirtschaftlich gesehen vereinigen sich alle Währungen zu EINER Geldmenge, und deren (kaufkraftwirksamer) Umfang im Verhältnis zur realwirtschaftlichen Angebotsmenge bestimmt das Preisniveau und damit die Wertentwicklung der Währungen.
WIE KOMMT (FIAT-)GELD IN DIE WELT - UND WIE DIE LIBRA?
Nun aber zum eigentlichen Thema, wie die geplante "Facebook-Währung" Libra funktionieren könnte bzw. würde.
Betrachtet von der Art und Weise her, wie das Geld in die Welt kommt, gibt es grundsätzlich DREI Geldsysteme (Geldschöpfungsmöglichkeiten) und eine Art Mischvariante:
- Warengeld (z. B. Gold, Silber). Das hat einen "intrinsischen" Wert, eben den Warenwert. Jedoch klammere ich diese Geld(schöpfungs)form hier aus, weil sich die heutige Wirtschaft mit den allzu geringen Mengen dieser Waren nicht mehr betreiben ließe. Auch in der Vergangenheit gab es daneben wohl schon immer Kredit- und Buchgeldsysteme, die nicht direkt von der (z. B.) Gold-Menge abhängig waren und die somit die Geldmenge ausgeweitet haben. (Z. B. ein Kreditsystem für die hochmittelalterlichen Handelsmessen in der Champagne.)
- Kredit*-(geschöpftes)Geld ("Primärkredit"; denn nicht jeder Kredit schafft Geld!). Das ist die heute allgemein übliche Form der Geldschöpfung.
- Willkürgeld*. Dieses entsteht dadurch, dass es "gedruckt" (hier einschl. elektronischer Geldschöpfung gemeint) und verschenkt wird: Üblicher Weise von einer Zentralbank an eine Regierung. Auch das läuft zwar formal in aller Regel als Kredit; nur wird der niemals zurückbezahlt ("Weimar" 1923!) und damit de facto dem Staat geschenkt. Das wirkt in aller Regel inflationär. Wegen der Elastizitäten in den Volkswirtschaften kann es allerdings eine ganze Weile dauern, bis sich die "Gelddruckerei" in höheren Preisen niederschlägt. (Man hat in diesem Zusammenhang das Bild vom Ketchup verwendet, bei dem man die Flasche zunächst erfolglos schüttelt und schüttelt - bis es dann plötzlich aus dem Flaschenhals strömt.)
- Mehr oder weniger "Willkürgeld" sind auch die im Internet selber "geschürften" Kryptowährungen wie Bitcoin usw. Andererseits trägt der Bitcoin auch Züge einer Warenwährung: Er ist teuer in der Herstellung. Aber im Unterschied zu Edelmetallen hat ein Geldempfänger nichts davon (er "kann sich nichts dafür kaufen" - im Wortsinne), dass der Geldverwender gigantische Strommengen (und damit Kosten) fürs Schürfen hatte. Diese Eigenschaft begrenzt lediglich die Geldmenge; irgendeinen intrinsischen Wert gewinnt der Bitcoin dadurch nicht.
Nun macht mich die Libra-Ankündigung aber darauf aufmerksam, dass es noch eine vierte Form der Geldschöpfung gibt, die ich selber bisher nicht wirklich auf dem Schirm hatte (obwohl ich sie bereits in meinem Hayek-Blott angesprochen hatte): Die Geldschöpfung durch Eintauschen von Geld ("Primärgeldwechsel").
Dieser Mechanismus erschließt sich nicht unmittelbar: Wo soll da eine Geldschöpfung stattfinden, wenn z. B. ich einem Amerikaner Euronen gebe und er mir dafür Dollar? Das ändert weder die Menge der umlaufenden Euros, noch jene der amerikanischen Dollars.
Anders verhält es sich freilich dann, wenn ich meine Euronen (hypothetisch natürlich nur, faktisch könnte ein Privatmann das nicht) bei der US-Zentralbank in Dollar umtausche: DIE "druckt" die Dollars, die sie mir im Tausch aushändigt. Und selbst wenn sie die nur aus dem Tresor nimmt, wo die Scheinchen schon gedruckt liegen, ist das im VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN Sinne ein "Gelddrucken", weil diese USD erst durch den Umtausch in Umlauf gebracht werden.
Nun sind freiich, auf den ersten Blick betrachtet, im Gegenzug meine Euronen im Tresor der Fed gebunkert, also nicht mehr im Umlauf.
Aber die Fed möchte ihrerseits das Geld nicht nutzlos rumliegen lassen (zumal das auch noch Aufbewahrungskosten verursacht). Sie wird also versuchen, es irgendwie zinstragend anzulegen. (Notenbanken kaufen typischer Weise mit ihren Devisenbeständen ausländische Staatsanleihen.)
