Wider der Monokultur

 

Es ist wahr, es entstehen Probleme beim Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern. Wer das Problem ist, wird von der rechtsgerichteten Presse nur falsch interpretiert. Denn nicht die Leute, die hierkommen sind das Problem - problematisch sind meist diejenigen, die immer schon hier waren. Sie sind es, weil sie nicht kapieren wollen, dass es etwas wie eine ethnisch reine Gesellschaft nie gab und im Hinblick auf diese engmaschig vernetzte Welt zukünftig nie mehr geben kann. Multikulturalität ist nicht das Hirngespinst linker Spinner, sondern deren Leugnung ist die weltfremde Lebenslüge nationalstaatlichen Denkens. Wer heute noch glaubt, dass Deutschland den Deutschen gehöre, der ist das Problem - Schreihälse, die dergleichen rufen, wirken vielleicht nicht so, weil sie viele Befürworter finden, aber sie sind Anachronismen.
Mit auferlegten Anleitungen, wie eine Gesellschaft sich zu formieren habe, welche Traditionen sie pflegt, welche Bräuche sie feiern soll, wie sie sich zu aufgeworfenen Fragen in Stellung zu bringen hat, ist die Zukunft nicht gestaltbar. Die Dummköpfe, die dieser Tage dem dicklichen Hetzer aus Neukölln zustimmend die verschwitzte Hand tätscheln, sind blöd genug anzunehmen, dass die Leitung des Landes durch die, die schon länger anwesend sind, populistisch gesagt: dass die Leitkultur, einen Fortschritt verzeichnet. Sie ist es aber nicht im Hinblick auf eine immer kleiner werdende Welt - und sie ist es nicht, weil sie historisch gesehen eine relativ neue und noch junge Idee ist, die im letzten Jahrhundert mehr Schaden anrichtete, als Nutzen für alle Menschen einfuhr. Leitkultur ist der ausgedachte Irrsinn von Menschen, die die Entwicklung der modernen Welt nicht verstehen können - Leitkultur ist der Versuch, sich ein wohliges nationales Nest in einer Welt einzurichten, die für nationalen Standesdünkel keinerlei Begründungen mehr aufzuzeigen hat.

Das Problem sind die, die schon lange hier sind. Viele von ihnen rufen nun, der Islam müsse sich der Beleidigung stellen - das fordern sie nicht, weil sie so profanisiert sind, so säkularisiert, denn einen Jesus beim Schwänzeblasen und Gruppensex mit seinen Jüngern, modelliert von einem islamischen Freigeist, würden sie nicht ertragen wollen. So weit geht ihnen die Freude am Beleidigtwerden nicht! Sie wollen die Freiheit der Beleidigung gegenüber dem Islam, weil sie damit provozieren, weil sie ihrer leitkulturellen Rückständigkeit schmeicheln wollen, weil sie sich selbst vormachen, besser zu sein als die, die sie verachten.
Die Multikulturalität ist nicht gescheitert - sie birgt auch keine Chancen. Sie ist! Ganz schlicht: Sie ist! Mehr ist dazu nicht zu sagen. Man muss sie niemanden schmackhaft machen. Man muss aber wohl begreifen, dass sie mehr als je zuvor - und sie war zuvor stets mehr oder weniger Realität - eine Konstante wird, die nicht einfach mit auferlegten Vorgaben in Schablonen zu pressen ist. Wir stehen nicht vor der Wahl: Multikulti oder nicht? Das suggeriert mancher dickliche Neuköllner, das machen schiefbärtige Ex-Senatoren weis - aber diese Wahl gibt es nicht. Diese Wahl gab es nie. Diese Wahl gäbe es nur, wenn nationalistisch bis rassistischer Wahn Verfassungsrang erhielte, wenn wir zurück wollten in ein rassisch fundiertes Gemeinwesen. Ansonsten ist in einer Welt, in der Menschen eines Kontinents, teilweise global, ihren Lebensmittelpunkt frei wählen können - wobei frei in der kapitalistischen Welt synonym für ökonomisch gezwungen steht -, in der das Autochthone noch mehr als zuvor zur Seltenheit wird, keine Alternative geboten. Die wahre Alternativlosigkeit liegt nicht im ökonomischen Weg, der wäre veränderbar - sie liegt darin, dass multikulturelle Wege unumgänglich sind, natürlich vorgegeben.
Das kann man gut finden - oder nicht. Aber man kann keine Optionen aufzeigen. Der Kluge nimmt es so, wie es ist. Er arrangiert sich, er macht etwas daraus. Das ist wahrlich nicht immer einfach. Aber wenn man mit dem Gefühl herangeht, ein Gegeneinander sei die Grundlage, dann entsteht kein Miteinander oder Nebeneinander in friedlicher Koexistenz. Dann entsteht dieser Wahn, der meint, er habe eine Wahl. Hat er nicht! Das Autochthone war seitdem wir den Status als Naturvölker verlassen haben, nur ein Gespinst. Es war immer relativ. Und es wird in dieser schnellen Welt noch gespinstischer; wer daran festhält, der ist geistig auf dem Stand einer primitiven Kultur anzusiedeln.
Dass man seine Identität nicht verlieren will, das ist verständlich. Es ist auch nicht multikulturell, alle kulturellen Einflüsse innerhalb einer Gesellschaft zu einen Brei zu verrühren. Das hat auch niemand vor! Multikulturalität sagt ja: viele Kulturen. Und Europas Geschichte kannte immer wieder Phasen, in denen Kulturen nebeneinander in einem Gemeinwesen lebten, ohne sich gleich zu bekriegen. Der habsburgische Vielvölkerstaat, den man gerne bemüht, um die Monokultur als richtigen Weg anzupreisen, ist kein Gegenbeispiel - er ist eher das Beispiel dafür, wo dieses nationalistische Rassengewinsel hinführt. Auch in ihm gab es Leitkultur, wie so oft in der Geschichte. Haben wir immer noch nicht gelernt, dass eine anleitende Kultur zwangsläufig im Chaos endet?
Multikulti ist nicht gescheitert - es ist. Und es wird immer sein. Scheitern heißt ja: nun gibt es eine Wahl. Das Menschen von hier nach dort ziehen, dass Deutsche auswandern, dass man hier einwandert - so war es immer mal mehr und mal weniger. Die monokulturelle Sehnsucht, die sich in der Vergangenheit als mörderisch erwiesen hat, ist die blödeste und gefährlichste Ausformung von Geschichtsvergessenheit.


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