Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot Jr., Tom Schilling und Elyas M’Barek (v.l.n.r.) in “Who Am I”
Es wirkt ein wenig kalkuliert, wenn ausgerechnet die beiden Hauptdarsteller der im vergangenen Jahr wohl erfolgreichsten deutschen Filme auf einmal gemeinsam auf der Leinwand auftauchen. Regisseur Baran bo Odar (Das letzte Schweigen, Unter der Sonne) schickt Tom Schilling (Oh Boy) und Elyas M’Barek (Fack Ju Göhte) mit ein wenig Unterstützung durch Wotan Wilke Möhring (Tatort, Besser als Nix) und Antoine Monot Jr. (Tatort, Lola auf der Erbse) in den deutschen Cyberthriller Who Am I. Das Kalkül hat sich allerdings ausgezahlt. Nicht nur durch eine bereits recht frühe internationale Aufmerksamkeit durch das Aufführen des Films auf dem Toronto Film Festival, sondern auch durch die Abkehr des deutschen Films von Stoffen der historischen Aufarbeitung oder den ewig gleich gestrickten Komödien von und mit Matthias Schweighöfer und/oder Til Schweiger.
Schon allein durch diese Andersartigkeit gewinnt Who Am I an Zuspruch. Trotzdem darf man sich davon nicht täuschen lassen. Denn all diese Andersartigkeit macht noch lange keinen perfekten oder gar guten Film aus. In diesem Falle erlangt Who Am I allenfalls das Siegel „Mittelmäßig-unterhaltsamer Zeitvertreib“. Die Handlung dümpelt ein wenig vor sich hin, erreicht nie das Spannungspotential, dass die Genrezuteilung des Cyberthrillers vermuten lassen würde. Einen Höhepunkt gibt es eher zum Ende hin, auch wenn dieses Ende dann leider etwas zu weit erzählt und hierdurch wiederum abgeschwächt wird. Also tatsächlich alles andere als gutes Storytelling. Eher lediglich ein Versuch, der an vielen Stellen zuerst einmal funktioniert, dann aber überdehnt wird.
Tom Schilling als Benjamin
Stark ist und wird wohl auch immer bleiben Tom Schilling. Er spielt den Selbstzweifler und Taugenichts Benjamin. Er trifft beim Verrichten einiger Sozialstunden auf Max (M’Barek), der weitaus mehr Charisma besitzt und Selbstbewusst durchs Leben streift. Er stellt Benjamin seinen Hacker-Freunde Stephan (Möhring) und Paul (Monot Jr.) vor, die gemeinsam die Gruppierung Clowns Laughing @ You – Clay – gründen, um der Stadt Berlin einige Streiche zu spielen. Doch um sich in der Internet-Szene zu beweisen, müssen Clay mehr bieten als nur Spaßaktionen. Also nehmen sie den BND in ihr Visier. Und schon finden sich die vier Hacker zwischen allen Fronten wieder: die russische Cybermafia macht plötzlich ebenso Jagd auf Clay wie auch das BKA und Europol.
Gerade in der Darstellung des Internets, hier sehr visuell in einem Bahnwagon – oder besser: Datenzug – dargestellt, mit den Usern und ihren Masken, versteckt hinter ihren Alter Ego-Identitäten, ist ein sehr innovativer Umgang um das Internet auf die Leinwand zu bringen. Hier hört jedoch die Innovation auch auf. Die übrigen Ideen wollen keinen Spannungsbogen aufbauen oder wirken wie aus einem anderen Film entsprungen – geklaut.
Elyas M’Barek ist Max
Die Darsteller liefern solide Leistungen ab, Tom Schilling ist jedoch der einzige von ihnen, der auch genug Zeit und Raum hierfür erhält. Elyas M’Barek steckt in der großkotzigen Fack Ju Göhte-Rolle fest, ohne dass er die Möglichkeit erhält, hieraus auszubrechen. Antoine Monot Jr. muss einfach nur mit durchgeknallten Blick in die Kamera schauen und überall Verschwörungen und Verrat wittern, während immerhin Wotan Wilke Möhring aus seinen kleinen Momenten den größtmöglichen Effekt heraus holt. Er mimt den muskelbepackten und mit Tattoos übersäten Spaßmacher der Truppe, der ohne viel nachzudenken einfach nur eine gute Zeit haben möchte.
Eine gute Zeit kann man mit Who Am I auch haben. Denn genau dann, wenn man von den üblichen deutschen Erzeugnissen genervt ist, dem Filmgeschäft hierzulande dennoch eine Chance geben möchte, dann kann man sich den Film von Baran bo Odar als beruhigendes Positiv-Beispiel zu Gemüte führen, dass der deutsche Film durchaus in der Lage ist, andere Dinge zu zeigen als das nächste Nazi-Drama, eine Schweiger-Nachkommensförderung oder eine dieser Schweighöfer-Romanzen.
Who Am I – Kein System ist sicher
106 Minuten, freigegeben ab 12 Jahren, Kinostart: 25. September 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © Sony Pictures Releasing GmbH