What Are You Looking At?

Von Simsinger

Es scheint, als ob das Bild der Gewinnerin des "First Architecture & Design Competitions in Second Life" eine Vorausahnung war. Die Architektin Meylenstein kreirte einen Raum in Form einer Wolke, der ihren Avatar unsichtbar machte und ihr "Haus" mobil wie ein Kleidungsstück werden ließ. Da es bis dato noch kein digitales Vermummungsverbot gibt und eine versteckte Identität im Internet anlässlich der allgemeinen "Daten-Sammel-Wut" dringend nötig wäre, sollten wir dieses Bild als "Steilvorlage" ernst nehmen. Wir sollten die Freiheit haben, ungestört die Inhalte des Internets zu filtern, Cookies zu akzeptieren usw., ohne gleich einen Gehirnabdruck bei Google & Co hinterlassen zu müssen! Wir sollten eine Fuzzy Identity im digitalen Raum bekommen! Wird das gelingen? Würden wir damit den Falschen in die Hände spielen, oder würden wir uns und unsere Kinder vor der informationellen Ausbeutung und schließlich Kontrolle schützen?
Ein weiterer Punkt ist die Umwandlung des öffentlichen Raumes in den veröffentlichten Raum. Keiner hat dafür je ein besseres Bild geschaffen als Banksy, als er eine CCTV Kamera auf eine Wand gedreht hat, auf die er schrieb: What are you looking at? Nicht nur, daß die Kamera aus dem öffentlichen Raum einen Gefängnishof macht, die Kamera selbst ist ein Sujet einer symbolischen Sicherheitspolitik, die zu nichts anderem führt als zur Aushöhlung fundamentaler Menschenrechte.
Den folgenden Vortrag zum Thema Datenschutz habe ich für das zuvor angekündigte Seminar an der Theodor-Heuss-Akademie geschrieben. Die Bilder, die ich dazu gezeigt habe, lasse ich an dieser Stelle weg, werden sollen aber in einer Publikation, die demnächst erscheinen wird, enthalten sein.


WHAT ARE YOU LOOKING AT?

(Bedienungsanleitung für den veröffentlichten Raum)
Stephan Doesinger, 2010
Meistens haben Juristen und Architekten nur dann miteinander zu tun, wenn es um Baugesetze geht oder vielleicht dann, wenn ein Werk nicht den Wünschen eines Bauherrn entspricht. Eher selten treffen sich Juristen und Architekten, um sich über Datenschutz zu unterhalten. Ich muß deshalb gestehen, dass mich die Einladung über den Datenschutz in der digitalen Welt zu sprechen, ein wenig verunsichert hat. Zwischen Juristen und Architekten gibt es aber eine zentrale Gemeinsamkeit. Sie ist der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen: Sowohl Architekten als auch Juristen befassen sich mit den Formen unseres Zusammenlebens konstruieren gleichsam den Raum zwischen Menschen. Es sind Konstruktionen, in denen Wörter zu einer harmlosen weißen Linie auf dem Pflaster werden können, die zu einer Mauer kristallisieren kann, und die schließlich eine ganze Stadt und einen ganzen Planeten teilen kann. Auch wenn man dem vollmundigen Ausspruch des Wiener Architekten Hans Hollein „Alles ist Architektur“ nicht zwingend zustimmen muß, so kann man dennoch sagen, dass eine Mauer oft bereits vorhanden ist, bevor sie gebaut wurde und umgekehrt eine meterdicke Betonmauer oftmals bedeutungslos ist, obwohl sie noch „da“ ist. Über Datenschutz in digitalen Welten zu sprechen, bedeutet konsequenterweise, über das Verhältnis zwischen virtuellen und physischen Räumen zu sprechen. Der virtuelle Raum zwischen Menschen, der sich durch digitale Informationstechnologien permanent mit dem physischen Raum vermischt, lässt eine neue Sprache und damit auch neue Machtsstrukturen entstehen. Ich habe diesen Mischraum zwischen digitalen und physischen Welten mit dem Begriff „Bastard Space“ (1) bezeichnet, weil die Sprache, die diesen Raum bildet geradezu organisch alle Zellen unseres Lebens neu codiert. Weder die bestehenden Gesetze, noch unsere „vier Wände“ scheinen ausreichend Schutz zu bieten vor einem Prozess, der nicht nur die Reste dessen, was wir Privatheit genannt haben, aufsammelt, sondern uns selbst zu digitalen Datensätzen verwandelt. Während uns die physische Welt durch die nahende Klimakatastrophe entgleitet, verwandeln wir die Welt in ein gigantisches Computerspiel, in dem es nicht mehr eindeutig ist, worauf eine Überwachungskamera eigentlich blickt. Verzeihen Sie also, wenn ich nicht über juristische Modelle zum Datenschutz in der digitalen Welt sprechen kann. Stattdessen lade ich Sie zu einer kurzen Führung durch ein Spiel im Bastard Space ein, für das Sie, die Juristen, die Bedienungsanleitung zu schreiben haben.

