Eine Gruppe aus 32 Männern und drei Frauen steht am Marienplatz in München, Schnapsgläser in der Hand. Einer schwenkt eine Schottlandfahne an einem Birkenast, ein anderer ruft „Heinrich Himmler!“ Welche Geschichte die vorbeigehenden Touristen aus diesem Szenario gemacht haben, würde mich ja doch brennend interessieren. Der Hintergrund war natürlich kein Treffen verwirrter schottischer Nationalisten, sondern der Whisky Walk, den Pit Krause von Slowdrink zusammen mit Rainer Blumer veranstaltet hat. Spirituelles München – also in Form von etlichen Kirchen, viel geschichtlichem Hintergrund und etlichen hochwertigen Tropfen im Glas.
Es ist ein bisschen absurd, aber meist kennt man geschichtliche Hintergründe, Anekdoten und auch Sehenswürdigkeiten auf der ganzen Welt besser als in seiner Heimat. Zu Hause beschäftigt man sich meist nur damit, wenn Besuch kommt, dem man was zeigen möchte. Allein deswegen lohnt es schon, auch vor der eigenen Tür an einer Führung teilzunehmen. Mir jedenfalls war bislang tatsächlich nur sehr wenig von dem bekannt, was Rainer uns über München erzählt hat. Wenn Pit Krause dazu noch Whiskys aussucht, ist schon im Vorfeld klar, dass da absolut nichts schief gehen kann. Und genau so war es dann ja auch.
Beginn war vor dem Sendlinger Tor, neben dem sich früher das Haus des Henkers befand, das innerhalb der Stadt nicht erwünscht war. Dass besagter Henker als städtischer Beamter auch ein Bordell betrieben hat, um sein Gehalt aufzubessern, ist eine schöne Zusatzinformation, die auch dazu passt, dass sich auf der anderen Seite des Tors in der Sendlinger Straße bis zu den Olympischen Spielen das Rotlichtviertel von München befunden hat. Zu trinken gab es aber nichts anrüchiges, sondern einen Glenburgie 1948 / 1961 – 1981 (one cask of each year) Gordon & Macphail for ‘Royal Marriage of Charles and Diana’, Pinerolo-Import (Italy), 75cl, 40%, der aus den beiden Abfüllungen aus den Geburtsjahren von Charles und Diana zu deren Hochzeit kreiert wurde. Der große Unterschied zu heutige Abfüllungen liegt hier im alten Sherryfass, das aus einer Zeit stammt, in der Sherry noch verbreitet war und die Fässer tatsächlich für diesen verwendet wurden, statt von der Whiskyindustrie für Whiskys geordert und nur sporadisch befüllt zu werden. Der Geruch ist dann auch ziemlich ungewöhnlich und erinnert weit mehr an Rum denn an Whisky. Geschmacklich ist das weit weniger intensiv als die Nase vermuten lässt, was aber natürlich dem eher geringen Alkoholgehalt geschuldet ist. Trotzdem ist das ein schöner Tropfen mit einer ganz eigenen Süße, die ich eben von aktuellen Sherryabfüllungen nicht kenne.
Die Sendlingerstraße weiter bis zu einer Kirche, die jedem Münchner ein Begriff ist – die Asamkirche, die eigentlich Johann-Nepomuk-Kirche heißt. Auch zu der gab es einiges zu berichten, von dem ich das meiste aber natürlich schon wieder vergessen habe. Wie auch etliches zu den Whiskys, denn im Laufen hab ich mir keine Notizen gemacht und dementsprechend auch schon wieder viele Details verdrängt. Von Nummer zwei, einem Benrinnes 20 y.o. Signatory Vintage 1974 – 1994, Sherry Butt 2577, 43%, kann ich demzufolge auch nur sagen, dass er eine ganz andere Art von Sherryausbau präsentiert hat, die mir persönlich auch mehr zugesagt hat. Weniger süß, etwas mehr Whisky, aber dann wird es leider trübe.
Weiter durch die Passage zur Kreuzstraße und zur Allerheiligenkirche am Kreuz, einer der Begräbniskirchen in München. Hier gibt es den St. Magdalene 29 y.o. Silver Seal ‘Missing’ 1975 – 2004, 1,5l, 30 btl., 46,8%. Wir finden schnell Lawnmower’s Choice als Bezeichung, hier gibt es grasige Noten ohne Ende. Sehr eigenwillig und der erste Whisky des Abends, der die Gesellschaft deutlich spaltet. Ich mag ihn (bin aber auch schon der Flasche zugetan), auch wenn ich ihn nicht immer trinken könnte. Aber Exoten bekommen immer schon mal einen Bonus.
Die Damenstiftstraße weiter mit einem kurzen Zwischenstopp an der Damenstiftskirche St. Anna (zur Enttäuschung einiger versagt hier die Pawlowsche Glocke – es gibt keinen Whisky) bis zur Fußgängerzone und der Michaelskirche, mit deren Fassade die Wittelsbacher ihre Abstammung herbeiphantasieren und sich somit legitimieren wollten – der Vergleich „BILD des 16. Jahrhunderts ist also auf mehreren Ebenen stimmig“. Hier trägt sich auch die Eingangs beschriebene Szene zu und Heinrich Himmler ist die Antwort auf die Frage, woher die Idee der rothaarigen Hexen kommt. Zu Trinken gibt es nun auch etwas, nämlich den Tomatin 35 y.o. Cadenhead’s ‘Small Batch’ 1978 – 2013, Bourbon Hogsheads, 593 btl., 44,1%, für mich das erste richtige Highlight des Abends. Weingummi ist überdeutlich, ein wenig erinnert das auch an Red Bull (auch wenn das jetzt böse klingt), dazu gibt es aber eine Menge Gewürz. Richtig gut.
