What a Wonderful World

Crossing Europe ist zu Ende und neben der Jury hat auch das Publikum seinen Lieblingsfilm in der Kategorie „Competition Fiction“ gewählt. Der Audience Award 2015 geht an What a Wonderful World (Originaltitel: Ce Lume Minunată).

Wer beim ersten Screening des Films anwesend war, der wird wohl sein Leben lang nicht mehr vergessen, wo die unscheinbare Republik Moldau auf der Landkarte zu finden ist. Zu verdanken ist dies nicht nur der Wucht dieses kleinen Films, sondern mehr noch dem Regisseur Anatol Durbală, der besser als Schauspieler und in Moldau als Moderator einer politsatirischen Fernsehshow bekannt ist.

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Ganz in seinem schauspielerischen und komödiantischen Element ist der im Kino anwesende Durbală, als er vor dem Screening beschreibt, wie man fremden Menschen den geografischen Standpunkt seines Heimatlandes beibringt. Weder Moldau noch die beiden von links und rechts angrenzenden Länder Rumänien und Ukraine würde manch einer auf der Landkarte ohne verschämtes Zögern lokalisieren können. So schafft der moldauische Regisseur Abhilfe und erläutert: „Moldova is a small country between Graf Dracula and Chernobyl.

Als sehr viel weniger komisch erweist sich Durbalăs Spielfilm, in dem ein junger, in den USA studierender Moldauer über die Ferien seine Heimatstadt Chișinău besucht und dort durch einen Zufall in die Fänge der tollwütigen Exekutive gerät. In freudiger Erwartung auf ein Skype-Date mit der amerikanischen Freundin holt Petru (Igor Babiac) seinen alten PC-Monitor von einem Bekannten ab und trägt ihn zu Fuß nach Hause. Auf halber Strecke wird er von zwei maskierten Männern niedergeschlagen und abgeschleppt, denn sie halten ihn für ein Mitglied der revoltierenden Regierungsgegner, die kurz zuvor das Parlament in Flammen gesetzt haben und gerade in alle Richtungen flüchten.

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Petru findet sich auf dem Asphaltboden wieder mit dem Gesicht nach unten und einem Schlagstock im Genick. Er findet sich in einer lichtlosen Gefängniszelle wieder, zusammengepfercht mit dutzenden anderen jungen Menschen und keiner Luft zum Atmen. Er wird einen dunklen Flur entlang gehetzt, während links und rechts aufgereihte Handlanger der Staatsgewalt auf ihn einprügeln. Und letztlich sitzt er beim ausweglosen Verhör im Zimmer des Majors, während aus den Nebenräumen markerschütternde Schreie durch die Wände dringen.

Durbalăs Film erzählt nicht nur unfassbar schockierend von einem Mensch, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, sondern schlägt vor allem ein unschönes Kapitel der jüngeren moldauischen Geschichte auf. Im Jahr 2009 liefern sich nach dem unlauteren Wahlsieg der Kommunistischen Partei in der Hauptstadt Chișinău tausende junge Demonstranten blutige Gefechte mit der Polizei. Ein Teil besetzt das Parlamentsgebäude. Die Exekutive greift aufs Härteste durch. Es gibt zahlreiche Verletzte und eine Tote. Dass auch völlig Unschuldige zu Opfern der Polizeigewalt wurden, sei ebenso traurige Tatsache wie der gravierend unmenschliche Umgang mit den jungen Inhaftierten, berichtet der Regisseur im Q&A nach dem Film.

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What a Wonderful World nimmt wie erwartet keinen guten Ausgang. Nach einer visuellen und inhaltlichen Tour de Force trifft uns das Ende wie ein Schlag ins Gesicht, der zwar bereits zu erwarten war, aber dennoch sprachlos und unheimlich wütend zugleich macht. Dass dieser enorm wichtige Film mit seiner Bloßstellung von polizeilichem Machtmissbrauch in Moldau überhaupt realisiert werden konnte und von der Regierung geduldet oder – wie Durbală sagt – eher komplett ignoriert wird, grenzt an ein kleines Wunder.

Regie und Drehbuch: Anatol Durbală
Darsteller: Igor Babiac, Igor Caras-Romanov, Sergiu Bitca, Ion Grosu, Elena Mocanu
Laufzeit: 73 Minuten, gezeigt im Rahmen des Crossing Europe 2015


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