Wie der deutsche Philosemitismus die Menschenrechte ignoriert

Gegen Judenhass hatten sie jüngst in Berlin demonstriert – die Merkels, die Gaucks und die Gabriels – nicht gegen Russenhass, nicht gegen Islamhass, nicht gegen Xenophobie. Als hätten die paar Idioten, die jüngst am Rande von Demonstrationen gegen das Schlachten in Gaza antisemitische Parolen riefen, den deutschen Staat erschüttert und die hochrangige Image- Reparatur-Brigade aus Staat und Regierung auf den Plan gerufen. Tatsächlich gibt es nicht wenige Deutsche, die nach dem erneuten Morden in Gaza die unerschütterliche Solidarität mit Israel in Frage stellen. Was das mit Antisemitismus zu tun haben soll, auch wenn es immer wieder und gern behauptet wird, bleibt ein Rätsel.

CoverDer Autor Arn Strohmeyer hat sich mit seinem Buch “Das unheilvolle Dreieck – Deutschland, Israel und die Palästinenser” genau dieser Frage gewidmet und sie gewissenhaft, kenntnisreich und anständig beantwortet.

Strohmeyer erinnert daran, dass die Palästinenser die deutsche Zeche zahlen, das es ihr Land ist, das man den Israelis nicht zuletzt deshalb zugesprochen hat, weil die Deutschen einen millionenfachen Mord an Juden verübt hatten, und der alte zionistische Siedlungsplan so einen moralischen Schub bekam, der zumindest in Deutschland bis heute anhält. Weil diversen israelischen Regierungen die alten Grenzen aus der Zeit vor 1967 nicht ausreichten, Grenzen die international weitgehend akzeptiert wurden, wollen sie bis heute die realen staatlichen Grenzen Israels nicht festlegen: Es gibt ja noch jede Menge Quadratkilometer im Westjordanland, die nicht von israelischen Siedlern besetzt sind und die, nach dem sonderbaren, biblisch verbrämten Glauben einer israelischen Mehrheit eigentlich ihnen gehören. Man ist in Tel Aviv für neue Grenz-Ziehungen immer offen.

“Als ewiges Opfer des Holocaust erklärt sich der jüdische Staat für berechtigt wann und wo auch immer Gewalt anzuwenden”, schreibt Strohmeyer “denn es handelt sich dabei in seinen Augen immer um Selbstverteidigung.” Dann zitiert er den israelischen Anthropologen Jeff Halper, der achtzehn arabische Friedensangebote aufzählt, die alle von Israel abgelehnt wurden. “Das letzte 2002, in dem die arabischen Staaten Israel die volle Anerkennung anboten, wenn es im Gegenzug das Westjordanland und den Gazastreifen für die Schaffung eines Palästinenserstaates freigeben würde.” Strohmeyer zitiert viele und häufig israelische Stimmen. Das liegt sicher daran, dass die israelischen Kritiker ihr Land und seine fatale Lage am besten kennen. Aber es mag auch daran liegen, dass sich insbesondere deutsche Israel-Kritiker gern den Antisemitismus-Vorwurf zuziehen, ein Vorwurf der einen schneller zum Paria macht als man Zentralrat der Juden in Deutschland buchstabiert kann.

Denn nach dem langen, großen deutschen Schweigen über den Mord an den europäischen Juden wendeten nicht wenige Deutsche ihren “angelernten Antisemitismus” zum “angelernten Philosemitismus” (Günter Grass) und versuchten der fraglosen Schuld und Verantwortung dadurch zu entgehen, dass man aus der Haut der Täter in die Haut der Opfer kroch. Durch einen schamlosen Beifall im israelischen Sechstagekrieg zum Beispiel, den die damalige BILD-Zeitungs-Schlagzeile zum “Blitzkrieg” veredelte, als seien die Deutschen endlich gemeinsam mit den Truppen Israels unterwegs. Die Opfer der Opfer, die Palästinenser, existierten lange Zeit in Deutschland nur unter dem Begriff des Terrorismus. Bis heute wird ihr Anspruch auf ein Leben ohne Mauern, ohne das israelische Apartheidsregime und ohne den täglichen Terror der israelischen Armee in den besetzten Gebieten von den Deutschen nicht gleichermassen anerkannt wie der Anspruch Israels auf eine sichere Existenz.

Die “Sicherheit Israels auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte (ist) Teil der deutschen Staatsräson und nicht verhandelbar”, verkündete Angela Merkel. Der israelische Historiker Tom Segev kommentierte die Merkel so: “Das hört sich dann an, als wäre es von der Internetseite des israelischen Auswärtigen Amtes abgelesen.” Doch das Lachen kann einem im Halse stecken bleiben wenn man bedenkt, dass sich Deutschland entlang der Merkel-Räson zum Komplizen der aggressiven israelischen Militär- und Außenpolitik macht. Das argumentiert Strohmeyer nachdrücklich am Beispiel jener deutschen U-Boote, die der israelischen Militärmaschine eine atomare Zweitschlags-Kapazität ermöglicht und so einen Krieg mit dem Iran denkbar macht.

Den Politologen Mohssen Massarrat zitiert der Autor mit einem weisen Satz, der einen gültigen Schlusspunkt setzt: “Ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Israels wird aber nicht durch nukleare Erst- und Zweitschlagskapazität und eine Sicherheitspolitik gegen die Staaten im Mittlern und Nahen Osten, sondern durch eine Sicherheitspolitik hergestellt, die mit diesen Staaten gemeinsam aufgebaut wird.”

