Wie Apple in meine Konsumauszeit reinpfuscht

Heute habe ich den zweiten Tag der Konsumauszeit “überstanden”. Es war ein Montag und ich hätte mir für das Versagen meines iPhones keinen schlechteren Moment in dieser Woche aussuchen können.

Schon vor langer Zeit hatte ich für heute einen Termin geplant. Da ich Nepo zu diesem Termin nicht mitnehmen konnte, kamen die Großeltern heute extra aus Augsburg vorbei, um für ein paar Stunden auf ihn aufzupassen. Nachdem ich also den Großeltern die wichtigsten Infos zum essen, wickeln und anziehen gegeben hatte, verließ ich die Wohnung mit dem Hinweis, dass sie mich jederzeit auf meinem Handy erreichen könnten.

Just, als ich in die U-Bahn Richtung Marienplatz stieg, hängte sich mein iPhone mal wieder auf. Also startete ich es komplett neu, woraufhin es sich gleich wieder aufhängte und ich es nicht mehr neu starten konnte. Egal was ich drücken wollte: Nichts ging mehr. Ich war so verzweifelt und sauer, am liebsten hätte ich das Scheissteil einfach in den U-Bahn-Schacht geschmissen.

Da ich bis zu meinem Termin noch Zeit hatte, ging ich kurz im Apple Store vorbei – in der Hoffnung kurzfristig Hilfe zu bekommen. Man bekommt natürlich keine Hilfe, schon gar nicht kurzfristig. Ich solle morgen wiederkommen, weil Termine für den nächsten Tag machen sie nicht. Apple geht mir schon seit einiger Zeit auf den Geist und solche grandiosen Fehlschüsse wie die Apple Watch befriedigen mich auch nicht wirklich.

Während des ganzen Termins dachte ich an mein kaputtes iPhone. Aber es war nicht die Tatsache, dass ich nicht an meine Mails, sozialen Netzwerke oder sonstigen Kram rankam. Nein, die Unerreichbarkeit für die Großeltern war für mich das unerträglichste. Ich machte mir die ganze Zeit Gedanken, weil sie mich nicht erreichen konnten und ich sie auch nicht.

Mir fiel ein, dass mein iPhone mir mein Leben so “vereinfacht” hatte, dass ich ja noch nicht mal die Nummer meines Freundes wusste, geschweige denn die Nummer der Großeltern. Wenn mir was passieren würde, wer würde ihn kontaktieren? Es gäbe rein gar keine Möglichkeit irgendjemand zu informieren, weil ich alles digital verwaltet habe.

Ich war plötzlich so sauer auf mich, dass ich es zugelassen habe, dass mein ganzes Leben in diesem kleinen Smartphone steckte. Seit 2005 nutze ich Apple Produkte und merke erst jetzt, dass ich in diesem Universum gefangen bin. Es ist nicht Facebook oder Google, die mich im Griff haben. Nein, es ist Apple.

Wenn man die Kontrolle über sein Handy verliert und auf die Hilfe irgendwelcher Techies im Apple Store angewiesen ist, um so grundsätzliche Dinge wie Telefonnummern, Bilder oder Nachrichtenverläufe wieder herstellen zu lassen, dann sollte das einen schon mehr als nachdenklich machen. Schlimmer stelle ich mir nur den Diebstahl des iPhone vor. Wenn schmierige Finger sich an den Bildern und persönlichen Informationen von mir und meinen Liebsten zu schaffen macht, hoffe ich nur, dass Apple irgendwann den Selbstzerstörungsmodus einführt, der dann zu einer Explosion des iPhone führt und dafür sorgt, dass der Dieb nie wieder ein Handy klaut.

Ich schwankte zwischen Verärgerung über den nicht erbrachten Support des Apple Store und dem Trotz, dass iPhone einfach kaputt und nutzlos in der Schublade liegen zu lassen. Wenn ich morgen in den Store laufe, dann nur, weil ich monatlich 40 EUR an die Telekom zahle, damit ich weiter der gläserne, immerfort konsumierenden Mensch bleibe, der ich bis Anfang des Jahres war.

Vielleicht musste das heute passieren. Vielleicht musste heute am zweiten Tag meiner Konsumauszeit einer meiner wichtigsten Wegbegleiter im Alltag ausfallen, damit ich mal ordentlich über meine Abhängigkeit von digitaler Technologie nachdenke.

Als ich auf dem Heimweg war, lief ich über die Kaufingerstraße. In Bayern sind gerade Herbstferien, es ist Anfang des Monats und damit perfekte Shoppingstimmung für viele. Und so sah ich fast nur Menschen mit Tüten. Plastik oder Papier, groß oder klein, Gucci oder H&M – ich sah nur noch Konsum um herum. Doch egal in welches Schaufenster ich schaute, nichts konnte mich irgendwie erwärmen, begeistern oder zum staunen bringen. Der Verlust meines iPhone hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.

Mein einziger Gedanke galt meinem Sohn und ob die Großeltern eine gute Zeit mit ihm hatten. Also stieg ich in die U-Bahn und flitzte an unser Haltestelle die Rolltreppen hoch. Als ich die letzte Rolltreppe zur Oberfläche hochlief, kamen die drei gerade die Straße entlang gelaufen. Ich habe den Kleinen sofort gesehen und er mich. Es war so wunderbar und so überraschend. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ohne Absprache am U-Bahn Ausgang trifft, obwohl die Planung der Großeltern doch eine ganz andere war. Sie freuten sich mich zu sehen und erzählten mir, wie problemlos doch alles lief und wie sie zwei Stunden mit ihm gespielt hatten. Nepo grinste die ganze Zeit hinter seinem Schnuller und plötzlich war mein iPhone das unwichtigste auf dieser Welt.

Zu viert setzten wir ihren Weg fort und spazierten durch unser Viertel, genossen den strahlendblauen Himmel und hatten einfach einen wunderschönen Tag. Als sie am Abend dann wieder gingen, blieb ich mit Nepo allein und spielte mit ihm noch voller Freude mit seinen kleinen Matchbox Autos, der Pappgarage und dem bunten Regenbogen, den er zur Taufe geschenkt bekommen hat. Ich genoss die Zeit ohne Zwang auf mein iPhone zu schauen. Der Abend war der entspannteste seit langem und ich beschloss, dass ich für die Dauer der Reparatur kein Ersatz iPhone benötigte, sondern einfach mein altes verwendete. Mein altes, klappriges iPhone – ohne Apps, ohne Musik – einfach nur für die Erreichbarkeit und die Möglichkeit meinen Freund im Notfall zu erreichen.

Das war mein zweiter Tag der #Konsumauszeit. Ich bin sehr gespannt was die nächsten Tage bringen werden und was noch kaputt gehen wird. :-)

In diesem Sinne: Einen nachhaltigen Abend für Euch.


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