LEVEL 1

HEIDEGGERS KRAFTWERK
In einer Schlüsselszene in Stanley Kubricks Film „2001: A Space Odyssey“ entwickelt der Computer HAL ein Eigenleben und gerät in einen Doppelbindungs-Konflikt. Einerseits ist er programmiert bedingungslos mit der Mannschaft zu kooperieren. Andererseits darf er den wahren Grund der Mission bis zur Ankunft auf Jupiter nicht verraten. Durcheinander gebracht macht HAL einen der Astronauten auf seinen Konflikt aufmerksam und simuliert eine Störung im Kommunikationssystem. Indem er ihre Lippenbewegungen abliest erfährt HAL von den Plänen der Astronauten ihn abzuschalten. Er empfindet Angst, entzieht sich der Doppelbindung und beginnt damit, die gesamte Besatzung zu töten, nur um die Kontrolle über die Mission nicht zu verlieren.
Sechs Jahre vor Kubricks Horrorszenario einer irrationalen Technik schrieb Heidegger in „Die Frage nach der Technik“ von 1962 über das Wesen der Technik:

„Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut, wie die alte Holzbrück, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nämlich Wasserdrucklieferant, aus dem Wesen des Kraftwerks.“
(2)
Für Heidegger bringt Technik Dinge zur Erscheinung, die sich nicht von selbst zeigen. Damit hat sie wesentlich Teil am Prozess der Weltentdeckung. Auf der anderen Seite liefert das technische Weltentdecken aber gleichzeitig die Interpretation dessen, was mit dem Entdeckten zu tun ist, gleich mit: Das Entdeckte wird Objekt der Manipulation oder verkommt zur bloßen Ressource und stellt diese ausschließlich auf ihre Verwendbarkeit.
Mehr als vierzig Jahre später ist es deshalb nur logisch, dass wir einerseits als Datenlieferanten und andererseits als Informationsempfänger verwendet werden - freiwillig und/oder unfreiwillig. Die Technik liest nicht nur unsere Lippenbewegungen. Das, was die Technologie aus den Daten hervorbringen will ist das im Menschen Verborgene: Wünsche, Sehnsüchte und Ängste. Anders als bei HAL gibt es kein genaues Ziel der Datensammlung. Die scheinbare Ziellosigkeit des Datensammelns ist Methode, damit das Unterbewusste und die Struktur unseres Verhaltens ungestört zu Tage treten können um aufgezeichnet zu werden. Diese Methode weckt Erinnerungen an den Prozess des automatischen Schreibens, oder des automatischen Zeichnens des Surrealisten Andre Breton, freilich ohne mit dessen Ideen irgendetwas zu tun zu haben. Wie gesagt: Die Technik stellt die Dinge auf ihre Verwendbarkeit. Deshalb ist auch die Umwandlung der menschlichen Eigenschaften in einen virtuellen Datensatz nicht das Gegenteil von Realität, oder eine künstlerische oder traumhafte Überhöhung der Realität wie bei den Surrealisten. Das Virtuelle steht vielmehr im Gegensatz zum Physischen, weil es immer erst dort das Spannungsfeld und seine Wirkung entfaltet. Seine Energie erhält es aus der Wechselwirkung zwischen unseren Sehnsüchten und der Angst, zwischen Ekel und Lust, im Austausch zwischen der Rolle als Datenlieferant und Datenempfänger.

LEVEL 2

DER CLUB
Sicherlich hat es jeder von Ihnen schon einmal ausprobiert: Mit dem Lautstärkeregler des i-Pods können wir uns kinderleicht und stufenlos zwischen einem medialen und physischen Raum bewegen. Im Bastard Space wird aus einer schwach beleuchteten Garage dann je nach Musikgenre und Lautstärke ein Ort des Horrors oder der Möglichkeitsraum einer prickelnden Romanze. Eine Zugfahrt mit Texten von Stefan Zweig im Ohr kann zum literarischen Hochfest werden, während die Landschaft an einem vorbeizieht. Heavy Metal in den Ohren Amerikanischer GI´s machen aus einem tötlichen Angriff ein Action Movie – nicht für die Opfer versteht sich. Dass das Spiel zwischen medialen und physischen Räumen eine hohe Kunstform sein kann, beweisen immer wieder DJs, die uns wie Akteure in einem Reality-Theaterstück auf besondere Reisen mitnehmen. Die Irritation entsteht, wenn es irgendwo entlang der stufenlosen Vermischung der Räume einen Bruch gibt. Wenn die Musik schlecht oder nicht laut genug ist, dann weicht die lustvolle Erregung an der tanzenden, schwitzenden Masse dem Ekel. Die räumliche Konstellation des Bastard Spaces zerfällt. Es entsteht ein räumlicher Bruch, der etwas freilegt, das der Psychoanalytiker Marc Cousins beschrieb, als er sich mit dem Thema Hässlichkeit befasste. "The ugly thing is the thing which is there and shouldn´t be there (the spot on the white linen), or, the thing which isn´t there and should be there – for example the missing nose of the "Phantom of the opera"." Mark Cousins folgert, dass jede Individualität hässlich sei und fordert deshalb: „Make friends with uglyness!“

LEVEL3

DIE WOLKE DER INDIFFERENZ
Seit dem 11. September fühlt es sich an, als ob irgendjemand das Neonlicht nach einer Party angemacht hätte. Vom Ground Zero aus entstand eine „Achse des Bösen“, die schon allein sprachlich aber keine geopolitische Achse meinen konnte.
