Wider das Schubladendenken

Wider das Schubladendenken Rezension - Daniel Krause: "Als Linker gegen Islamismus - Ein schwuler Lehrer zeigt Courage" von Thomas Baader
  Bis Sommer 2012 war Daniel Krause einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt. Dann jedoch ergriff der bekennende Homosexuelle und Grünen-Wähler öffentlich das Wort gegen eine Kundgebung radikaler Salafisten. Das Problem dabei: Er tat dies im Rahmen einer Demonstration der rechtspopulistischen Partei Pro NRW. Ob Krause hierbei naiv oder mit Kalkül vorging, soll nicht Thema dieser Rezension sein. Jedenfalls gab es seither sowohl Anfeindungen aus dem linken Lager wie auch Versuche von rechtsaußen, den schwulen Lehrer für sich zu vereinnahmen. Gegen letztere hat er sich schließlich entschieden gewehrt - nicht dass dies die Vereinnahmungsversuche gestoppt hätte. Aber gegen Beifall von der falschen Seite ist nun einmal niemand gefeit, auch niemand, der aufrichtig genug ist, es als großen Fehler zu bezeichnen, eine solche Rede innerhalb dieses Rahmens gehalten zu haben.
  Nun hat Daniel Krause ein Buch geschrieben: "Als Linker gegen Islamismus - Ein schwuler Lehrer zeigt Courage". Der Titel scheint auf den ersten Blick klare Fronten zu schaffen: Hier die Linken, mit denen sich der Autor identifiziert, da der Islamismus als Gegner. Tatsächlich aber enthält die kurze Schrift eine zweifache Stoßrichtung, denn neben einer pronocierten Islamkritik kommt auch eine kritische Betrachtung der deutschen Linken und ihres Schubladendenkens zum Ausdruck. Die knapp 170 Seiten starke Streitschrift geht nämlich auch der Frage nach, weshalb das linksliberale Lager immer und immer wieder den Schulterschluss sucht mit Kräften, die seinen Überzeugungen und Werten diametral entgegenstehen - Kräften wie etwa den reaktionären Islamverbänden.
  Krause weiß, was man ihm auch weiterhin vorwerfen wird. Dementsprechend ist dem ersten Kapitel eine kurze Auflistung vorangestellt: "Was dieses Buch nicht ist." Der Verfasser weist klar zurück, eine Religion auf Kosten der anderen zu verherrlichen, Rechtsextremismus zu verharmlosen, von linksgrüner Gesinnung Abschied zu nehmen, Muslime pauschal zu verurteilen oder ein Buch über "Ausländer" geschrieben zu haben.
  Was das Buch aber schließlich ist, ist ein Eintreten für eine zutiefst humanistische Überzeugung. Und hierbei erkennt Krause richtigerweise gravierende Defizite im Umgang der Politik mit Manifestationen antimoderner Religiosität. Dabei gelingt nicht immer eine trennscharfe Abgrenzung zwischen "Islamismus" und "Islam". Der Verfasser benutzt in der Regel den Begriff "Islamismus", aber einige der genannten Beispiele (Eltern, die ihre Kinder vom Schwimmunterricht abmelden wollen) betreffen wohl keine Islamisten, sondern schlichtweg reaktionäre und antiemanzipatorische Muslime - wodurch eigentlich deutlich werden sollte, dass sich die vorhandenen Probleme nicht auf den Islamismus beschränken.
  Dem niederländischen Nachbarland gilt das besondere Augenmerk Krauses und er kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Integrationsdebatte der holländischen um mindestens zehn Jahre hinterherhinkt. Der Leser erfährt interessante Details: Wie in Rotterdam Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund veränderter Konzepte erfolgreicher gegen Kriminalität im migrantischen Milieu vorgehen. Wie Integrationsverweigerung mittlerweile auch auf Sanktionen trifft. Wie der ermordete Pim Fortuyn zu seinen Lebzeiten vom marrokanischstämmigen Bürgermeister Rotterdams Ahmed Aboutaleb als "abscheulicher Moslemhasser" beschimpft wurde und wie derselbe Ahmed Aboutaleb heute von dem (übrigens mittlerweile durch die Benennung eines "Pim Fortuyn-plaats" geehrten) Politiker als "einen der größten Niederländer aller Zeiten" spricht. Gleichwohl geht Krause auf Distanz zum niederländischen Enfant terrible Geert Wilders.
  Krauses Streitschrift benennt die wesentlichen gesellschaftlichen Probleme in Deutschland durchgehend korrekt. So wird zum Beispiel deutlich, wie sehr die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Tätigkeiten rechtspopulistischer, jedoch völlig marginalisierter Parteien liegt und nicht auf islamistischen Umtrieben, die in wesentlich größeren Dimensionen daherkommen ("Das Hochhalten von Mohammed-Bildchen war der deutschen Presse eine größere Meldung wert als der Aufruf einer islamistischen Masse zur Vernichtung Israels"). Auch ist der Befund als richtig zu werten, wonach erzkonservative Islamverbände, die sich durch fragwürdige Positionierungen zu Frauen- und Homosexuellenrechten hervortun, durch die Einführung des Unterrichtsfachs Islamkunde von der Politik aufgewertet werden und einen unheilvollen Einfluss auf die muslimische Schülerschaft gewinnen. Und treffend beschreibt Krause auch die ressentimentgeladene Triebfeder jener vermeintlich linken, islamistenfreundlichen Kräfte, wenn er urteilt: "Zumindest unterbewusst stehen viele Antifas solidarisch zu islamistischen Bewegungen, sofern sie jene als anti-amerikanisch wahrnehmen."
  Das Buch überzeugt durch eine sachliche Analyse des Zustandes und passgenaue Lösungsvorschläge. "Leitkultur" versteht Krause nicht als nationalistisches Agitationsfeld , sondern in einem humanistischen Sinne als Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter und als Abkehr von der Unkultur eines leichtsinnigen und geschichtsvergessenen Relativismus. Er schafft beim Leser ein Bewusstsein dafür, welches Ausmaß der Antisemitismus im muslimischen Milieu in Deutschland angenommen hat: Der Sender Al-Aqsa etwa verbreitet die Verschwörungstheorie, das jüdische Volk selbst habe seine Alten und Kranken umgebracht und das Ganze dann als Nazi-Holocaust getarnt. Al-Aqsa kann auch in Deutschland empfangen werden. Wen wundert es da noch, dass die Aussage "Juden haben in dieser Welt zu viel Einfluss" bei 38,5% der arabischstämmigen Jugendlichen auf Zustimmung trifft (aber nur bei 2,1% der deutschen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund)?
  Einen persönlichen Ton kriegt das Buch, als Krause von seiner Beratungstätigkeit für junge muslimische Homosexuelle berichtet. Der inneren Zerrissenheit, die durch die Lebenssituation als homosexueller Moslem entsteht, sind viele nicht gewachsen, und Selbstmord ist ein häufig gewählter "Ausweg". Von diesen persönlichen Erfahrungen des Verfassers hätte man sich als Leser vielleicht noch ein wenig mehr gewünscht.
  Daniel Krause wird zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Rezension in "linken" Webpublikationen noch immer übel beschimpft, bis hin zu der - im Grunde freilich kulturrelativistisch motivierten schwulenfeindlichen - Bezichtigung des "Homonationalismus". Man darf bezweifeln, dass die anonymen Hass-Blogger Krauses Buch gelesen haben. Dessen Rat an seine Leser gegen Ende des Buches lautet übrigens: "Verurteilen Sie niemals Muslime pauschal."  
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