Jetzt sind also sowohl die (frisch "gedruckten") USD in Umlauf, mit denen ich (hypothetisch) in den USA einkaufen gehe. Als auch meine Euronen, welche die Fed sozusagen der deutschen Bundesregierung geliehen hat, und mit denen diese "einkaufen geht" (bzw. ihre Verbindlichkeiten, z. B. Gehälter, bezahlt).
Die quasi "Welt-Geldmenge" hat sich in meinem Beispiel durch diesen (nennen wir ihn mal so) "Primärumtausch" (geldschöpfenden Geldwechsel) vermehrt, es ist mehr Geld in Umlauf als vorher.
Was aber hat das mit der neuen Währung "Libra" zu tun?
Hier müssen wir
- Überlegungen anstellen, auf welche Weise die Libra-Provider Gewinne zu erzielen hoffen bzw. überhaupt erzielen können und
- Auf der Libra-Homepage das Dokument "The Libra Reserve" studieren.
"... holders of Libra ..... can be confident the value of their coins today will be relatively stable across time.
The reserve is the key mechanism for achieving value preservation. By fully backing each coin with a set of stable and liquid assets ..... and by working with a competitive group of exchanges and other liquidity providers, users can have confidence that they will be able to sell any Libra coin at or close to the value of the reserve at any time. This gives the coin intrinsic value on day one and helps protect against the speculative swings of other cryptocurrencies. ..... it is important to highlight why the reserve was created in the first place — to support stability and value preservation."
Tatsächlich ist jedoch die Deckung der Libra durch Fremdwährungen zunächst einmal eine blanke Bilanzierungsnotwendigkeit: Die ausgegebenen Libra müssen (wie derzeit auch die Geldemissionen der Notenbanken) im Soll (Passiva) gebucht werden: Als (potentielle) Forderungen der Kunden gegenüber dem Libra-System.
Bei der kreditären Geldschöpfung werden die passivierten Kundenforderungen aus der Geldemission auf der Habenseite (in den Aktiva) durch die Forderungen der Bank gegen die Kreditnehmer ausgeglichen.
Nachdem die Libra-Geldschöpfung jedoch durch Eintausch anderer Währungen erfolgt, MUSS das Libra-System die eingetauschten Gelder schon aus bilanziellen Gründen "bunkern", weil es ansonsten sofort überschuldet wäre (Eigenmittel hier mal ausgeklammert).
"..... on both the investor and user side, there is only one way to create more Libra — by purchasing more Libra for fiat* [money] and growing the reserve."
Die Libra soll über zwei Kanäle in Umlauf gebracht werden:
- den Verkauf an Investoren und
- den Verkauf an die Währungsnutzer.
Was es mit den "Investoren" auf sich hat, muss hier nicht weiter interessieren; entscheidend ist, dass man überhaupt nur durch Ankauf gegen irgend eine andere Währung (das ist mit "fiat" gemeint) an Libra gelangen kann. Und diese Fremdwährungen müssen, wie ich oben gezeigt hatte, allein schon zum Bilanzausgleich im Libra-System gehalten werden. (Der Bilanzausgleich ist natürlich keine bloße Formalie: Ohne diese Deckung wäre die Libra Willkürgeld, bei dem die Emittenten den kompletten Gegenwert - also die vollständigen Umtauscheinnahmen - als Gewinn buchen und lustig verjuxen dürften.)
* [Wie oben schon gesagt, ist es irreführend, wenn die "Libraisten" andere Währung als "fiat money" bezeichnen, so, als wäre ihre eigene KEIN Fiatgeld. Denn tatsächlich ist auch sie genau das. Es gibt auf dieser Ebene überhaupt nur die Kategorien Warengeld und Fiatgeld, und Warengeld ist die Libra eben nicht. Allenfalls könnte man sie als "Meta-Fiatgeld" bezeichnen: Als eine aus einem Korb von Fiatwährungen zusammengesetzte Fiatwährung.)
Nun ist das ganze Projekt nicht als Wohltätigkeitsveranstaltung ausgelegt; die Investoren wollen Gewinne sehen. Und vom Drauflegen kann bekanntlich kein Kaufmann leben. Die Gewinne können einerseits aus Gebühren für den Umtausch kommen. Hayek hatte damals gehofft, dass die neuen Konkurrenzwährungen dermaßen begehrt sein würden, dass man sie mit einem satten Aufschlag unter die Leute bringen könnte. Das ist in der Realität eher unwahrscheinlich; niemand wird sich um die Libra reißen, wenn eine Transaktion in dieser Währung ihn teurer kommt als z. B. (bei einem Kauf in einem anderen Währungsgebiet) ein direkter Umtausch seiner heimatlichen in die fremde Währung.