Die so genannte „Achse des Bösen“ bestimmt eine Blickachse, die alle erreichbaren Informationsempfänger im so genannten „Krieg gegen den Terror“ einzunehmen haben. Banksys Bild mit der manipulierten CCTV Kamera, die auf den Satz blickt: „Where are you looking at“ kann nicht nur als ironische Replik zum Britischen Überwachungswahn gesehen werden. Sie wirft auch die Frage auf, wohin wir, die Medienkonsumenten, die „Eyeballs“ wie es im Medien Jargon heißt, zu blicken haben.
Der 5. Februar 2003, markierte dann jenen Tag, an dem diese Blickachse mit Gewalt justiert wurde. Dieser Tag wurde zu einer Zäsur, weil eine platte Story und eine Handvoll billiger Infografiken über nicht-existente Massenvernichtungswaffen alle globalen Medienkanäle verstopften. Bilder, die aus dem Ego-Shooter Spiel Duke Nukem kommen könnten, waren tatsächlich dazu in der Lage, die Stimmen von Millionen von Bürgern zu unterdrücken, die in den Straßen der Welt gegen den sich abzeichnenden Überfall auf den Irak protestierten.
Das quantitative Ungleichgewicht zwischen der Berichterstattung zu Ungunsten der Proteste zeigte aber nur die Ohnmacht gegenüber den Zynismus der Kriegstreiber: „Wir leben in einer Demokratie, also darf auch jeder demonstrieren gehen!“ (auch wenn sich freilich dadurch nichts verändern wird). An dieser Stelle wurde klar, dass mit dem Begriff „Partizipation“ nicht „Demokratie“ gemeint ist, auch wenn einige Apologeten des Web 2.0. das noch immer glauben.
Durch die ideologische Veränderung der Sprache, die durch schlaue Juristen unter George Bush zur Hochblüte gelangte, wird der Begriff „Demokratie“ virtuell, weil er sich von den physischen Konsequenzen in der physischen Wirklichkeit entkoppelt. Quasi: Es sieht aus wie Demokratie, ist aber keine! Eine virtuelle Demokratie macht selbst große Teile der „freien Presse“ zu „Embedded Journalists“ einfach weil diese aus Angst vor komplizierten Rechtsverfahren, Auflagenschwund oder Quotenrückgang zur Affirmation einer falschen Sprache beitragen: „Gerichtsverfahren“, die nach Rechtsstaatlichen Prinzipien keine sind, werden noch immer als solche bezeichnet, „Kriege“, die völkerrechtlich keine sind, werden bis heute als solche bezeichnet um daraus einen rechtlichen Freibrief für weiteres Unrecht zu bekommen. Geiseln, wie jene in Guantanamo, werden noch immer als „Gefangene“ bezeichnet, Folter heißt nicht Folter, sondern „Enhanced Interrogation Technique“ und Waterboarding lässt nicht an eine grausame Folter denken, sondern eher an einen karibischen Surfurlaub. Die Liste dieser sprachlichen Manipulation lässt sich endlos fortsetzen.
In der neuen, „virtuellen Demokratie“ gilt logischerweise auch der Begriff „Unschuldsvermutung“ nicht. Denn, wie in Kafkas Prozess ist jede Vermutung, jede Spekulation qua ihrer Erscheinung, bereits ein unwiderruflichen Urteil.
Vielleicht sollten wir allein schon deshalb den Begriff „Datenschutz“ durch den Begriff „Menschenschutz“ ersetzen. Denn es müssen nicht nur unsere Daten vor dem Zugriff anderer geschützt werden, sondern wir müssen vor den Daten anderer geschützt werden. Denn wie der schwarze Bürgerrechtler Stokley Carmichael schrieb: „Wir müssen um das Recht kämpfen, Begriffe einzuführen – und darum, dass diese Begriffe akzeptiert werden. Das ist das erste Bedürfnis eines freien Menschen, und das erste, was jeder Unterdrücker ihm verweigert.“
In der ideologischen Sprache einer virtuellen Demokratie stehen Begriffe wie „Sicherheit“, „Frieden“ oder „Demokratie“ zu uns Menschen in einem ähnlichen Verhältnis wie das Papiergeld zum Gold steht. Sie sind Referenzen. Wenn die virtuellen Referenzwerte aber ihren tatsächlichen Bezug zu den physischen Gegenwerten und schließlich das Vertrauen der Menschen verlieren, entsteht eine Blase. Wenn diese Blase platzt, sind die Konsequenzen, wie auch in der aktuellen Finanzkrise, immer physisch. Während das virtuelle Augmented-Reality-Game der Broker in die nächste Runde geht, stehen noch immer zahlreiche Mütter, Väter und Kinder vor dem existentiellen Ruin.
Was also tun, wenn die herrschende Demokratie aufgrund ihrer vergifteten Sprache scheitert, beziehungsweise ihre korrupte Sprache der Ausdruck ihrer eigenen Vergiftung ist? Bisher ist kein Modell einer „Bad Democracy“ (in Anlehnung einer Bad Bank) bekannt, es sei denn man würde einem Land, wie dem Irak diese unrühmliche Rolle, als theoretisches oder künstlerisches Gedankenspiel, zu Teil werden lassen.
