“When Animals Dream” von Jonas Alexander Arnby

Erstellt am 24. August 2014 von Denis Sasse @filmtogo

Sonia Suhl als Maria, die in “When Animals Dream” ihren inneren Wolf kennenlernt

Dass aus dem skandinavischen Ländern nicht nur qualitativ hochwertige Krimi-Verfilmungen kommen, das hat Regisseur Tomas Alfredson in 2008 mit Låt den rätte komma in (So finster die Nacht) beweisen können. In einer unterkühlten Atmosphäre erzählt er von einem kleinen Mädchen, das einen Vampir abseits der Twilight-Saga, aber auch der klassischen Dracula-Mythologie gibt. Gerade das verstörende Spiel zweier sich anfreundender Kinder in dieser dunklen, kalten Welt, erschuf eine ganz eigene Form des Horrors. Das Mädchen, gespielt von Lina Leandersson (und in einem amerikanischen Remake von Chloë Grace Moretz verkörpert), springt in einer Szene von einer kleinen Brücke auf ihr Opfer nieder, zerreißt die Halsschlagader und lässt es blutend am Wegrand liegen. Die Szenerie spielt sich im blassen Schein einer Straßenlaterne ab, das Bild wird vom Schnee verwaschen.

Ähnlich ein Moment in dem dänischen When Animals Dream (Når dyrene drømmer), einem abgeschwächten, aber nicht minder intensiven Kleinstadt-Alltagshorror von Regisseur Jonas Alexander Arnby nach einem Drehbuch von Rasmus Birch. Ein Mädchen, hier zum Wolfsmenschen mutierend, wird von einer Horde Menschen gejagt, die das Unwesen nicht in ihrer dörfischen Gemeinde sehen wollen. Ein Junge nimmt die Verfolgung auf dem Moped auf, nur um in der Dunkelheit von diesem herunter gerissen zu werden. Hier lässt sich das Mädchen von keiner Brücke fallen, sondern springt wunderbar von der Kamera inszeniert, von links nach rechts durch das Bild, reißt das Opfer mit sich und lässt knurrend die Zähne in dessen Hals fahren. Auch hier bleibt der Körper reglos am Wegrand liegen.

Sonia Suhl in “When Animals Dream”

Das Mädchen ist Sonia Suhl. Sie debütiert als Schauspielerin mit dieser starken Rolle, lässt Erinnerungen an das weltfremde, in sich gekehrte Spiel einer Mia Wasikowska aufkommen. Sie spielt Maria, eine Teenagerin die mit ihren Eltern in einem Fischerdorf an der dänischen Nordküste lebt. Sie ist schüchtern und zeigt nur wenig Vertrauen gegenüber den übrigen Dorfbewohnern, nicht anders als ihre zurückgezogen lebenden Eltern. Die Mutter sitzt schweigend im Rollstuhl, wird vom Vater umsorgt. Aber die Geheimnisse um die Familiengeschichte beinhalten mehr als dieses Leben abseits der Dorfgemeinschaft. Maria hat etwas von ihrer Mutter geerbt, dass mit der Zeit beginnt, ihren Körper zu verändern. Ihre Haut wird pelzig, ihre Augen schon mal leuchtend gelb, ihre Fingernägel blutig angeschwollen.

Die Veränderung des Körpers ist ein klares pubertierendes Symbol. Die eigene Angst vor dieser Veränderung, die sich entziehende Kontrolle, die Lust nach Fleisch – im sexuellen Sinne – kommt auf. Maria durchlebt das Frau-werden als Wolfsmensch-Horror. Die Veränderung bringt hier aber noch den Verstoß aus der Dorfgemeinde mit sich, ein Spiel das rassistische Verhaltensweisen an den Tag legt. Die Andersartigkeit wird mit bösen Blicken und Streichen gestraft. Es fehlen die Fackeln, die das Monster aus der Stadt treiben sollen, aber die kleindörfliche Gemeinde reagiert hier geradezu abstoßend diesem Menschen gegenüber, der auch als Wolfsmensch gar nicht von Natur aus böse daher kommt, sondern sich durch die Sticheleien an die Wand manövriert sieht und zur Selbstverteidigung greift.

Lars Mikkelsen will als Vater von Maria die Familie vor der Dorfgemeinde schützen

Es sind Vorurteile, die da aufkommen und abgearbeitet werden, die vielleicht noch stärker als das Bild der Adoleszenz in den Vordergrund gerückt werden. Dabei spielt gerade Marias Mutter eine gewichtige Rolle, die von Sonja Richter beeindruckend ruhig und beobachtend, im richtigen Moment mit Mutterinstinkten ausgestattet, verkörpert wird. Ohnehin beweist die familiäre Dreisamkeit, komplettiert durch den Vater spielenden Lars Mikkelsen (Bruder von Mads Mikkelsen, zu sehen in Serien wie Gefährliche Seilschaften oder Sherlock), einen seltenen Zusammenhalt für Produktionen dieser Landen, die sich oftmals mehr mit den innerfamiliären Brutalitäten auseinander setzen. Hier aber ist die Familie ein Zufluchtsort und funktioniert so, wie idealerweise gedacht, auch wenn eine Ausnahme die Situation zur ersten Eskalation treibt.

Dabei ist When Animals Dream nicht als klassischer Horror um das Monster zentriert anzusehen. Viel mehr gilt es den Horror des Alltags zu überstehen. So malerisch der Film die blutigen Momente auch einfangen mag, so werden diese doch von der langsamen und andächtig erzählten Geschichte überlagert. Das macht die Aufregung umso intensiver, wenn sie denn mal zum Einsatz kommt.

When Animals Dream
84 Minuten, freigegeben ab 16 Jahren, Kinostart: 21. August 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © Prokino