Die Investoren können also überhaupt nur dadurch Gewinne einfahren (oder jedenfalls einzufahren hoffen), dass sie die eingenommenen Fremdwährungen gewinnbringend am Markt anlegen. Also im Grunde genauso handeln wie das üblicher Weise die Notenbanken mit ihren Devisen machen. Lt. dem Dokument will man tatsächlich in (sichere und marktgängige) Staatsanleihen investieren. Ob es dabei bleibt, möchte ich bezweifeln, weil solche Anleihen heutzutage kaum noch eine Rendite einbringen (Beispiel Bundesanleihen!). Aber das ist für meine vorliegenden Überlegungen sekundär.
Und in der Tat lesen wir in dem Dokument über die Verwendung der Reserven:
"How will the reserve be invested? Users of Libra do not receive a return from the reserve. The reserve will be invested in low-risk assets that will yield interest over time. The revenue from this interest will first go to support the operating expenses of the association ..... . Once that is covered, part of the remaining returns will go to pay dividends to early investors in the Libra Investment Token for their initial contributions. Because the assets in the reserve are low risk and low yield, returns for early investors will only materialize if the network is successful and the reserve grows substantially in size."
[Einschub]
Die spannende Frage "Wie will Facebook mit Libra Geld verdienen?" behandelt auch Victor Gojdka in seinem SZ-Artikel von 19.06. Und schreibt dazu (meine Hervorhebungen):
"Um diese Frage zu beantworten, muss man stark zwischen den Zeilen lesen. Einmal will Facebook an den Zinsen verdienen, die die Bankeinlagen der Währungsreserve hinter Libra bringen. Denn das Geld wird schließlich in normalen Bankeinlagen oder in Staatsanleihen geparkt. Die Zinsen würden Facebook allerdings nicht alleine zufließen, sondern auch dem Konsortium in der Schweiz und den daran beteiligten Unternehmen. Sie würden sich die Zinseinnahmen dann teilen und einen Teil auch in die Entwicklung von Libra investieren. Fraglich ist auch, wie viel Zinsen bei dem Projekt überhaupt abfallen. Gerade kurzlaufende Staatsanleihen von vielen sicheren Staaten sind aktuell ein Minusgeschäft und auch Bankeinlagen bringen nicht immer viele Zinsen. Da die Transaktionsgebühren für die Kunden nahe null sein sollen, kann Facebook auch hier nicht wirklich zulangen. Am Ende dürfte es um eine ganz andere Rechnung gehen: Nutzer dürften sich wieder häufiger bei Facebook und im Messenger blicken lassen, wenn sie dort auch bezahlen können. Das wiederum würde das Anzeigengeschäft von Facebook beflügeln. Zudem könnte Facebook Nutzern mittelfristig auch andere Finanzdienstleistungen wie Vermögensverwaltung oder Kredite anbieten - und dafür Geld verlangen."
[Weiter mit dem "Reserve Paper"]
"What are the actual assets that will be backing each Libra coin? The actual assets will be a collection of low-volatility assets, including bank deposits and government securities in currencies from stable and reputable central banks. As the value of Libra will be effectively linked to a basket of fiat currencies, from the point of view of any specific currency, there will be fluctuations in the value of Libra. The makeup of the reserve is designed to mitigate the likelihood and severity of these fluctuations, particularly in the negative direction (i.e., even in economic crises). To that end, the above basket has been structured with capital preservation and liquidity in mind. On the capital preservation point, the association will only invest in debt from stable governments with low default probability that are unlikely to experience high inflation. In addition, the reserve has been diversified by selecting multiple governments, rather than just one, to further reduce the potential impact of such events. In terms of liquidity, the association plans to rely on short-dated securities issued by these governments, that are all traded in liquid markets that regularly accommodate daily trading volume in the tens or even hundreds of billions. This allows the size of the reserve to be easily adjusted as the number of Libra in circulation expands or contracts."
Ohne dass wir uns jetzt in den in der ausführlichen Reserven-Beschreibung geschilderten Einzelheiten verlieren müssten, erkennen wir, dass hinsichtlich der "Welt-Geldmenge" dieselben Mechanismen wirksam werden wie oben in meinem Beispiel vom Euro-Eintausch bei der Fed geschildert:
- Einerseits sind die mit dem Libra-Verkauf geschöpften Libra in Umlauf.
- Weiterhin aber auch die ursprünglich dafür gezahlten "Devisen".
Technisch soll die Libra-Schöpfung so funktionieren (meine Hervorhebung):
"The association does not set monetary policy. It mints and burns coins only in response to demand from authorized resellers. Users do not need to worry about the association introducing inflation into the system or debasing the currency. For new coins to be minted, there must be a commensurate payment of fiat by resellers into the reserve. Through interaction with authorized resellers, the association automatically mints new coins when demand increases and destroys them when the demand contracts. Because the reserve will not be actively managed, any appreciation or depreciation in the value of the Libra will come solely as a result of FX [foreign exchange, also Devisenbörsen] market movements."