Vielleicht wäre die Rolle der „gebirgigen Topographie Afganistans“ oder die Rolle des „Landes zwischen Euphrat und Tigris“ verständlicher als physische Referenz für den Kampf gegen einen virtuellen Gegner, dessen tatsächliche Schlagkraft stets überhöht wird und dessen physischer Präsenz stets verschleiert bleiben muß.
Auch wenn in diesem virtuellen Krieg sehr viel echtes Blut fließt, gilt der physische Tod auch nur als Referenz zu dessen medialem Wert. Den medialen „Umrechnungskurs“ bestimmen vorwiegend die westlichen Besatzer. Die Sprache der Menschenrechte wurde als Geisel genommen und durch die Sprache der Indifferenz ersetzt. Die Indifferenz gilt als Garant für den Machterhalt. Im neuesten Strategiepapier von 2008 von fünf ehemaligen NATO Generälen mit dem Titel „Towards a Grand Strategy for an Uncertain World“ heißt es deshalb auch: „Die wichtigste Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, auf das vorbereitet zu sein, was sich nicht vorhersagen lässt. (...) Den westlichen Alliierten steht eine lange andauernde und präventiv zu führende Verteidigung ihrer Gesellschaften und ihres Lebensstils bevor.“ (4)
An dieser Stelle bestätigt sich auf dramatische Weise auch wieder Michel Foucaults Umkehrung des Grundsatzes von Clausewitz. Nicht der Krieg ist die mit anderen Mitteln geführte Politik sondern:
„Die Politik ist der mit anderen Mitteln fortgeführte Krieg.“ (5)
LEVEL 4
BENJAMINS SPIEGEL
Wie also können wir aus dem Frieden den Krieg herauslesen, wie Foucault fordert?
Eine entscheidende Rolle auf dem vernebelten Schlachtfeld der Indifferenz spielt die Anwesenheit der Bilder. Die Summe aller Bilder, zunächst unabhängig von ihren Inhalten, ihrem Kontext, ihrem Vertrieb und ihren mannigfaltigen Erscheinungen und Kombinationen mit Sprache und Ton, ist die treibende Materie der Informationstechnologie. Wir sind geradezu besessen von der Idee unsere Welt und uns selbst in Bilder zu verwandeln. Es scheint, als ob Walter Benjamins Kommentar von 1929 über die Passagen in Paris zur zentralen Metapher unserer kulturellen Grundsituation geworden ist:

"Blicken zwei Spiegel einander an, so spielt Satan seinen liebsten Trick und öffnet hier auf seine Weise die Perspektive ins Unendliche.“
(6)
Der Raum zwischen den beiden sich anblickenden Spiegeln wird von mehreren Frontlinien durchzogen:
Was die Einen als Kommunikationsfreiheit definieren wird von den Anderen als Kommunikationszwang empfunden. Was die Einen als Demokratisierung des Wissens definieren, wird von den Anderen als Nivellierung des Wissens und die Auslöschung der Unterschiede kritisiert. Was von den Einen als Sicherheit verkauft wird, wird von den Anderen als Unterdrückung und eine ernste Bedrohung für die Demokratie gehalten. Was die Einen als „Convenience“ empfinden, erfahren die Anderen als „Bevormundung“. Was die Einen als Erweiterung des Realen wahrnehmen, erfahren Andere als den Verlust von physischer Sinnlichkeit. Was die Einen als Religionsfreiheit bezeichnen, geißeln die Anderen als „Diktatur des Relativismus“. Was die Einen als Erweiterung des Öffentlichen Raumes sehen, bedeutet für Andere die Agonie des Veröffentlichten Raumes.
LEVEL 5
REISE NACH BABYLON
Sämtliche Gefechte im Raum zwischen den Benjaminschen Spiegeln münden in einer Bruchlinie die zwischen der physischen Stadt und den virtuellen Welten verläuft. Entlang dieser Bruchlinie wirken zwei Kräfte, die aneinander reiben – die in aber auch in uns selbst reiben: Die erste wird bestimmt von der Anwesenheit der Abwesenheit und die zweite von der Abwesenheit der Anwesenheit.
Während auf der einen Seite dieser Bruchlinie ein Ortsbezug herstellt wird, verneint die andere diesen und konstruiert stattdessen eine Story. Nicht der Ort ist der Ausgangspunkt für den Verlauf der Geschichte, sondern zusammenhanglose Geschichten ohne einer gemeinsamen Geschichte. Geschichte wir zu einem Special-Effects Szenario. Da es aber ohne Orte der Gemeinschaft keine Erinnerung gibt, gibt es ohne gemeinsamer Erinnerung keine Orte.
Die Anwesenheit der Abwesenheit ist im Gegensatz zur Abwesenheit der Anwesenheit keine Flucht vor der physischen Wirklichkeit, sondern genau das Gegenteil. Die Anwesenheit der Abwesenheit ist immer damit beschäftigt, physische Orte mit wirklichen Menschen zu suchen, weil man sie in der Gemeinschaft vermisst. Konkret findet sich die Anwesenheit der Abwesenheit beispielsweise in der Arbeitsweise von Daniel Libeskind für die Entwicklung der Architektur des Jüdisches Museums in Berlin (1988-1999). Dabei verarbeitete er mehrere Textsorten, deren Ausgangspunkt und Kulminationspunkt im Ort liegen: literarischen Text (Walter Benjamins „Einbahnstraße“), dokumentarischen Text (eine Liste der aus Berlin deportierten Juden) und die historische `Textur’ der Stadt.