Ulrich Gellermann

Gegen Judenhass hatten sie jüngst in Berlin demonstriert – die Merkels, die Gaucks und die Gabriels – nicht gegen Russenhass, nicht gegen Islamhass, nicht gegen Xenophobie. Als hätten die paar Idioten, die jüngst am Rande von Demonstrationen gegen das Schlachten in Gaza antisemitische Parolen riefen, den deutschen Staat erschüttert und die hochrangige Image- Reparatur-Brigade aus Staat und Regierung auf den Plan gerufen. Tatsächlich gibt es nicht wenige Deutsche, die nach dem erneuten Morden in Gaza die unerschütterliche Solidarität mit Israel in Frage stellen. Was das mit Antisemitismus zu tun haben soll, auch wenn es immer wieder und gern behauptet wird, bleibt ein Rätsel.

CoverDer Autor Arn Strohmeyer hat sich mit seinem Buch “Das unheilvolle Dreieck – Deutschland, Israel und die Palästinenser” genau dieser Frage gewidmet und sie gewissenhaft, kenntnisreich und anständig beantwortet.

Strohmeyer erinnert daran, dass die Palästinenser die deutsche Zeche zahlen, das es ihr Land ist, das man den Israelis nicht zuletzt deshalb zugesprochen hat, weil die Deutschen einen millionenfachen Mord an Juden verübt hatten, und der alte zionistische Siedlungsplan so einen moralischen Schub bekam, der zumindest in Deutschland bis heute anhält. Weil diversen israelischen Regierungen die alten Grenzen aus der Zeit vor 1967 nicht ausreichten, Grenzen die international weitgehend akzeptiert wurden, wollen sie bis heute die realen staatlichen Grenzen Israels nicht festlegen: Es gibt ja noch jede Menge Quadratkilometer im Westjordanland, die nicht von israelischen Siedlern besetzt sind und die, nach dem sonderbaren, biblisch verbrämten Glauben einer israelischen Mehrheit eigentlich ihnen gehören. Man ist in Tel Aviv für neue Grenz-Ziehungen immer offen.

“Als ewiges Opfer des Holocaust erklärt sich der jüdische Staat für berechtigt wann und wo auch immer Gewalt anzuwenden”, schreibt Strohmeyer “denn es handelt sich dabei in seinen Augen immer um Selbstverteidigung.” Dann zitiert er den israelischen Anthropologen Jeff Halper, der achtzehn arabische Friedensangebote aufzählt, die alle von Israel abgelehnt wurden. “Das letzte 2002, in dem die arabischen Staaten Israel die volle Anerkennung anboten, wenn es im Gegenzug das Westjordanland und den Gazastreifen für die Schaffung eines Palästinenserstaates freigeben würde.” Strohmeyer zitiert viele und häufig israelische Stimmen. Das liegt sicher daran, dass die israelischen Kritiker ihr Land und seine fatale Lage am besten kennen. Aber es mag auch daran liegen, dass sich insbesondere deutsche Israel-Kritiker gern den Antisemitismus-Vorwurf zuziehen, ein Vorwurf der einen schneller zum Paria macht als man Zentralrat der Juden in Deutschland buchstabiert kann.

Denn nach dem langen, großen deutschen Schweigen über den Mord an den europäischen Juden wendeten nicht wenige Deutsche ihren “angelernten Antisemitismus” zum “angelernten Philosemitismus” (Günter Grass) und versuchten der fraglosen Schuld und Verantwortung dadurch zu entgehen, dass man aus der Haut der Täter in die Haut der Opfer kroch. Durch einen schamlosen Beifall im israelischen Sechstagekrieg zum Beispiel, den die damalige BILD-Zeitungs-Schlagzeile zum “Blitzkrieg” veredelte, als seien die Deutschen endlich gemeinsam mit den Truppen Israels unterwegs. Die Opfer der Opfer, die Palästinenser, existierten lange Zeit in Deutschland nur unter dem Begriff des Terrorismus. Bis heute wird ihr Anspruch auf ein Leben ohne Mauern, ohne das israelische Apartheidsregime und ohne den täglichen Terror der israelischen Armee in den besetzten Gebieten von den Deutschen nicht gleichermassen anerkannt wie der Anspruch Israels auf eine sichere Existenz.

Die “Sicherheit Israels auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte (ist) Teil der deutschen Staatsräson und nicht verhandelbar”, verkündete Angela Merkel. Der israelische Historiker Tom Segev kommentierte die Merkel so: “Das hört sich dann an, als wäre es von der Internetseite des israelischen Auswärtigen Amtes abgelesen.” Doch das Lachen kann einem im Halse stecken bleiben wenn man bedenkt, dass sich Deutschland entlang der Merkel-Räson zum Komplizen der aggressiven israelischen Militär- und Außenpolitik macht. Das argumentiert Strohmeyer nachdrücklich am Beispiel jener deutschen U-Boote, die der israelischen Militärmaschine eine atomare Zweitschlags-Kapazität ermöglicht und so einen Krieg mit dem Iran denkbar macht.

Den Politologen Mohssen Massarrat zitiert der Autor mit einem weisen Satz, der einen gültigen Schlusspunkt setzt: “Ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Israels wird aber nicht durch nukleare Erst- und Zweitschlagskapazität und eine Sicherheitspolitik gegen die Staaten im Mittlern und Nahen Osten, sondern durch eine Sicherheitspolitik hergestellt, die mit diesen Staaten gemeinsam aufgebaut wird.”

Ulrich Gellermann


Arn Strohmeyer: Das verhängnisvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser. 208 S. kart. Gabriele-Schäfer-Verlag. Herne 2014. 19,50 Euro. ISBN 978-3-944487-14-4

[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]


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