Der Titel ist absolut ernst gemeint, so schwer das für uns, die es nicht betrifft, auch zu verstehen ist.
Durch eines meiner Bücher bin ich auf folgendes Gegenexperiment zum großen “Minnesota Hunger Experiment” gestoßen:
1967 startete Ethan Sims ein Experiment mit schlanken Insassen des Staatsgefängisses von Vermont. Ihr Auftrag: 25% ihres Köpergewichts zuzulegen, dann winkte ihnen die Freilassung aus dem Gefängis. Ihre Aktivitäten blieben gleich, aber die Männer aßen durchschnittlich etwa eine Kalorienmenge von 5 Hauptmahlzeiten.
20 Männer schafften es, aber sobald das Höchstgewicht erreicht war, konnten sie es nur halten, indem sie die Mastkost fortsetzten. Sobald sie diese herabsetzten, fing ihr Körper an, das gewonnene Gewicht wieder abzubauen. Einer der Erfolgreichen, der 14kg zugenommen hatte, musste 7000 Kalorien am Tag essen, nur um dieses Gewicht bis zum Ende des Eperiments zu halten. Zur Erinnerung, die Hungernden von Minnesota bekamen 1500 Kalorien und viele Diäten heute zwingen Frauen sogar unter dieser Grenze zu essen. Einer der Männer schaffte es in 200 Tagen des Überessens nicht, sein Gewicht um mehr als 8 kg zu steigern. Sims undKollegen untersuchten fünf Männer genauer, vor allem deren Fettzellen und veröffentlichten das Ergebnis in diesem Artikel 1971.
2009, der britische Sender BBC startete ein ähnliches Experiment mit 10 schlanken Freiwilligen, die in ihrem Leben noch nie eine Diät gemacht hatten und trug ihnen auf, pro Tag 3500 Kalorien (Frauen) bzw. 5000 Kalorien (Männer) zu essen und dabei ihre Bewegungsmenge auf 5000 Schritte am Tag zu reduzieren. Die Versuchspersonen reagierten unterschiedlich darauf. Während ein junger Mann die Kalorien locker aufnehmen konnte und in den vier Wochen 5,5kg zulegte, erbrach sich eine der weiblichen Versuchspersonen regelmäßig und schaffte es gerade mal auf 3,5kg. Zwei andere Freiwillige schafften die volle Kalorienmenge nicht und nahmen so gut wie gar nichts zu. Eine der Personen, die 4,5kg zugenommen hatte, konnte am Ende keine größeren Fettdepots vorweisen, stattdessen hatte sie das Gewicht in Muskeln angelegt und eine um 30% erhöhte Stoffwechselaktivität.
Warum manche Menschen nicht und andere sehr rasch zunehmen, erklären Wissenschaftler, welche die BBC für die Sendung befragte, unterschiedlich: Vom FTO Gen bis zum Setpoint (der Körper hat ein eigenes Wunschgewicht/ eine eigene Wunschmenge- und -größe der Fettzellen und wird alles tun, das zu erreichen und zu halten) werden in dem Artikel zur Sendung genannt.
Dass die Genetik die Karten unterschiedlich verteilt hat, wird jeder wissen, der wie ich, von Natur aus schlanke Geschwister hat, die bei gleicher Kost im ihren Leben niemals dick gewesen sind während man selbst mit einer Diät nach der anderen gekämpft hat.
Trotz all dieser Versuche und Studien hält sich hartnäckig die gesellschaftliche Meinung, dass dicke Menschen einen schwachen Willen hätten und nur weniger Fett und Zucker essen müssten, um rank und schlank zu sein. Es ist enorm schwierig manchen Menschen, die von Natur aus schlank sind und niemals Hunger leiden mussten, klar zu machen, dass sie keineswegs charakterlich stärker und somit “besser” sind als fülligere Menschen. Anders herum dürfte es auch für von Natur aus dünne Menschen schwierig sein, ihre Umwelt davon zu überzeugen, dass sie keineswegs an Magersucht leiden oder heimlich ihr Mittagessen ins WC erbrechen.
Ich glaube, wir täten uns alle einen Gefallen, wenn wir die Vielfältigkeit an Köperformen als gegeben akzeptieren und nicht versuchen, allein davon den Charakter unserer Mitmenschen abzulesen.