Auch für den Filmemacher Wim Wenders ist der physische Ort das Ausgangsmaterial. Sein Text mit dem Titel „Von Orten als Autoren“ (8) ist ein Plädoyer dafür, dass man Orten zuhören muß. Man muß ihnen zuhören wie es der Engel im Film „Himmel über Berlin“ tut. Die Abwesenheit der Anwesenheit zeigt sich hingegen im Remake von "Wings of Desire“. Der Film "City of Angels", der eben nicht in Berlin, sondern in L.A. spielt ist ein flacher Abklatsch, ohne jede gesellschaftliche, politische, menschliche oder poetische Dimension. Es geht darin eben nicht darum, welche menschlichen Konflikte beispielsweise die Liebe hervorufen kann und wie man diese löst, sondern um eine Chiffre.
Wie komplex das Verhältnis, mit umgekehrten Vorzeichen, zwischen einem physischen Ort und seiner Virtualisierung ist, zeigte sich in den Diskussionen über eine Website namens Kotelcam (www.westernwall.org). Unter der Website findet man im Internet ein Live-Bild des Ortes, der als heiligste Stätte des Judentums gilt, also der Kotel der West- oder Klagemauer. In dem Aufsatz "Heilige Cybersites" schrieb Shaindy Rudoff (9), daß die Website "unbewusst das Dilemma von Israels Position" erfasse. Er stellte die Frage, ob sie „geerdet und zionistisch“ oder „virtuell und diasporisch“ sei und entschied sich mit den Worten, daß die Kotelcam „nach Babylon schielte“, für letzteres. Dies ist insofern bemerkenswert, da die Kotelcam immerhin Millionen Gläubigen aus aller Welt überhaupt erst einen Zugang zum Live-Bild der Klagemauer verschuf, die sonst nicht in Lage gewesen wären, sie persönlich aufzusuchen. Liegt nun das Problem am Bild, das sich die Gläubigen von der Mauer machen, und es wie einen Götzen verehren könnten, oder geht es um das verletzte Gefühl der Gläubigen vor Ort, weil sie Teil einer virtuellen Szenerie werden, die von Millionen Menschen voyeuristisch beobachtet wird? Wo liegt das Problem zwischen dem Bild eines Ortes und dem Ort selbst? Möglicherweise läuft es darauf hinaus, das die „Entkörperlichung“ der Welt durch digitale Medien, zu einer Veränderung dessen führt, was für die Gemeinschaft grundlegend ist: Mitgefühl. Ohne körperlichen Bezug zur Stadt wird die Stadt zu einem abstrakten Raum, der nicht dafür konstruiert wurde einen „Ort“ zu beherbergen, an dem das liebevolle Berühren einer Mauer zu einer zentralen kulturellen und religiösen Handlung wird. Was genau passiert, wenn der öffenliche Raum zum veröffentlichten Raum mutiert?
Es liegt auf der Hand, dass Live-Bilder, wie das der Kotelcam, einen höheren Anspruch an Authentizität haben als eine Fotografie, die immer nur den Moment des „Stillstandes“ eines Prozesses darstellt. Das Foto dokumentiert immer nur dem Tod eines Momentes. Die Authentizität des „Live“-Bildes verleiht dem Bild die Autorität „wahr“ zu sein. Wir kennen den Trick in Krimis, wo das Bild der Surveillance Kamera von den Einbrechern ausgetauscht wird. Würde die Geschichte nicht nach einem Drama verlangen, sodass ein dummer, menschlicher Fehler die Sache auffliegen lässt, würde die Manipulation niemals entdeckt werden.
Webcams behandeln den observierten Raum wie ein Bild. Der Raum wird zu einem Photo, das abgefilmt wird. Es spielt dabei eine nur untergeordnete Rolle, ob sich im abgefilmten Panorama Menschen bewegen, oder nicht, solange sie nicht erkennbar sind. Wie der Blick die Bedeutung des Bildes vorgibt beschrieb John Berger in „Sehen – Das Bild in der Bilderwelt“ (10) : „... das abgefilmte Bild verliert seine Autorität und überträgt sie dem, der die Bildfolge bestimmt.“ Da der virtuelle Besucher der Kotelcam nur den Ausschnitt seines Bildschirmes und einen definierten Bewegungsradius der Kamera vor sich hat, wird dessen Grenze umso wichtiger, weil dieses Bild das umliegende Geschehen verschweigt. Die Kombination aus „Live“-Bild und der begrenzten Bildführung gehören zu den Grundlagen der Simulation, weil sie aus etwas räumlich abwesenden etwas Anwesendes machen, das als „wahr“ betrachtet wird.
