Bevor die zwei hünenhaften ukrainischen Brüder Klitschko das Schwergewicht dominierten, galt die Regel: Never bet on the white guy, also frei übersetzt: Wette niemals auf einen weißen Boxer. Dieses politisch nicht korrekte Zitat spiegelt unter anderem die vergangene Dominanz der afroamerikanischen Boxer im Schwergewicht wider.
Eine solche Zockerweisheit, auch wenn sie nicht so explizit formuliert ist, gibt es auch bezüglich kubanischer Boxer: Wette niemals auf einen Kubaner! Hier drückt sich die Enttäuschung darüber aus, dass kubanische Boxer immer wieder die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllten. Es gibt wohl kein Land auf der Erde, das, gemessen an seiner Einwohnerzahl, so viele gute Boxer hervorgebracht hat wie Kuba. Aber das war eben auch nur im Amateurbereich. Und diese Einschränkung lässt sich sicherlich auch nicht allein als ein Resultat der Diktatur von Fidel Castro erklären.
Kubanische Boxer gelten weithin – und das ist politisch nicht korrekt – als unzuverlässig, lebenslustig, feierfreudig, faul und undiszipliniert. Und das scheint sich auch in der Boxgeschichte zu bestätigen. Die Liste der kubanischen Weltklasseamateure, die es nicht geschafft haben, oder die Erwartungen nicht erfüllen konnten, ist lang. Selbst der legendäre Kid Chocolate, der größte kubanische Boxer aller Zeiten, war nur von 1931 bis 1933 immer mal Weltmeister im Feder-, Super Feder- und Leichtgewicht. Der Beste war, nach heutigen Standards, nur drei Jahre erfolgreich.
Auch dem Klitschko-Herausforderer Odlanier Solis (17 Kämpfe, 17 Siege, 12 durch KO) eilt der Ruf voran trainingsfaul zu sein. Immer wieder stieg er, Hüftgold mit sich herumtragend, in den Ring. Vor dem heutigen Kampf gegen Klitschko stellt sich also erneut die Frage: Wird Solis wiederum das bekannte Vorurteil bestätigen, oder wird er eine der letzten alten Regeln für Wetter auf Boxkämpfe außer Kraft setzen?
© Uwe Betker