Mit dem folgenden Abschnitt habe ich Verständnisprobleme:
"The association will encourage the listing of Libra on multiple regulated electronic exchanges throughout the world. These exchanges offer both web portals and mobile apps for users to buy and sell Libra. The association is also discussing ongoing relationships with principal cryptocurrency trading firms and top banking institutions as authorized resellers to allow people the opportunity to exchange their local currencies for Libra as easily as possible"
Es stellt sich mir nämlich die Frage, ob sich der Libra-Wert nach dem Korbwert ihrer Währungen richtet, oder nach dem Wert, den ihr der Markt als eigenständigem Handelsobjekt beilegt? Dazu unten mehr. Jedenfalls deutet in der Projektbeschreibung Sektion 04 die Formulierung
"Libra is designed to be a stable digital cryptocurrency that will be fully backed by a reserve of real assets — the Libra Reserve — and supported by a competitive network of exchanges buying and selling Libra"
darauf hin, dass der Libra-Wert im Verhältnis zu anderen Währungen durch den Devisenmarkt festgelegt werden soll.
"The reserve will remain fully backed across time. This means that ..... users can have confidence that any Libra coin they hold can be sold for fiat currency at a narrow spread above or below the value of the underlying reserve, when a competitive market for exchanges is present. The association may occasionally change the composition of the basket in response to significant changes in market conditions (e.g., to respond to an economic crisis in one of the represented regions), but the goal will always be value preservation. Further, such a change would require exceptional circumstances and a supermajority vote by the association's council."
Die Zusammensetzung derjenigen Währungen, aus denen die Reserve besteht, ist also offenbar ziemlich starr gedacht. Klar wird jedenfalls, dass sich die Reserve NICHT einfach aus den von den Libra-Käufern eingezahlten Währungen besteht, sondern dass diese, soweit es sich um Schwachwährungen handelt, von der Libra-Organisation in wertbeständige Währungen umgetauscht werden sollen. Was natürlich zusätzliche Kosten verursacht, aber auch andere Probleme (dazu unten).
"..... the size of the reserve is determined by the size of the balances that users are holding in Libra. Hence, unlike some other cryptocurrencies, supply is not restricted by outside factors. This has the important role of allowing the Libra ecosystem to grow or shrink with demand. ..... With a fully backed coin and a competitive ecosystem of exchanges, it will be possible to convert coins back to fiat at a narrow spread above or below their current value, no matter how many coins are in circulation or how many people have already sold their Libra. The market value of the reserve always supports the value of the fiat currency that users receive if they sell their Libra."
Im Prinzip richtig. Wenn aber die Reserve hauptsächlich z. B. in USD besteht und die Nutzer plötzlich allesamt in sfrs zurücktauschen wollen, kann es durchaus zu Problemen und Kursverlusten kommen. Denn dann müsste ja das Libra-System seine USD in sfrs umtauschen, was bei entsprechend großen Volumina am Devisenmarkt zur Aufwertung (Verteuerung) der anzukaufenden Schweizer Franken und zur Abwertung der vorhandenen Dollar führt.
"Our goal is for Libra to exist alongside existing currencies. Since Libra will be global, the association decided not to develop its own monetary policy but to inherit the policies of the central banks represented in the basket."
Das Libra-System in seiner aktuellen Form als einen großmütigen Verzicht auf eine eigene Geldpolitik hinzustellen, ist Bullshit. Das ergibt sich einfach dadurch, dass die Geldschöpfung allein via Währungstausch erfolgt. Irgendwann werden die Eigentümer dieses System allerdings in eine "echte" Währung ausweiten, und mit der Kreditvergabe beginnen (wollen - ob man sie dann lässt, ist eine andere Frage).
Außerdem hat die Libra, wenngleich ungewollt, eben DOCH tendenziell (volumenabhängig) sehr wohl geldpolitische Auswirkungen:
- die Ausweitung der Welt-Geldmenge (s. o.) sowie
- Verzerrungen am Devisenmarkt (s. u.)
In der Einleitung zur Projektbeschreibung ("Libra White Paper" ist der Weg zu einer echten (kreditgeschöpften) Währung bereits vorgezeichnet (meine Hervorhebungen):
- We believe that many more people should have access to financial services and to cheap capital.
- We believe that people have an inherent right to control the fruit of their legal labor.
- We believe that global, open, instant, and low-cost movement of money will create immense economic opportunity and more commerce across the world.
- We believe that people will increasingly trust decentralized forms of governance.
- We believe that a global currency and financial infrastructure should be designed and governed as a public good.
- We believe that we all have a responsibility to help advance financial inclusion, support ethical actors, and continuously uphold the integrity of the ecosystem.
Oder in "Section 03":
"The goal of the Libra Blockchain is to serve as a solid foundation for financial services, including a new global currency, which could meet the daily financial needs of billions of people."
Interessant aus dieser Sektion sind auch folgende Passagen:
"..... anyone with Libra has a high degree of assurance they can convert their digital currency into local fiat currency based on an exchange rate, just like exchanging one currency for another when traveling."