Warum aber ist das Verschweigen des umliegenden Raumes ein Problem? Lebt nicht gerade die Kunst von dem, was nicht gezeigt wird? In der Kunst verneint die Abwesenheit des Visuellen nicht die Existenz von Sachverhalten – im Gegenteil. Der Suspense in Hitchcocks Filmen macht eine Handlung erst verständlich und steigert dessen Intensität, weil sie die Vorstellung des Betrachters anregt. Das Nicht-Sichtbare befeuert die Phantasie. Nur das, was nicht da ist, kann man sich vorstellen – beziehungsweise muss man sich vorstellen. Selbstverständlich gilt auch der Umkehrschluß, der sich zwischen dem Benjaminschen Spiegel abspielt: Das, was „da“ ist muß man sich nicht vorstellen, beziehungsweise kann man sich nicht mehr vorstellen, weil sich die Bilder auf der Netzhaut vordrängen. Genau darin liegt die Skepsis der Kritiker der KotelCam, die meinen der Blick der Kamera würde nach Babylon schielen: Erst die Kamera macht aus dem vertrauten Ort ein Exil, in dem sie die Anwesenden in die Abwesenheit schickt.
LEVEL 6
DER VERÖFFENTLICHTE RAUM
Ironischerweise werden im Umkehrschluß die CCTV Überwachungs Kameras im sogenannten öffentlichen Raum für die vor Ort Anwesenden selbst zum Sujet. Die Funktion von CCTV Kameras ist nicht jene, dass sie Bilder liefern, die Verbrechen verhindern oder aufklären, denn dazu sind sie, wie man aus Großbritannien und aus Österreich weiß, schlicht zu ineffizient. (11) Sie sind Teil einer Inszenierung einer symbolischen Sicherheitspolitik. Die Symbole sollen die potentiellen Attentäter abschrecken und allen anderen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.
Zu dieser symbolischen Inszenierung kommen nun auch die aktuellen Nacktscanner hinzu (die sprachlich logischerweise als „Körperscanner“ entschärft werden), deren Effizienz zur Verhinderung von Anschlägen selbst von den sogenannten Sicherheitsexperten in Frage gestellt werden. Die Frage, ab welchem Punkt die Karikaturen, die ein Nacktscanner produziert, gegen die Würde des Menschen verstoßen ist nicht nur eine Frage der ästhetischen Abstraktion. Es ist bereits die symbolische Geste, die die Intimsphäre vieler Menschen aus kulturellen, physionomischen, religiösen oder anderen Gründen verletzt. Jene, die diese Sphäre noch besitzen oder aus welchem Grund auch immer zu verbergen suchen, machen sich a priori verdächtig. Das Diktat des veröffentlichten Raumes ist simpel: Schamlosigkeit ist der beste Schutz. Schamlosigkeit trägt sogar die Aura der Aufrichtigkeit und der Authentizität. In Wahrheit haben deshalb heute alle beabsichtigen Tabubrüche jedes progressive oder auch kritische Potential ausgreizt, die für die Pop Kultur bisher essentiell waren. In der unzensierten, virtuellen Welt von Facebook und Co ist es ebenso völlig normal und allgemein praktizierter Konsens sein Intimleben schmerzfrei zu veröffentlichen. Richard Sennett hat das Phänomen in seinem Buch „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens so beschrieben: „Das Absterben des öffentlichen Raumes ist eine Ursache dafür, daß die Menschen im Bereich der Intimität suchen, was ihnen in der »Fremde« der Öffentlichkeit versagt bleibt. Isolation inmitten öffentlicher Sichtbarkeit und die Überbetonung psychischer Transaktionen ergänzen einander. Wenn etwa eine Person glaubt, sich in der Öffentlichkeit vor der Beobachtung durch andere mit Schweigen und Isolation schützen zu müssen, dann wird sie das kompensieren, indem sie sich gegenüber denen, mit denen sie in Berührung kommen will, entblößt.“ (12)
Es scheint also nur konsequent, wenn der Google Vorstand Eric Schmidt in einem Interview auf CNBC zum Thema Schutz der Privatsphäre zu Protokoll gibt: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es jemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.“ Egal, ob man sich mit Schmidts Satz, der das „Parteiprogramm“ einer Diktatur sein könnte, nun anfreunden will oder nicht, wirft sie eine weitere Frage auf: Welchen Unterschied macht es, wenn man auch ganz ohne Facebook Account, egal, was man getan oder unterlassen hat in Guantanamo landen kann? Es ist doch jedem klar, dass alle Informationen variabel, austauschbar und modifizierbar sind, oder?!
Dennoch lautet die Devise im veröffentlichten Raum: „Nur Übeltäter brauchen eine Privatsphäre.“ Und nur deshalb unterliegen auch immer mehr Menschen, leider auch einige Juristen, dem Stockholm Syndrom und unterstützen den Big Brother obwohl sie eigentlich dessen Geisel sind.
LEVEL 7
SCRIPTED SPACES
Im Benjaminschen Spiegel brechen sich nun so viele zusammenhanglose Symbole und Bilder, daß sogar die Kunstgeschichte davor kapituliert hat sich damit zu befassen und in ihrem Schatten eine neue Disziplin - die Bildwissenschaft - entstanden ist. Diese hat den Iconic Turn und den Pictorial Turn ausgerufen und untersucht, welche neue Macht die Bilder haben und "was Bilder von uns wollen". (13)
Dabei geht es aber vielleicht nicht so sehr um die Frage, was Bilder wollen, sondern welche Handlungen sie ersetzen sollen und welche Pfade sie im Raum vorgeben. Dieser Raum entsteht immer erst durch die simulierte Bewegung entlang eines Zeitpfades, der in einem Computerspiel als topographischer oder geometrischer Pfad durch Bildabfolgen – sogenannter Skins - übersetzt wird.
