Lesungen sind Rockkonzerte für Autoren, hat mal ein kluger Mensch gesagt. Ich kann dies uneingeschränkt unterschreiben. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn das Publikum direkt auf die gelesenen Passagen reagiert. Die Geschichte wird lebendig. Der Applaus am Schluss und die vielen Gespräche mit den Zuhörern machen Lesungen zu einzigartigen Erlebnissen. Allerdings gibt es einige Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Lesung wirklich rockt.
Das Wichtigste ist es, sich bewusst zu machen, welches Hauptziel mit einer Lesung verfolgt wird. Lesungen dienen nicht dazu, Autorinnen und Autoren ein gutes Gefühl zu geben. Sie haben auch nicht das Ziel, Veranstalter glücklich oder gar reich zu machen. Nein, bei Lesungen geht es wie bei allen anderen künstlerischen Darbietungen darum, das Publikum zu unterhalten. Und zwar so gut es nur geht.
Ziel einer Lesung ist es, das Publikum zu unterhalten.Wenn man die Gelegenheit bekommt, vor Publikum zu lesen, dann muss man sich daher bewusst machen, dass die Menschen eine Erwartung haben und das es die Aufgabe des Lesenden ist, diese Erwartung zu erfüllen. Das Publikum möchte unterhalten werden. Dafür hat es sich von der Wohnzimmercouch weg bewegt, hat sich auf den Weg gemacht und vielleicht auch Eintritt bezahlt. Es ist deine Aufgabe, diese Erwartung zu erfüllen. Sei dankbar für das Vertrauen, das dir das Publikum durch sein Kommen entgegenbringt und nimm diese Aufgabe sehr ernst.
Bereite dich gut vor
Es wäre eine absolute Missachtung gegenüber den Zuhörern, wenn du dich nicht ordentlich auf die Lesung vorbereiten würdest. Wie bei einem Theaterstück oder einem Auftritt mit deiner Band heißt es auch vor einer Lesung: üben, üben, üben.Im Grunde musst du die gelesenen Passagen mehr oder weniger auswendig kennen. Du musst wissen, was als Nächstes kommt, wenn du einen Satz liest, denn nur so kannst du ihn richtig und lebendig intonieren. Also nutze jede Gelegenheit, um das Lesen zu trainieren. Entscheidend ist es, beim Üben laut zu lesen. Nimm das Gelesene auf und höre nachher ab, wie es klingt. Lies deinen Freunden und deiner Familie vor und bitte sie, sehr kritisch zu hören.
Wähle die richtigen Ausschnitte
Es ist wichtig, dass das Publikum deinen gelesenen Worten folgen und sich in das Gelesene hineinversetzen kann. Daher wähle Passagen aus, die nicht zu komplex sind. Wenn du zuvor viel erklären musst, damit man der Geschichte folgen kann, dann sollte dies ein Warnzeichen sein. Insbesondere wenn viele verschiedene Personen erst eingeführt werden müssen, damit man versteht, worum es geht, solltest du von dieser Passage absehen. Da auch für ein Buch generell gilt, dass der Einstieg ohne große Erklärungen funktionieren sollte, bietet sich der Beginn des Buches im Regelfall gut für Lesungen an. Er sollte die Zuhörer am besten in die Geschichte hineinziehen. Im Weiteren kannst du dann Abschnitte wählen, die darauf aufsetzen, ohne das zu viel zusätzlich erläutert werden muss.Sei dynamisch
Einführung in die Lesung
Immer wieder sehe ich Autoren, die sich zu Beginn der Lesung gleich auf den Stuhl setzen, das Buch aufklappen, auf die Buchstaben starren und zu lesen beginnen. Damit ist die Chance vertan, das Publikum richtig einzubeziehen. Ich beginne meine Lesungen immer stehend und erzähle einige Geschichten rund um das Thema des Buches. Oft nehme ich dabei lokale oder aktuelle Bezüge auf und spanne den Bogen zu meinem Buch. Wenn das Publikum mir gebannt zuhört, setze ich mich auf den Stuhl und beginne zu lesen. Für mich gilt die Grundregel, die Zuhörer müssen mindestens einmal herzhaft gelacht haben, bevor ich mit dem Lesen beginnen kann. Aber auch beim Lesen wende ich den Blick, so oft es geht, zum Publikum und unterstreiche Szenen mit Bewegungen. Verstecke dich auf keinen Fall hinter deinem Buch.Vielleicht gibt es auch Szenen in deinem Buch, die zur Interaktion mit dem Publikum genutzt werden können. In »Rausgekickt: Blaue Vögel« singt beispielsweise ein Damenkegelclub ein Trinklied. Dieses Lied singe ich bei Lesungen immer mit dem Publikum. Dazu übe ich es zuvor mit den Zuhörern ein. Dies macht allen großen Spaß und die Zuschauer warten beim Lesen gebannt auf die Stelle, an der sie singen können.
Sei emotional
Das Schlimmste, das passieren kann, wenn da vorne jemand sitzt, der monoton liest. Lesen ist mehr als nur Worte erzählen. Lesen ist Theater. Du liest nicht die Geschichte. Du bist die Geschichte. Bei »Tote Models nerven nur« habe ich es leicht, da es in der Ich-Perspektive erzählt ist. Wenn ich daraus lese, bin ich also die Protagonistin Biene Hagen. Wenn sie in der Geschichte wütend ist, dann bin ich dies auch. Wenn sie traurig ist, dann leide ich ebenfalls. Aber auch wenn du eine andere Erzählperspektive hast, musst du in diese Rolle schlüpfen und die Emotionen klar vermitteln. Wer schon mal auf einer Theaterbühne stand, weiß, dass man dort alles deutlicher machen muss als im normalen Leben, damit es beim Publikum ankommt. Das gilt auch für die Emotionen beim Lesen. Sei richtig traurig, wenn die Person traurig ist. Richtig fröhlich, wenn die Figur fröhlich ist. Grundregel ist, wenn es sich für dich zu heftig anfühlt, dann ist es für das Publikum gerade genug.Lies laut und mache Pausen
Ganz entscheidend ist die Lautstärke beim Lesen. Wenn du kein Mikrofon hast, muss deine Stimme die Geschichte bis in jede Ecke des Raumes tragen. Also lies laut und deutlich. Dies bedeutet nicht, dass du schreien musst. Stelle dir einfach immer vor, du würdest dem Menschen ganz hinten im Raum ein Geheimnis erzählen.Auch wenn pures Adrenalin durch deine Adern strömt und du durch nichts zu bremsen bist, musst du dich dennoch zügeln und klare Pausen setzen. Insbesondere bei besonders emotionalen Stellen ist es wichtig, sie durch anschließende Pausen wirken zu lassen. Auch hier gilt, fühlt sich die Pause für dich schon quälend lange an, ist sie für das Publikum gerade richtig.
So, nun ist es an dir, dein Publikum mitzureißen. Denk immer daran, es geht darum, die Zuhörer glücklich zu machen. Also, let’s rock!
Ach ja, meine nächsten Lesungen findest du übrigens hier.