Ganz so einfach ist es denn doch nicht - wenn man die Sache vom System her betrachtet, nicht vom einzelnen Nutzer. Wenn ich etwa via Ebay in den USA einkaufe, dann zeigt mir derzeit Paypal den in Euro umgerechneten Preis an. Diesen zieht die Fa. bei meiner Bank ein, tauscht ihn in USD um (real natürlich nicht für jeden Einzelfall!) und zahlt diese an den Verkäufer aus. Dabei fallen (für Paypal) einmal Wechselkosten an (die natürlich dem Käufer draufgeschlagen werden, d. h. im angezeigten Kaufpreis berücksichtigt sind).
Wollte man das Ganze ENTSPRECHEND via Libra abwickeln, müsste der Käufer zunächst die Euro in Libra umwechseln und der Verkäufer die Libra dann wieder in US-Dollar: Die Umtauschkosten würden also doppelt anfallen.
Aber natürlich hoffen die Libraisten insgeheim, dass die Nutzer nur noch dieses Geld verwenden, dass also die Zahlungsempfänger es NICHT in ihre jeweilige Heimatwährung rücktauschen.
"This approach is similar to how other currencies were introduced in the past: to help instill trust in a new currency and gain widespread adoption during its infancy, it was guaranteed that a country’s notes could be traded in for real assets, such as gold. Instead of backing Libra with gold, though, it will be backed by a collection of low-volatility assets, such as bank deposits and short-term government securities in currencies from stable and reputable central banks."
Diese Darstellung ist zwar nicht ganz falsch; trotzdem bleibt auch die Libra eine Fiat-Währung. Denn sie ist eben NICHT mit Waren unterlegt, sondern nur mit anderem (Fiat-)Geld bzw. Geldforderungen.
"It is important to highlight that this means one Libra will not always be able to convert into the same amount of a given local currency (i.e., Libra is not a “peg” to a single currency). Rather, as the value of the underlying assets moves, the value of one Libra in any local currency may fluctuate."
Anders als oben suggeriert diese Formulierung, dass die Wertermittlung (bei Ankauf oder Rücktausch in eine "echte" Währung) automatisch auf Basis des Korbwertes erfolgt, also nicht unmittelbar vom Devisenmarkt festgelegt wird. (Dazu unten mehr.)
"However, the reserve assets are being chosen to minimize volatility, so holders of Libra can trust the currency’s ability to preserve value over time. The assets in the Libra Reserve will be held by a geographically distributed network of custodians with investment-grade credit rating to provide both security and decentralization of the assets."
Das bietet in der Tat ein gewisses Maß an Sicherheit. Bestätigt aber, dass Libra Schwachwährungen nicht halten, sondern in härtere Währungen eintauschen wird. Was a) zusätzliche Kosten verursacht und b) potentiell (volumenabhängig) erhebliche Verwerfungen an den Devisenmärkten.
An dieser Stelle wird auch die Generierung von Erträgen (für die Kosten und Gewinnausschüttungen an die Eigentümer bzw. Investoren) noch einmal zusammenfassend beschrieben, wie wir sie schon oben aus dem "Reserven-Papier" kennen:
"Interest on the reserve assets will be used to cover the costs of the system, ensure low transaction fees, pay dividends to investors who provided capital to jumpstart the ecosystem (read “The Libra Association” here), and support further growth and adoption. The rules for allocating interest on the reserve will be set in advance and will be overseen by the Libra Association. Users of Libra do not receive a return from the reserve."
MODELL-BEISPIELE BRINGEN BUTTER BEI DIE FISCHE
Ich beginne mit einem Denkmodell, bei dem die Reserven des Libra-Unternehmens exakt aus den eingenommen Gelder in der jeweiligen Währung bestehen. Das ist zwar kontrafaktisch, weil die Reserven ja tatsächlich nur aus bewährten wertbeständigen Währungen gebildet werden sollen. Außerdem lasse ich das Eigenkapital des Systems außen vor. Aber es ist ein erster Einstieg, um überhaupt die alternativen Möglichkeiten zu verstehen, die ein solches System hat.
Auch wenn die Fa. mit vielen Währungen hantieren muss, kann sie nur in EINER Währung buchen. Das wird vermutlich der US-Dollar sein. Dessen relativer Wert im Währungssystem ist also auch für uns der Gradmesser für den Gesamtwert des Devisenkorbes und damit der Libra (WENN dieser rechnerisch ermittelt wird, nicht marktmäßig an der Devisenbörse).
Ausgangsszenario im Zeitpunkt t1:
- Vier Nutzer aus vier verschiedenen Währungsräumen (einer aus den USA, zwei aus Weichwährungsländern und einer aus einem Super-Hartwährungsland) kaufen mit je 2.000,- Einheiten ihrer jeweiligen Landeswährung jeweils 2.000,- Libra.
