Widerstand in Wort und Bild

Neyestani neben einer seiner Zeichnungen
Neyestani neben einer seiner Zeichnungen

Am Wochenende fand in Berlin der Medienkongress von TAZ und Freitag statt. Es gab ein volles Zwei-Tages-Programm und es ist kaum möglich, von allen Veranstaltungen zu berichten. Unter anderem gab es eine Podiumsdiskussion mit dem iranischen Karikaturisten Mana Neyestani, dessen Zeichnungen mit wenigen Strichen ein kritisches Bild der politischen Lage in Iran zeigen. Einige davon stellte er vor und berichtete über das Zeichnen unter den Augen einer Diktatur.

Mana Neyestani ist ein stiller, ruhiger junger Mann. Umso erstaunlicher die Kraft seiner Bilder. In der Podiumsdiskussion sagte er mehrfach „Ich bin kein mutiger Mensch. Wäre ich mutig, wäre ich in Iran geblieben.“ So jedoch arbeitet er nach einer abenteuerlichen Flucht, die ihn nach Paris führte, heute außerhalb des Iran und traut sich, zu zeichnen, was ihn umtreibt.

Im Anschluss an die Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt konnten wir ein Interview mit Mana Neyestani und dem jungen iranischen Autoren Soheil Asefi führen:

Beide sind Dissidenten, die bereits vor Jahren aus Iran fliehen mussten. Beide waren im berüchtigten Evin Gefängnis inhaftiert. Beide benutzen den Stift, respektive Wort oder Zeichnung als Mittel des Widerstandes. Beide arbeiten unter schwierigen Bedingungen weiter für Veränderungen. Veränderungen in dem Land, in dem der Funken, der derzeit in Nahost für einen Flächenbrand sorgt, bereits vor 2 Jahren zündelte – um dann in dunklen Kerkern oder im Exil zu glühen. In „Iran – dem größten Gefängnis der Welt“ (Zitat aus Ali Samadi Ahadi’s Film: The Green Wave)

Wie beschreiben Sie die derzeitige Situation in Iran?

Mana Neyestani, Soheil Asefi
Mana Neyestani, Soheil Asefi

Mana Neyestani: Ich lebe seit nunmehr 4 Jahren nicht mehr in Iran und habe demzufolge keine Kenntnisse über die tatsächliche Situation. Wie viele andere erhalte ich meine Informationen aus dem Internet. Ob dieses die Gesamtsituation spiegelt, ist nicht sicher. Ein Teil der Gesellschaft hat den starken Wunsch nach Veränderung, das ist unbestritten. Genauso unbestritten ist, dass ein anderer Teil der Gesellschaft mit aller Kraft dagegen kämpft. Eine der beiden Seiten wird von der Regierung instrumentalisiert um die andere Seite massiv zu unterdrücken.

Soheil Asefi: Es ist nicht leicht, die Situation zu beschreiben. Denn sie ist das Ergebnis der Situation kurz nach den Wahlen 2009, als so viele Menschen auf die Straße gingen um zu protestieren. An diesem denkwürdigen Montag waren mehr als 3 Millionen Menschen auf den Straßen. Was haben sie mit ihnen gemacht? Viele wurden eingesperrt, vergewaltigt, getötet.
Wir fragen uns also: Was ist eigentlich das Konzept der Menschenrechtscharta, die von fast allen Nationen unterschrieben wurde? Auch unabhängig von der katastrophalen Lage in Iran, wie kommt es, dass so viele Menschen unter der Armutsgrenze von 1$ täglich leben oder sterben?
Wo sind sie, die gepriesenen Menschenrechte? Für wen gelten sie?

Sehen Sie zwischen der Grüne Bewegung (Green Movement) und der Arbeitergewerkschaft (Blue Collar Union) eine Verbindung?

