Wider die Staatsräson: Gauck und die unbequeme AfD

Von Peymani @Ramin_Peymani

Er war angetreten als einer der größten politischen Hoffnungsträger der letzten Jahre – nun bekommt Joachim Gauck den “Klodeckel des Tages” verliehen. Während der Amtszeit des glücklosen Christian Wulff galt er bereits als heimlicher Bundespräsident, mindestens aber als “Präsident der Herzen”. Und nach Wulffs Abgang wurde er dann tatsächlich ganz offiziell zum Ersten Mann im Staat gewählt. Ich war damals einer seiner größten Anhänger, hatte sich mit Gauck doch endlich mal jemand durchgesetzt, der nicht den verkrusteten Kaderstrukturen der Parteien angehörte. Ein Bürgerrechtler an der Spitze des Staates – etwas Schöneres konnte man sich nicht wünschen. Noch dazu einer, dem man zutrauen konnte, den oft so abstrakten Freiheitsbegriff mit Inhalt und Leben zu füllen. Es schien, als sei Gauck der Richtige, um eine Gesellschaft aufzurütteln, die selbstzufrieden und bequem dem Liberalismus keine Bedeutung mehr beimisst. Doch nach 18 Monaten im Amt ist wenig geblieben. Gauck wirkt verändert. Immer unsichtbarer, immer belangloser ist sein Auftritt. Und äußert er sich doch einmal zu aktuellen Themen, fehlt ihm offenbar der Mut, seine einstmals so wunderbar klar formulierten gesellschaftlichen Positionen zu vertreten. Fast scheint es, als wisse Gauck nicht, wo er neben einer immer präsidialer auftretenden Kanzlerin seinen Platz finden soll. Der jüngste Versuch der eigenen Positionierung klang schrill, was nicht nur der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart als problematisch einstuft. Der Bundespräsident, der bereits im Zuge der Prüfung der Rechtmäßigkeit des ESM durch das Bundesverfassungsgericht verlauten ließ, er wünsche den Klagen keinen Erfolg, ging in dieser Woche noch einen Schritt weiter – und schoss deutlich über das Ziel hinaus. Bei einer Diskussionsveranstaltung in Frankfurt (Oder) musste man sich keine Mühe geben, um aus Gaucks Aussagen herauszuhören, er sei “sehr dankbar”, dass die nach seiner Einschätzung offenbar rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) bei der jüngsten Bundestagswahl nicht den Sprung ins Parlament geschafft habe. Man braucht kein Fan der AfD zu sein, um diese Diskreditierung einer demokratischen Partei zu verurteilen. So wenig Gauck gesellschaftliche Impulse setzt, so sehr scheint er sich nun in die wieder auflebende Euro-Debatte einmischen zu wollen. Doch mit politisch korrekten Worthülsen, die der Wahrnehmung vieler Menschen zuwiderlaufen, kommt man nicht weit. Zwar bemüht sich das Bundespräsidialamt inzwischen um Schadensbegrenzung und spricht von einem “Missverständnis”, doch scheinen die Audio- Mitschnitte von der Veranstaltung etwas anderes zu belegen. Im Kontext seiner ESM-freundlichen Haltung lassen sich Gaucks Aussagen ohnehin schwerlich missdeuten. Die AfD ist ihm offenbar ein Dorn im Auge, weil sie nicht zu seiner Ideologie passt. Und natürlich weiß sich Gauck in guter Gesellschaft: Wer sich beim Thema Euro gegen die Staatsräson stellt, steht gnadenlos am medialen und politischen Pranger. Der Begriff des Rechtspopulismus ist da sehr hilfreich, weil er als moralischen Keule immer seinen Dienst tut. Und wer die Mängel der Gemeinschaftswährung benennt oder die Rechtsbrüche der Staatengemeinschaft beklagt, gilt als unsolidarisch und europafeindlich. Sollte es nun auch zum modernen Amtsverständnis gehören, dem Wahlvolk eine unliebsame Partei auszutreiben, kann ich auf einen Bundespräsidenten verzichten – auf Gauck erst recht!

Lesen Sie hierzu auch: “AfD-Chef Bernd Lucke empört sich über Gauck” (RP ONLINE, 23.10.2013)


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