- Die Libra-Firma legt dieses Geld auf ihre Konten. (Sie darf damit auch Staatsanleihen usw. kaufen, aber in unserem vorliegenden Modell ausschließlich in der jeweils eingezahlten Landeswährung.)
- Der Kurswert des Währungskorbes beläuft sich auf 8.000,- €.
Im Zeitpunkt t2 sollen sich die Währungswerte im Verhältnis zum Dollar wie folgt geändert haben:
- USD (logischer Weise) unverändert 2.000,- USD.
- DM hat aufgewertet: für 2.000,- DM bekommt man jetzt 3.000,- USD.
- In Transsylvanien hat der Drac abgewertet: Für 2.000,- USD sind jetzt 4.000,- Drac hinzulegen.
- Dasselbe gilt für den Drachen aus Hellenien: 2.000,- USD kosten jetzt ebenfalls 4.000,- Drachen.
Damit haben die eingezahlten jeweils 2.000,- "Ursprungswährung" jetzt folgenden Korbwert:
- USD unverändert 2.000,-
- DM (50% Aufwertung) jetzt 3.000,- USD
- Drac (50% Abwertung) jetzt 1.000,- USD
- Drachen (dito) jetzt ebenfalls 1.000,- USD
- Summe (neuer Gesamtwert des Devisenkorbes) in USD = 7.000,-.
- Wert je 2.000,- Ursprungseinzahlung (7.000,- : 4) = nur noch 1.750,- USD je Einzahlung.
Aber im Vergleich zur zwischenzeitlich erfolgten Entwicklung der Heimatwährung hätten der Deutsche massiv und der Amerikaner immer noch substanziell verloren. Während der Transsylvaner und der Hellenier in dieser Beziehung gewonnen hätten. Sie hätten also ihr Geld relativ wertstabil aufbewahrt, aber auf Kosten des Deutschen und des Amerikaners, welche die beiden Schwachwährungslandbewohner faktisch subventioniert hätten.
Ein solches System hätte nicht lange Bestand; aber tatsächlich ist es ja auch gar nicht so geplant.
Daher ein realitätsnäheres zweites Denkmodell: Alle Einzahlungen werden sofort in Dollar umgetauscht (Wechselkosten lasse ich weg). Dann bleibt der Korbwert unverändert 8.000,- USD = Libra.
- Somit hätten der Drac- und der Drachen-Besitzer ihren Geldwert durch den Umtausch "gerettet", d. h. stabil gehalten. (Wechselkursmäßig; kaufkraftmäßig könnte auch der Dollar zwischenzeitlich an Wert verloren haben!)
- Für den Dollarbesitzer bleibt der Wert seiner Einzahlung nominal unverändert. Auch hier blende ich einen möglichen zwischenzeitlichen inneren Kaufkraftverlust dieser Währung (Inflation) aus. Doch macht es für ihn auch insoweit keinen Unterschied, ob er eingetauscht oder seine USD behalten hätte.
- Der DM-Besitzer hätte besser daran getan, seine DM zu behalten, denn jetzt hätte er dafür 3.000,- statt vorher nur 2.000,- USD bekommen können.
Noch näher dran an den tatsächlichen Planungen ist aber ein drittes Modell, bei dem die eingezahlten Gelder diversifiziert in mehreren Hartwährungen angelegt werden. Ich postuliere also hier, dass die Einzahlungen zur Hälfte in USD und in DM angelegt wurden. Dann ergäbe sich folgende Wertentwicklung:
- 4.000,- USD = unverändert (logischer Weise)
- 4.000,- DM = 6.000,- USD.
- Gesamter neuer Korbwert somit 10.000,- USD.
- Rechnerischer Auszahlungsanspruch für jeden Libra-Nutzer in USD = 2.500,- (10.000,- USD : 4).
Diese Modellüberlegungen haben hoffentlich Chancen und Risiken für jeden Einzelnen, der seine Heimatwährung in Libra einwechselt, verdeutlicht.
Allerdings gehen die Modelle sämtlich davon aus, dass das Libra-System Auszahlungsansprüche auf diese Weise RECHNERISCH ERMITTELN würde. Hängt dagegen der Auszahlungswert davon ab, welchen Kurs die Libra an der Devisenbörse hat, dann sind die vorstehenden Überlegungen Makulatur und der Wechselkurswert von Libra-Guthaben wäre DIREKT vom Spiel der Marktkräfte abhängig.
Da hilft auch der ganze Devisenkorb nichts - es sei denn, das Libra-Unternehmen würde selbst am Markt eingreifen und durch Käufe bzw. Verkäufe den Wert der eigenen Währung so regulieren, dass er in etwa mit dem Korb-Kurswert identisch ist.
