Wetter boykottiert Klimawandel

"Why won't it snow like they said it would", greinte Mark Greaney in Richtung aller Klimaskeptiker, als die Welt noch in Ordnung war. Es wurde immer wärmer und mit jedem Grad wuchs die Aufregung darüber, dass es nie wieder sein würde wie früher, als Rudi Carell verzweifelt fragte, "wann wird es wieder richtig Sommer, ein Sommer, wie er früher einmal war". Der Mann war alt, er erinnerte sich an Zeiten, in denen Europe ein Klima hatte "mit Sonnenschein von Juni bis September und nicht so naß und so sibirisch wie im letzten Jahr".
Als es soweit war, brach Panik aus. Es war zu warm, die Eisbären starben wie die Fliegen und vermehrten sich dabei wie die Karnickel, die Kanzlerin schlüpfte in eine Ersthelferjacke, eilte in die ferne Arktis und appellierte an die Weltgemeinschaft, den Temperaturregler des Globus durch den Verzicht auf Fernreisen umgehend herunterzuleiern. Mojib Latif, einer der Hausheiligen aller Klimafans, erweiterte sein Angebot an Weltuntergangsphantasien mit dem Satz: „In Deutschland gehören klirrend kalte Winter der Vergangenheit an: ‚Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben.“
Nun ist es noch viel schlimmer gekommen. Packte der Winter Zentraleuropa vor zwei Jahrzehnten in der Regel sofort nach der ausgefallenen weißen Weihnacht mit schmuddelfeuchten Ekelfingern, greift er jetzt schon vor dem erstes Weihnachtskalendertürchen ein. Schneemassen, Mörderfrost, ein Kontinent "ganz in weiß" (Roy Black), aber ohne Blumenstrauß.
Jetzt gilt es, jeden Eindruck von Zusammenhang zu vermeiden. Vier Tage nach Beginn des neuesten Welterwärmungsgipfels im mexikanischen Cancún analysiert das Klimafachmagazin Der Spiegel die Wetterlage, ohne das Wort Klimawandel zu verwenden. Der dafür zutreffende Beitrag steht ein Ressort weit weg und argwöhnt, es gebe "Wenig Hoffnung für Klima-Gipfel in Cancún". Wohl weil viele Teilnehmer wegen zugeschneiter Landebahnen und überfrorener Flugzeugtragflächen nicht anreisen konnte.
Wetter boykottiert KlimawandelEs hilft, die Auswirkungen der vermiedenen CO2-Emissionen sind sofort spürbar. Verstummt sind auch die Fußsoldaten der Weltuntergangsberichterstattung. Während die Klimaerwärmung allen wissenschaftlichen Modellen zufolge unablässig voranschreitet, zeigt die unbestechliche Google-Timeline (Grafik oben) einen kaum noch erigierten Klimabalken auf der Aufregungsskala. Das Fachmagazin "Spiegel", das vor einem Jahr noch Hoffnungen auf eine "Blitz-Klimakatastrophe genährt hatte, die "viel schneller" eintreten werde als es "selbst düsterste Szenarien vorhergesagt haben", schweigt zur eingetretenen Verzögerung. Statt Schlagzeilen über Schwitzhitze, die vom nahen Verglühen der menschlichen Zivilisation kündet, gibt es jetzt den "Kälte-Ticker" bei der "Welt" und beim Schwesterblatt "Bild" sogar eine neue Terrorwarnstufe namens "Violett".
Es ist offensichtlich: Als Reaktion auf das Glühbirneverbot im Dienst der CO2-Senkung boykottiert das Wetter selbst den Klimawandel und wirft die Bemühungen der deutschen Politik, das Volk über eine neugeschaffene Urangst vor dem Übermorgen zu einer schwitzenden Gemeinschaft zusammenzuschweißen, um Jahre zurück. Es sei "kein gutes Jahr für Klimaschützer", schreibt die halbstaatliche Nachrichtenagentur dapd kritisch: Vor einem Jahr noch hätten bei der Klimakonferenz in Kopenhagen noch zehntausende Umweltschützer in den Straßen der dänischen Hauptstadt demonstreirt und randaliert, um die Erwärmung zu stoppen, heute aber komme kaum noch jemand aus seiner zugeschneiten Tür und in sein zugefrorenes Hybridauto. Zudem sei Horst Köhler, mit seiner Klimainitiative Zwei Grad Köhler jahrelang eine Offensivkraft an der Klimafront, sich zurückgezogen und Platz gemacht für den Fernbackfreund Christian Wulff.
Da hilft es kaum, dass das Uno-Umweltprogramm gerade eine Studie vorgestellt hat, aus der hervorgeht, dass die bisherigen Zusagen nicht ausreichen, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern: Draußen ist es bitter kalt, Neuschnee sorgt für Staus und Unfälle und "Chaos in Deutschland" (Bild), in Norwegen ist es so kalt wie seit 140 Jahren nicht und die Zahl der Hitzerekorde in Europa und Nordamerika steigt derzeit nur noch in den Labors der Klimaforscher. Die allerdings konnten jetzt immerhin ein Rätsel lösen, das Menschen seit tausenden von Jahren beschäftigte: Ja, es habe "natürliche Rekorde schon immer gegeben und es werde sie auch weiter geben, beruhigten die Experten Ängste vor nur noch allzeit lauen Durchschnittstemperaturen.


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