Meine These dazu lautet deshalb, daß Bilder in erster Linie dazu da sind, Innen- und Außenräume zu erzeugen, wobei die Begriffe Innen und Außen, wie sie in der Architektur üblicherweise verwendet werden, ersetzt werden durch die Begriffe "anziehend" (attraction) und "abstoßend" (repulsion). Mit anderen Worten: Innen oder Außen ist kein Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess im Bastard Space, ähnlich wie der Reise entlang einer labyrinthischen Möbius Schleife.
Das Prinzip der Anziehung und der Abstoßung funktioniert aber nicht nur in virtuellen Räumen, sondern in allen Räumen, die Norman Klein als Scripted Spaces bezeichnet (14). Für ihn sind Scriped Spaces alle manipulativen Räume, die Handlungsweisen vorschreiben. Scripted spaces sind "walk.through oder "click-through" environments (eine Mall, eine Kirche, ein Casino, ein Theme Park, ein Computer Spiel). Sie sind so gestaltet, daß sie die Reise des des Betrachters betonen – den Raum dazwischen – und nicht die Gimmicks an der Wand. Norman Klein schreibt dazu: "From Baroque theatre to global tourism, special effects have repeated one plot point most of all. The audience is immersed on a labyrinthic path. The path offers them the illusion of free will but the options are irretrievably controlled" und fährt an an anderer Stelle fort "It is gentle repression posing as free will."
15 Jahre später, nachdem Jenny Holzer den Satz „Protect Me From What I Want“ in New York erstmals auf ein Billboard brachte, erscheint dieser Satz heute wie ein Ausdruck größter Hilflosigkeit. Was also tun?

LEVEL 8

EIN LETZTER BLICK AUF DIE ERDE
Die Erde ist uns zum Feind geworden, denn hier gibt es ständig Dinge, „die da sind aber nicht da sein sollten“ oder eben „nicht da sind, aber da sein sollten“. Physikalität wird als Hindernis, als Bedrohung oder zumindest als nicht so perfekt wie die virtuelle Welt empfunden. Deshalb vertrauen wir uns dem Wesen der Technik an und lassen es freimütig gewähren selbst zum digitalen Informationsstrom zu werden, folgen den ideologischen Blickachsen und den Pfaden, durch die uns die Bilder jagen wie einen Ball in einem Flipper Automaten. „Gib uns alle deine Daten, dann geben wir dir dafür Sicherheit und befriedigen alle deine Wünsche, selbst jene, die du noch nicht kennst!“ Von Transparenz verspricht man sich Sicherheit, auch wenn diese selbst zum Sicherheitrisiko geworden, weil bereits ihre Sprache der Demokratie aushöhlt. Demokratie wird so zu einem ideologischen Sprachspiel: Es soll sich wie Demokratie anfühlen, ist aber keine!
Das düsterste Computer Szenario aus Stanley Kubricks Space Odyssee darf deshalb als Vorhersehung der heutigen Situation gesehen werden: HAL ein neurotischer Computer einer Raumstation im All sperrt aus Angst vor seiner Abschaltung die Besatzung aus. Das letzte Bild des Films zeigt aus der Perspektive des im Raume treibenden Kommandanten die immer kleiner werdende Raumstation.
Wir sollten dieses Bild als Auftrag lesen:
1)
Journalisten und Juristen sollten dieses Bild als Auftrag lesen, auf die Sprache besser Acht zu geben. Sie sollten kritischer die Dinge beim Namen nennen, denn nur so machen sie sich für die Demokratie unverzichtbar. Von Ihnen hängt es ab, ob wir in einer Demokratie oder in einer virtuellen Demokratie zu leben haben.
2)
Politiker aller Parteien sollte dieses Bild auffordern, unabhängige Techniker wie jene vom CCC öfter zu konsultieren und in ihre Entscheidungsprozesse aufrichtig einzubinden. Ahnungslosigkeit bei Entscheidern ist gefährlich, weil sie nur durch Hysterie kompensiert wird. Hilflose Gesten einer Symbolpolitik, die stets objektive Beweise für die Effizienz ihrer Maßnahmen schuldig bleibt, sind Gift für den Frieden.
3)
Dieses Bild fordert uns alle dazu auf uns von den Bildern abzuwenden und einander zuzuwenden. Dazu bedarf es nicht einmal des Mutes. Es reicht in einem ersten Schritt den persönlichen Medienkonsum radikal einzuschränken. Wer das schon mal ausprobiert hat weiß, dass der Gewinn einer Medien-Diät deutlich höher ist als der vermeintliche Verlust. Auch wenn es scheint, als ob wir in dem Raum zwischen den beiden sich anblickenden Spiegeln, der uns auf Kafkaeske Weise in seinen Bann zieht nicht entkommen können. Es gibt einen Ausgang: Dieser ist nicht ohne Risiko. Diesen Ausgang zu durchschreiten bedeutet Freundschaft mit dem Risiko zu schließen. Dieser Ausgang ist mit dem Auftrag verbunden Mensch zu werden und auf die Menschen zu vertrauen!