Aus meiner Sicht wäre es kontraproduktiv, wenn die Libra selbständig an der Devisenbörse gehandelt würde; vielmehr sollte ihr Ankaufs- und Verkaufskurs jeweils rechnerisch anhand des aktuellen Wertes der Korbwährung - nach Anteil gewichtet - ermittelt werden. Das wäre als Arbeit für Menschen sehr aufwändig; im Zeitalter der Supercomputer dürfte das allerdings für diese Rechenknechte kein Problem sein. Das ist zwar auch nicht gratis zu haben: Der Ankauf bzw. die Beschaffung der Daten, die Programmierung, die PC-Wartung usw. - alles kostet Geld. Aber im Verhältnis sicher nicht die Welt.
GEFAHREN FÜR EINZELNE LÄNDER, UNTERNEHMEN - UND GGF. SOGAR DAS WELTWÄHRUNGSSYSTEM
"Plan für Weltwährung von Facebook in der Kritik" titelt die SZ am 19.06.2019, und diese Kritik kommt keineswegs nur von den üblichen (europäischen) Bedenkenträgern:
"Die Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Repräsentantenhaus, Maxine Waters [Demokratische Partei], forderte Facebook auf, die Libra-Pläne auf Eis zu legen und die Untersuchungen der Behörden abzuwarten. ..... Auch Patrick McHenry, der ranghöchste Republikaner im Finanzausschuss, beurteilte die Facebook-Pläne kritisch. "Wir wissen, dass es viele offene Fragen bezüglich des Umfangs und der Größenordnung des Projekts gibt." Es müsse geprüft werden, wie Libra mit dem globalen Finanzregulierungsrahmen vereinbar sein werde, schrieb er. "Wir müssen über die Gerüchte und Spekulationen hinausgehen und ein Forum bieten, um dieses Projekt und seine möglichen beispiellosen Auswirkungen auf das Finanzsystem zu bewerten."
Auf n-tv hatte Ulrich Reitz schon am 18.06. kommentiert: "Facebook plant Weltwährung. 'Libra' wäre nicht nur für Banken schlecht". Und darin ausgeführt:
"Erstens schickt sich Facebook an, eine Parallelwährung zu schaffen und die Existenz der Banken zu untergraben."
Das wird m. E. erst dann zu einer größeren Gefahr, wenn die Libra auch im Kreditwege geschöpft wird.
"Zweitens ist die Digitalwährung ein neuer Meilenstein auf dem Weg zu einer weltumspannenden Allmacht. Facebook hat dann noch tiefere Einblicke über das Kauf- und Zahlungsverhalten seiner Kunden, über deren Wünsche, Träume und Möglichkeiten."
Diesen Bedenken hat Facebook ja bereits Rechnung getragen, indem es das Libra-System separat führt und dort andere Unternehmen gleichberechtigt teilhaben lässt. Ich denke, den Datenschutz können die entsprechenden Behörden in den USA und der EU in den Griff bekommen.
"Drittens geht es um die Existenz unserer durch Zentralbanken überwachten Weltwährungen Dollar, Euro, Yen & Co. Die Institution einer von Regierungspolitik unabhängigen Zentralbank, die für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen über die Stärke der Währung wacht, hat sich bewährt. Eine unabhängige Zentralbank hat sich sogar zu einem Stützpfeiler für die Stabilität von demokratischen Ländern entwickelt. Entstünden Parallelwährungen von volkswirtschaftlichem Gewicht, aber ohne demokratische Legitimation, würde das das gesamte Staatsgefüge gefährden."
Diese Gefahr ist sehr real. Besonders dann, wenn die Libra zur "richtigen" Währung mutiert, indem auch Kredite in dieser Währung vergeben werden.
Auch die NZZ hat erkannt:
"Falls das Libra-System funktioniert und zugelassen wird, könnten insbesondere Währungen aus Ländern mit hoher Inflation durch eine Parallelwährung stark herausgefordert werden. Die Libra Association wird dank der hinterlegten Währung zu einem grossen Player im Devisen- und Kapitalmarkt."
Es ist auch nicht wirklich ein Gegenargument, wenn man erfährt
"Calibra betont jedoch, dass der Verein keine Währungspolitik mache und die Einnahmen auf den Währungsreserven für den Aufbau der Infrastruktur eingesetzt würden."
Gewollt oder nicht: Ein "großer Player" hinterlässt zwangsläufig einen großen Fußabdruck.