Mana Neyestani: Die grüne Bewegung zu definieren ist nicht leicht, weil es innerhalb dieser Bewegung verschiedene Strömungen und auch Differenzen gibt. Ich bin kein Fachmann für Politik. Aber meine Meinung, sicher gespeist aus einem Idealismus, ist, dass die Grüne Bewegung ein Instrument für Veränderung ist. Welche Veränderung das sein soll, darüber besteht keine Einigkeit. Sie kann so aussehen, dass nur das Oberhaupt gewechselt wird, und durch behutsame Reformen ein ausgewogeneres System entsteht – oder aber dass das ganze System verändert wird. Der Wunsch nach einem säkularen Staat ist groß. Wir brauchen jedoch innerhalb der Gesellschaft ein demokratisches Verständnis. Der Putsch gegen Mossadegh in den 60er Jahren ist lange her. Mossadegh wurde von der eigenen Bevölkerung nicht genug unterstützt. Das Verständnis für Demokratie hat zugenommen aber ist meiner Meinung nach noch nicht ausreichend und in allen Segmenten der Gesellschaft verankert. Zu der Farbe grün kann ich mich äußern, zu der blauen Farbe nicht.

Soheil Asefi: Ich frage immer wieder: Was soll das sein, die grüne Bewegung? Eine Farbe ist für mich kein Konzept. Natürlich gibt es eine Verbindung aber nicht mit einer Grünen Bewegung (die ohnehin möglicherweise ein Konstrukt der Medien ist) sondern mit den kritischen Kräften und Bewegungen in Iran. Natürlich ist es unser Traum, dass die Arbeitergewerkschaften in großem Umfang den Widerstand unterstützen und großer Teil des Prozesses werden. Aber das ist bisher nicht der Fall. Viele der Getöteten sind tatsächlich Arbeiter gewesen. Aber es ist auch die Mittelschicht, die eine große Rolle spielt in diesen Tagen.
Moussavi, der Präsidentschaftskandidat, begann seine Kampagne mit einer Rede, die er damals im „Haus des Arbeiters“, einer staatlichen Organisation, hielt. Diese Institution, die unterstützt wird von sogenannten links/islamischen Kräften wie Rafsandjani, soll tatsächliche unabhängige Gewerkschaften ersetzen. Die Jagd und Verhaftung von Mansur Ossanlou ist ein Beispiel für den Umgang mit unabhängigen Gewerkschaftlern. Der links/islamische Zweig ist inzwischen nichts weiter als ein weiteres neoliberales Stück in dem nationalen Drama, dessen „Reformen“ dies tendenziell belegen.

Neyestani Cartoon
Neyestani Cartoon

Sehen sie Parallelen zwischen der Bezeichnung „der arabische Frühling“ und dem Lied „Sar Omad Zemestoun“ (Der Winter geht zu Ende), das Moussavi in seiner Wahlkampagne nutzte?

Mana Neyestani: Sowohl der arabische Frühling als auch das Lied zeigen die Tendenz einer Veränderung. Aber es ist zu früh um das Ergebnis zu beurteilen.

Soheil Asefi: Die Gründe für den arabischen Frühling zeigen große Parallelen mit der Revolution in Iran 1979: Die Regime wurden direkt von den USA unterstützt, finanziell und militärisch. Sie sind instabil gewesen und schnell kollabiert. Die wirtschaftlichen Probleme sind schwerwiegend gewesen. Die Bedürfnisse der Protestierenden des arabischen Frühlings sind existentiell: Arbeit, Essen, soziale Versorgung und schließlich Demokratie.
Das Lied Sar Oumad Zemestoun, das auch Moussavi in seiner Wahlkampagne nutzte, ist ursprünglich ein Lied der Linken.
Ich bin nicht gegen Moussavi oder andere Reformer. Sie tun, was sie in dieser Situation tun können. Aber wir sollten kritisch bleiben und bedenken, dass sie Teil des Systems sind und es ihnen um Reformen geht, also um den Erhalt des Systems.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Mana Neyestani: Jeder kleine Raum den ich habe um zu arbeiten und meine Frau bedeuten für mich Heimat. Ich brauche weißes Papier und einen Stift um meine Gedanken niederzuschreiben. Und Filme.
Soheil Asefi: Im allgemeinen wird Heimat mit der Sprache in Verbindung gesetzt. Aber wenn ich sage, Iran ist meine Heimat so meine ich das nicht geografisch oder sprachlich. Ich sehne mich einfach nach Iran, obwohl ich mich dort fremder gefühlt habe als jetzt und hier. Ich bin noch nicht angekommen im Exil und suche. Oder ist es doch die Sprache?

Fotos: Nic
Interview: S.
Übersetzung Farsi/Deutsch: Maryam Mameghanian-Prenzlow; Farin Fakhari

Weitere Zeichnungen von Mana Neyestani finden sich bei wn.com. – Weitere Fotos vom TAZ-Kongress hier im Bloghaus.


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