Gazette 43 Editorial
»Der deutsche Journalismus hat binnen weniger Wochen von besonnen auf erregt umgeschaltet. Das Meinungsspektrum wurde auf Schießschartengröße verengt. Blätter, von denen wir eben noch dachten, sie befänden sich im Wettbewerb der Gedanken und Ideen, gehen im Gleichschritt mit den Sanktionspolitikern auf Russlands Präsidenten Putin los. Schon in den Überschriften kommt eine aggressive Verspannung zum Ausdruck, wie wir sie sonst vor allem von den Hooligans der Fußballmannschaften kennen. Der Tagesspiegel: ,Genug gesprochen!‘ Die FAZ: ,Stärke zeigen‘. Die Süddeutsche Zeitung: ,Jetzt oder nie‘. Der Spiegel ruft zum ,Ende der Feigheit‘ auf: ,Putins Gespinst aus Lügen, Propaganda und Täuschung ist aufgeflogen. Die Trümmer von MH 17 sind auch die Trümmer der Diplomatie.‘
Westliche Politik und deutsche Medien sind eins.«
Gabor Steingart, der Anfang August zu diesem vernichtenden Urteil über die deutsche Medienlandschaft kommt, kennt die Szene. Er war selber viele Jahre beim Spiegel, dann Chefredakteur des Handelsblattes, heute ist er einer der Geschäftsführer der Handelsblatt-Gruppe. Kein Nobody also.
Nicht wegen Gabor Steingart, sondern aus eigener Überzeugung und journalistischer Verpflichtung haben wir von der GAZETTE nach Köpfen Ausschau gehalten, die die Weltlage und insbesondere auch die Situation im Osten der Ukraine differenzierter beurteilen. Wir haben sie gefunden. Fritz Pleitgen, Willy Wimmer, Max Otte: jeder ein scharfer Beobachter, aus unterschiedlichster Perspektive. In einer Zeit, in der sich der Journalismus mehr und mehr auf die schnellstmögliche Verbreitung (oft ungeprüfter) News kapriziert, ist das Hinterfragen und hintergründige Ausleuchten einer Situation noch wichtiger geworden. In der GAZETTE hat das Tradition. Wir halten sie aufrecht.
Quelle: http://gazette.de/die-gazette/archiv/gazette-43/editorial/articles/41.html