Die NZZ stellt auch die Frage nach dem Währungswettbewerb: "Will die neue elektronische Währung die etablierten Währungen wie den Franken verdrängen?"Und antwortet:
"Libra wird eine private elektronische Währung, die, sofern sie sich durchsetzt, wie der Dollar oder der Euro parallel zu einheimischen Währungen genutzt werden kann. Solange diejenigen, die dies tun, in einheimischer Währung verdienen und rechnen, bleibt ihnen dabei immer das Wechselkursrisiko und wohl auch ein Gegenparteirisiko. Interessant ist der Einsatz der Libra deshalb wohl zuerst in grenzüberschreitenden Transaktionen und in Schwellenländern, in denen keine starke einheimische Währung existiert. Diverse Versuche, den Dollar oder den Euro als Leitwährung zu verdrängen, und Ängste, der Franken werde durch den Euro ersetzt, bewirkten bis anhin wenig. Auch der Libra dürfte deswegen den Franken nicht so einfach verdrängen, er könnte aber zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber werden und den Währungswettbewerb intensivieren."So, wie sie aktuell konstruiert ist, KANN die Libra die etablierten Währungen gar nicht verdrängen. Weil sie nicht über eine eigenständige Geldschöpfung in die Welt kommt, sondern nur über eine, sozusagen "Sekundärgeldschöpfung": Durch den Umtausch bereits anderweitig entstandenen Geldes.
Das würde sich erst dann ändern, wenn Kredite in Libra ausgereicht würden.
Die weitere (rhetorische) Frage "Gefährdet eine solche private elektronische Währung die Geldpolitik?"beantwortet die NZZ allerdings nicht ganz richtig: "Zumindest nicht unmittelbar. Solange Libra fest an einen Währungskorb gebunden ist, schöpft sie kein Geld und betreibt keine eigene Geldpolitik. Die elektronische Währung ist wie eine neue (Fremd-)Währung und würde die Nationalbank nicht daran hindern, ihre eigene Währung in Umlauf zu bringen und zu steuern. Eine starke Verbreitung der neuen elektronischen Währung könnte allerdings die Gesamtnachfrage nach der traditionellen Landeswährung verändern."Denn wie ich oben gezeigt habe, schöpft sie trotz ihrer nichtkreditären Entstehung zusätzliches Geld, vergrößert also (solange nicht andere Entwicklungen entgegenwirken) die statistische Welt-Geldmenge - und ganz konkret die Geldmengen in den Hartwährungsländern). Was auf der Gegenseite natürlich mit einem Geldkapitalentzug aus den Schwachwährungsländern einhergeht.
Weitere Aspekte:
Zunächst einmal ist es problematisch, wenn die voraussichtlich in zahlreichen Währungen eingehenden Zahlungen für den Libra-Ankauf in einige wenige Währungen umgetauscht und in diesen wenigen Ländern investiert werden müssen. Das überschwemmt diese Länder mit Kapital und wertet deren Währung künstlich auf (abgekoppelt von den Kaufkraftparitäten).
Man kann das (sobald das System erst einmal richtig "in Fahrt" kommt) vergleichen mit den Fluchtgeldbewegungen aus aller Welt in die Schweiz. Die schaffen für dieses Land enorme Probleme, weil sie deren Exporte gewaltig verteuern und damit behindern. Die Schweizer Nationalbank musste am Ende die Versuche aufgeben, gegenzusteuern, weil sie damit die Geldmenge in der Schweiz vermehrt und inflationäre Impulse ausgelöst hätte.
Ganz kritisch könnte es für Entwicklungsländer werden, auf die, lt. SPON, der Dienst zuallererst zielt:
"Mehreren Berichten zufolge soll die Währung sich zunächst vor allem an Nutzer in Entwicklungsländern richten. Sie wäre überall dort hilfreich, wo Instabilität und Korruption den Zahlungsverkehr belasten. 'Facebook könnte die Quasi-Funktion einer Zentralbank übernehmen und somit Währungsstabilität in ihrer Global Coin schaffen', sagt Experte Korschinowski."
Die daraus potentiell erwachsenden Probleme thematisiert der Deutschlandfunk:
"Manche Kryptowährungsexperten warnen, dass Libra zum Beispiel in Entwicklungsländern gravierende Folgen haben könnte: Zum Beispiel, dann, wenn Menschen massiv Gelder von traditionellen Banken abziehen, denen sie nicht vertrauen und in das Facebook-Geld umtauschen."
Das ist richtig, aber nur EIN Gesichtspunkt. Der andere ist, dass die Libra-Firma die so eingenommenen Währungen ja in Hartwährungen umtauschen möchte. Dadurch tritt am Devisenmarkt für die Schwachwährungsländer der gegenteilige Effekt wie bei den Hartwährungsländern ein: Abwertung statt Aufwertung.
Eine Abwertung der Heimatwährung erleichtert zwar die Exporte aus diesen Ländern. Zugleich verteuert sie aber die Importe. Ohne jedweden Bezug zu den Kaufkraftparitäten können sich durch diese Geldmarktoperationen also die "terms of trade" für diese Länder massiv verschlechtern.
Und ggf. würde eine sich stabilisierende Währung auf diese Weise wieder destabilisiert.
Ich denke, die Regulierungsbehörden müssen noch sehr viel nachdenken, bevor sie Facebook die Erlaubnis für ein solches Projekt erteilen. Wenn überhaupt .....
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen": Der hat den A.... offen!Textstand vom 19.06.2019