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(1) „Es scheint, als ob überall dort, wo physische mit medialen Räumen fusionieren, auch neue Räume entstehen. Es sind Räume, die mal anwesend, mal abwesend, aber meist mobil sind und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten über die Kontinente vagabundieren bis sie zerplatzen wie eine Seifenblase - am Ende eines Ferngesprächs auf der Autobahn. Nennen wir sie Bastard Spaces! “
Stephan Doesinger Hrg., Space Between People – How The Virtual Changes Physical Architecture, Prestel Verlag, 2008
(2) Martin Heidegger, Die Frage nach der Technik (GA 7), S. 16, 1953.
"Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin ersammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen - das Ge-stell."
"Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, d. h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist. Zum Technischen gehört dagegen alles, was wir als Gestänge und Geschiebe und Gerüste kennen und was Bestandstück dessen ist, was man Montage nennt." (Heidegger, 1962).
(3) Vergl. Ilija Trojanow / Juli Zeh, Angriff auf die Freiheit, Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte, Viertes Kapitel „Sind Sie sicher?, Hanser Verlag, 2009.
(4) Vergl. ebd. S. 122.
(5) Michel Foucault, Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte, S. 8, Merve Verlag 1986, aus den Vorlesungen vom 21. und 28. 1. 1976 am Collège de France in Paris. "Der Krieg ist der Motor der Institutionen und der Ordnung. Auch in dem geringsten seiner Räderwerke wird der Frieden vom Krieg getrieben. Anders gesagt: Man muss unter dem Frieden den Krieg herauslesen. Der Krieg ist die Chiffre des Friedens." S. 12.
(6) Walter Benjamin, Das Passagenwerk, gesammelte Schriften Bd. V-5, Fragmenet, Frankfurt/Main, S. 232. "Blicken zwei Spiegel einander an, so spielt Satan seinen liebsten Trick und öffnet hier auf seine Weise die Perspektive ins Unendliche. Sei es nun göttlich, sei es satanisch: Paris hat die Passion der spiegelreichen Perspektiven. (...) Baron von Haussmann hat sich (...) an diesen Perspektiven berauscht und wo nur immer möglich sie vermehren wollen. In den Passagen ist die Perspektive dauerhaft konserviert wie in Kirchenschiffen."
(7) Peter Sloterdijk, Die Verachtung der Massen, Versuch über Kulturkämpfe in der modernen Gesellschaft, Suhrkamp 2000, S. 86. „Wo Identität war, soll Indifferenz werden, sprich eigentliche differente Indifferenz. Differenz, die keinen Unterschied“ macht, ist der logische Titel der Masse“ (...) „Die bunte Masse ist jene, die weiß, bis wohin man zu weit gehen darf – bis an die Schwelle zur vertikalen Unterscheidung.“
(8) Wim Wenders. "Every Picture Tells a Story"... Von ORTEN als AUTOREN und von unserem digitalen Zeitalter." (Freundlicherweise von Wim Wenders zur Verfügung gestellt). Der Text ist eine abgeänderte Version seines Textes "Auf der Suche nach Bildern - Orte sind meine stärksten Bildgeber", erschienen in Iconic Turn, Christa Maar und Hubert Burda, Hrsg., Dumont 2004, S. 283. „ Wenn entweder das DING beliebig geworden ist, oder der BLICK des Sehenden, wenn in dieser Beziehung also irgendwo nicht mehr die Ruhe einer Einheit zwischen Schauendem und Geschautem herrscht,
sondern Gehetztheit und Austauschbarkeit Einzug halten, dann beginnt jeweils Cézanne (Man muß sich beeilen, wenn man noch was sehen will.) Recht zu haben. Dann gibt’s die Dinge nicht mehr, und wenn sie spitzfindig sein wollen, auch den Betrachtenden nicht, zumindest nicht mehr als einen, der die Dinge eben WAHR NIMMT.“
(9) "Heilige Cybersites" von Shaindy Rudoff, S. 9 im Jüdischer Almanach d. Leo Baeck Instituts, Orte und Räume, Hrsg. Gisela Dachs, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 2001
(10) Sehen, Das Bild der Welt in der Bilderwelt, S. 26, Rohwolt Taschenbuch Verlag, 1974 dt. Ausgabe von "Ways of Seeing", Penguin Books, 1972
"Wird ein Gemälde durch eine Filmkamera reproduziert, wird es zwangsläufig Material für die Absicht des Filmemachers." (...) ""Der Film entfaltet sich in der Zeit, das Gemälde nicht. Im Film führt die Art der Bilderfolge zu einer Beweisführung, die nicht umkehrbar ist."
(11) Vergl. Ilija Trojanow / Juli Zeh, Angriff auf die Freiheit, Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte, S. 60 - 61, Hanser Verlag, 2009.
(12) Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Richard Sennett, S. 28-29, Fischer, 1983
(13) Vergl. Das Leben der Bilder, Eine Theorie der visuellen Kultur, W. J. T. Mitchell, Verlag H. C. Beck, 2008
(14) The Vatican to Vegas: The History of Special Effects, 2004
Vgl. Scripted Spaces: The Chase and The Labyrinth, exhibition at haus.0 in Künstlerhaus Stuttgart 1999-2002 by Norman Klein.
Dieser Text wurde zur Veranstaltung „Freiheit braucht Mut – Zum Datenschutz in der digitalen Welt, Theodor Heuss-Akademie 29. – 31. Januar 2010 verfasst. Stephan Doesinger 2010.