Sommer in Deutschland können mittlerweile sehr heiß werden - zu heiß für mich, das ein oder andere mal. Ein guter Grund Reißaus zu nehmen, Richtung Norden. Der Flug nach Göteborg verspricht zumindest ein wenig Abkühlung. Dort beginnt der Roadtrup in Richtung Norden. Das Ziel ist klar: Den schwedischen Sommer auskosten, in all den Facetten, die man sich so ausmalt: Temperaturen um die 25 Grad, goldenes Licht, eine sanfte Brise vom Meer, viel Fisch, viel Wasser, viel Idylle. Doch - das weiß ich nun auch - sollte man den Regen nicht vergessen.
Göteborg
Göteborg empfängt uns mit Schmuddelwetter und macht binnen eines halben Tages klar, wie hier ein Wetterbericht zu verstehen ist. Regen bedeutet hier meist nicht Dauerregen, sondern einmal kurz aber heftig. Den Schirm packen wir nach einer halben Stunde wieder ein, genießen die ersten schwedischen Sonnenstrahlen und bummeln zum Mittagessen bei Strömmingsluckan, einem stadtbekannten Foodtruck, der sich auf Hering in verschiedenen Varianten spezialisiert hat. Unsere kommt mit Dijonsenf-Panade, Kartoffelbrei und Preiselbeeren. Ein echtes Göteborger Original. Direkt gegenüber, im Street Art beschmückten Innenhof gibt's bei Da Matteo guten aber starken Kaffee. Das mögen die Schweden so, wird im Laufe der Reise klar.
Der erste Erkundungs-Spaziergang führt vorbei an kleinen Interieur-Läden, Innenstadt-Kanälen und hipsteresken Bars ins historische Viertel Haga. Der 350 Jahre alte Stadtteil Göteborgs ist heute Heimat dutzender Cafés, Boutiquen und kleiner Restaurants. Die Schweden lieben ihre Kaffeepause "Fika" mit einer Tasse Kaffee und einem schweren Stück Kuchen. Wir bestellen Karrottenkochen und Beerentorte und legen damit den Grundstein für einen ziemlich trägen Abend. Die Kuchen sättigen mehr als nachhaltig und nur mit Mühe hieven wir unsere tortenschweren Körper zum Abendessen nochmal auf die Straße. Es lohnt sich: Im "Atelier", dem Restaurant des schmucken französischen Hotels "Pigalle" fühlen wir uns wie in einem riesigen Wohnzimmer unterm Dachstuhl. Die Preise sind schwedisch - also gehoben - doch das Essen schmeckt ausgezeichnet. Schwedisches Roastbeef mit Knochenmark-Sauce und Trüffelcreme mit Gartengemüse. Außerdem confierte Ente mit Koriander und Chili. Wer sich am ersten Abend gleich etwas gönnen will und auf hochwertige Zutaten der nordischen Küche Wert legt, kann dieser Empfehlung guten Gewissens folgen.
Möllosund, Lysekil und Smögen
Möllosund, Lysekil und Smögen sind drei Orte, mit denen sich eine ganze Pallette an Schweden-Idealbildern in kürzester Zeit abhaken lässt. Rote Häuser, felsige Schären, Küstenluft, Fischerboote. Dafür ist Göteborg der ideale Ausgangspunkt, am Südzipfel des westschwedischen Schärengartens gelegen. Etwa eine halbe Stunde nördlich der Stadt kann man die Bundesstraße in westliche Richtung verlassen uns die ersten malerischen Küstendörfer ansteuern. Wir beginnen mit dem kleinen Möllösund, das sich um eine kleine Hafenpromenade windet und - zumindest im August - ziemlich verschlafen wirkt. Das kann nicht alles sein - sagen wir uns - und nehmen Kurs auf Smögen, das in allen Reiseführern als Must See und Touristen-Hotspot angepriesen wird. Für mich eigentlich keine Argumente für ein Ziel, doch wir geben Smögen eine Chance und werden belohnt.
Der Ort ist bekannt für seine lange hölzerne Promenade, auf der wir uns imaginär schon den Weg durch die Touristenmasse bahnen, doch als wir ankommen, sind außer uns vielleicht 10 andere Menschen dort unterwegs. Die Sonne taucht den kleinen Hafen in Postkartenlicht, wir kommen genau zur richtigen Zeit und schlendern an den bunten Bootshäusern vorbei, die wir eben noch auf dem Titelbild des Reiseführers gesehen haben. Zum Abendessen gibt es - nicht zum letzten Mal auf dieser Reise - Moules Frites. Eine geniale Erfindung der Franzosen, die direkt am muschelreichen Wasser auch in Schweden absolut Sinn macht.