Die Fußgängerzone entlang zur Frauenkirche, einem der Wahrzeichen Münchens und eine der zugigsten Ecken Münchens. Hier gibt es viele Geschichten zum Teufel und der Entstehung der Kirchen, die zeigen, wie absolut schlüssig und einleuchtend die katholischen Lehren schon damals waren. Besser mal was für die wahre Spiritualität tun, und zwar mit einem Brora 23 y.o. Signatory intage 1981 – 2005, Refill Butt 5/372, 314 btl., 46%. Zu dem ich aber leider nur noch sagen kann, dass er mich begeistert, die Menge aber ziemlich deutlich in Top und Flop gespalten hat, weil ein mancher dort eine eher störende Parfümnote zu finden meinte.
Parfüm hätte es zumindest dem Namen nach eher in der nächsten Abfüllung geben sollen: Aultmore 19 y.o. SMWS 73.45, 1992,Refill Sherry Butt, 151 btl., 56,1%, von der SMWS mit dem klingenden Namen „Kissing a freshly perfumend woman“ versehen. Der konnte aber durch die Bank begeistern. Einerseits süß, aber ohne dabei dominant zu sein, mit kräftigen Noten dagegen. Sehr komplex und sehr geil. Getrunken wurde er vor dem neuen Rathaus, zu dem es (zusammen mit dem Platz davor und auch dem Weg dorthin) etliches zu sagen gegeben hat.
Langsam wurde es Zeit für ein Pause, die wir zwischen Viktualienmarkt und Pschorrbräu am Valentinbrunnen eingelegt haben. Zu Valentin muss man nicht viel sagen, außer dass er nach dem Krieg in München lange verkannt war und völlig zu Unrecht erst spät wiederentdeckt wurde und halbwegs zu der Ehre gekommen ist, die er verdient hat. Hier konnten wir Essen teilen und verzehren, unter anderem einen von Pit hervorragend selber gemachten Shepherd’s Pie. Bevor es weiterging, gab es dann auch gleich noch den nächsten Whisky: Bruichladdich 2002 – 2013 Malts of Scotland ‘Warehouse Diamonds’, Chateau d’Yquem Sauternes Hogshead 13062, 185 btl., 58,2%. Die Yquem-Lagerung aus der Micro-Provenance-Serie von Bruichladdich fand ich extrem gut und so war ich natürlich auf den hier ebenfalls ziemlich gespannt. An den genannten kommt der zwar nicht ran (was aber auch am Alter liegt), gelungen ist er aber trotzdem. Hier ergänzen sich Fass und Whisky völlig harmonisch und rund. Würde es davon genug Fässer geben, sollte Bruichladdie den als reguläres Finish rausbringen!
Zurück zum Alten Peter und dabei gleich die nächste Abfüllung aus dem Weinfass: Bunnahabhain 23 y.o. The First Editions 1989 – 2013, Bordeaux Barrique Finish, 210 btl., 50,2%. Mit Bunnahabhain kann man selten was verkehrt machen und so ist es auch hier. Der Rotwein gibt lediglich eine Note dazu, dominiert den Whisky aber nicht und lässt ihm Platz. Genau so sollte das sein, das Ergebnis ist komplex und stimmig mit ganz eigenen Noten. Top!
Am alten Hof vorbei geht es zur Staatsoper und zur Blindverkostung des Abends. Wir erfahren nur, dass es sich um einen Whisky von Islay handelt, der Rest wird geraten. Dass mein spontaner Tipp auf Port Charlotte nicht stimmen kann, wird mit selber klar, sobald ich ihn ausgesprochen habe. Hier gibt es zwar ordentlich Torf, aber nicht mit allen Reglern auf 10, sondern zumindest mit Ansätzen zu vielen anderen Noten, auch wenn keine davon so richtig ausgeprägt scheint. Die Lösung ist eigentlich naheliegend, es ist eine Vorabflasche von Pits nächster Clubafüllung, die aktuell noch im Fass reift und auch noch nicht fertig ist. Die Brennerei darf da nicht draufstehen, sie liegt aber an der Südküste zwischen Ardbeg und Laphroaig. Jedenfalls bin ich froh, dass ich mir davon bereits im Vorfeld eine Flasche gesichert habe. Die Ansätze sind extrem vielversprechend, das könnte richtig groß werden!
Letzte Runde vor den Löwen an der Residenz, die wir nur anschauen, statt sie zu begrapschen. Unter den vier Kardinaltugenden Mäßigung (eh klar), Gerechtigkeit, Weisheit und Fassstärke nehmen wir den letzten Tropfen zu uns: Port Ellen 18 y.o. Douglas Laing ‘Old Malt Cask’ 1981 – 2000, Sherry Cask, 210 btl., 52,7%. Port Ellen hat mich in der Vergangenheit immer begeistert, es wird allerdings zunehmend unmöglich, zu noch bezahlbaren Preisen an die richtig geilen ranzukommen. Das hier ist nach Aussage der restlichen Gruppe ein ebensolcher, mich begeistert er allerdings nicht so derb wie den Rest. Er ist mächtig und komplex und hat eigentlich alles, was er haben sollte, aber er zündet einfach nicht richtig. Vielleicht es einfach zu spät für mich, in jeder Hinsicht.
Genossen habe ich in jedem Fall den gesamten Abend, mit allen Whiskys und auch all den ganzen Geschichten zu München, die Rainer uns so kurzweilig wie spannend vorgetragen hat.
Danke an alle Beteiligten und vor allem an Rainer und Pit! Sláinte!
PS: Ich bitte die Qualität der Bilder zu entschuldigen. Die Lichtverhältnisse haben es dem Smartphone nicht leicht gemacht.