Wir übernachten in der Villa Akvarellen - ein wahnsinnig toller Ort. Oft denke ich, dass ich hier problemlos eine Woche verbringen könnte. Ein großes Sommerhaus mit gemütlichen Zimmern in skandinavischem Stil, mitten in einer großen Wiese samt Gemüse- und Kräutergarten. Federball, Wikingerschach, Liegestühle unterm Apfelbaum und grasende Kühe nebenan machen die Idylle komplett. Für mich ist dieser Ort der Inbegriff von "Sommer in Schweden"
Fjälbacka und Hamburgsund
Um es kurz zu machen: All die kleinen Küstenörtchen im westschwedischen Schärengarten, die wir besuchen, haben Flair. Mal verschlafen, mal quirlig, mal traditionell, mal modern renoviert. Auch Fjällbacka lädt ein, sich einen Nachmittag lang am Wasser aufzuhalten, Muscheln zu essen und die Szenerie am Fuße eines Felsmassivs zu genießen. Zwischen Fjällbacka und Hamburgsund liegen verschiedene Naturreservate am Wasser, die sich in einer kleinen Wanderung erkunden lassen. Kleine Felsbuchten, riesige Hagebutten, traumhafte Panoramen auf den Schärengärten - und wieder kaum ein Mensch, mit dem man den Weg teilen muss.
In Hamburgsund erleben wir einen phänomenalen Sonnenuntergang zu feinem Tatar und - wie so oft - Moules Frites. Restaurant-Tipp: Hjälmars
Seafood-Safari
Schweden bedeutet Fisch. Besonders nah rückt man dieser Delikatesse mit einer Fischerboots-Tour. Einmal mit einem Fischerboot aufs offene Meer fahren und selbst Fische fangen - das verspricht zumindest das Programm von Everts Sjöbod, eiem kleinen Hotel in Grebbestad, das uns als Pionier der sogenannten "Seafood Safaris" empfohlen wird. Die Touren gehören zu den beliebtesten Touristen-Aktivitäten an der Westküste. Die Gewässer sind reich an Krabben, Makrelen, Krebsten, Austern und Miesmuscheln und die Touren lassen sich fast immer in Verbindung mit einer vergünstigten Hotel-Übernachtung buchen. Wir sind sehr spontan unterwegs und ergattern noch einen freien Slot ohne Übernachtung.
Die Bedingungen sind leider nicht optimal. Das Wetter regnerisch, der Kapitän unseren kleines Fischerboots sehr schweigsam und die Fische beißen nicht. Am Ende fangen wir zwar zwei Makrelen, doch eine Verkostung ist in unserem Paket (70 Euro pro Person für 2h Tour) nicht inkludiert, ein Jammer. Merke: Immer vorab sicherstellen, dass man den eigenen Fang auch verspeisen darf. Dennoch ist die Fahrt durch die wolkenverhangenen Schären ein episches Erlebnis. Das Labyrinth aus kleinen Inseln, die teilweise sogar bewohnt sind, lässt die Zeit rasen. Wir sind damit beschäftigt, unsere Schleppangel auf möglichen Fang zu kontrollieren, erspähen im Wasser neben uns einen Seehund, ziehen die Krabben-Reusen aus 20 Metern Tiefe nach oben und vergessen irgendwann den Regen. Und trotzdem bin ich schwer enttäuscht, dass wir die zwei wunderschönen Makrelen anschließend nicht essen können. Eine Schande!
Kinnekulle-Plateau
Die Tour führt weiter ins Landesinnere - es regnet weiterhin mehrmals am Tag, doch auch bei mittelgutem Wetter bietet Schweden Freizeitpotential en masse - auch abseits von Touristenscharen. Ein Geheimtipp ist zum Beispiel das Felsplateau "Kinnekulle", das sich wunderbar in einem Tag durchwandern lässt, samt Aussichtsturm, wilden Wäldern und pittoresken Grassteppen. Wir umrunden den Vänernsee an einem sehr regnerischen Tag und halten daher nicht einmal an - für Vänernsee-Tipps solltet ihr also einen anderen Reiseführer konsultieren.
Sjötorp und Göta-Kanal
Das nächste Ziel der Reise: Sjötorp und der Göta-Kanal. In Sjötorp verlässt der Göta-Kanal den Vänernsee. Der Göta-Kanal ist 190 Kilometer lang, durchfließt 5 Seen und wurde einst von 58.000 Soldaten gegraben. Zusammen mit anderen Kanalsystemen durchquert er Schweden einmal von West nach Ost und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 91 Metern. Wie? Mit Schleusen! An denen lässt es sich herrlich entlangradeln, mit vielen Fika-Stop Möglichkeiten, also kleinen Cafés mit Filterkaffee-Flatrate und tollem schwedischem Gebäck. Mein Highlight: Das Hajstorp Slusscafe, direkt an der Schleuse. Das ideale Fahrradtour-Ziel.
Fahrräder leiht man am besten in Sjötorp beim zentral gelegenen Fahrradverleih Upplevelsecenter.* Dort beginnen wir eine Tages-Radtour entlang des Kanals, bei bestem Wetter. Die Tour lässt sich als absolut entspanne Kaffe-Fahrt einstufen - kaum Höhenmeter, gut befestigte Wege, das ist Fahrrad-Wellness vom Feinsten. Dabei beobachten wir die Fähren, die wirklich haargenau in die Schleusen des Kanals hinein passen und mit ordentlich Getöse (von den Touristen an Bord und vom flutenden Wasser) Stück für Stück weiter angehoben werden, um ihre Rese forsetzen zu können. Ein lustiges Spektakel. Übernachtungstipp am Göta-Kanal: Norrqvarn Hotell & Konferens* - günstige Zimmer mit solider Basis-Ausstattung, direkt am Kanal gelegen, speziell für Kinder mit kreativ gestalteten Fantasie-Hüttchen zum Übernachten. Wir genießen indes das hervorragende Essen im Hotel-Restaurant.
Lackö Castle, Hvita Hjorten und Lackö Strand
Weiter südlich, am Südufer des Vänern, liegt Lackö Castle. Ein mittelalterliches Schloss, das eine bewegte Geschichte und diverse Besitzerwechsel hinter sich hat. Die Spuren, die die Geschichte am imposanten Gebäude hinterlassen hat, kann man heute in einer Führung bestaunen. Spannend fand ich, dass der Pomp dieses Schlosses - speziell im Inneren - eine völlig andere Anmutung hatte, als die Burgen und Schlösser Mitteleuropas.
Der eigentliche Grund, warum ich mich die ganze Reise schon auf Schloss Lackö gefreut hatte, ist allerdings das "Schlossrestaurant" Hvita Hjorten.* Vom "White Guide" empfohlen und grundsätzlich ein Restaurant ganz nach meinem Geschmack. Nordisch saisonale Küche, mit Zutaten aus dem Schlossgarten und der direktem Umgebung. Wir machen uns über ein opulent gedecktes Mahl inmitten unseres Tisches her. Genial zubereitetes Herbstgemüse mit Biss und extrem viel Geschmack, frisch geräucherter Lachs, Schweinebauch vom schwedischen Apfelschwein und toller Apfelsaft als Begleitung. Das fühlt sich nach bodenständiger Nordic Cuisine an, verbunden durch die ein oder andere cremige Majonnaise - natürlich hausgemacht. Allein dafür lohnt es sich, einen Stopp in Lidköping einzulegen. Wir waren von Visit Sweden eingeladen, diese Empfehlung gilt allerdings ganz objektiv und persönlich. Tolles Lokal!
Anlingsas - Stadt des Kaffees
Fika - der schwedische Kaffeetradition des gemütlichen, ausgiebigen Kaffetrinkens mit Gebäck und Kuchen - frönen wir schon die gesamte Reise. Zum Abschluss der Tour besuchen wir die Geburtsstätte dieses schwedischen Kulturprodukts, das Slow Food, Gemütlichkeit und Besinnung vereint. Nachmittags, gegen 16 Uhr, sind die traditionellen Kaffehäuser in Alingsas gut gefüllt, mit Einheimischen, die ihre Nachmittagspause genießen und Touristen, die ein Stück Fika-Tradition hautnah erleben wollen. Wir lassen uns von einem Guide die besten Spots in der Stadt zeigen - und es gibt viele grandiose Kaffees in Alingsas. Wer Zimtschnecken, Mandeltorte und Kaffee liebt, wird sich in Alingsas pudelwohl fühlen. Ein idealer Ort, um eine Westschweden-Reise gemütlich ausklingen zu lassen. Unbedingt besuchen: Nygrens Café* und Sally's Cafe*
*Die angegebenen Orte besuchten wir auf Einladung von Visit Sweden. Meine Meinung und objektive Berichterstattung bleibt davon unberührt.