Werner Heisenberg und seine Liebe zu Adelheid von Weizsäcker (1928 bis 1936)

"Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll" (Februar 1936)

Persönliche Vorbemerkung


Als ich im Jahr 2003 das erste mal Werner Heisenbergs (1901-1976) ( Wiki) Briefe an seine Eltern, bzw. an seine Mutter in die Hände bekam (1), fielen sie bei mir auf wenig fruchtbaren Boden. Ich kann nicht sagen, daß ich zu jener Zeit von diesen ähnlich ergriffen gewesen wäre wie von seinen abgeklärten Lebenserinnerungen, die unter dem Titel "Der Teil und das Ganze" veröffentlicht worden waren, und die ich wohl schon zehn Jahre früher als junger Mensch verschlungen hatte. Nachdem ich seine Briefe an seine Eltern jetzt, zehn Jahre später (verfaßt im Januar 2018), erneut in die Hand nehme, geht mir erst auf, wie sehr man doch von der ganzen Stimmung, die diese Briefe enthalten, in Bann gezogen wird, wie man in ihnen das innere und äußere Ringen Heisenbergs nachverfolgen kann, wie deutlich wird, was ihm im Leben wichtig war und was nicht.


Nehme ich nun meinen bislang nie veröffentlichten Aufsatz-Entwurf aus dem Dezember 2003 zu diesem Buch in die Hand - immerhin 18 Din-A-4-Seiten -, finde ich in keiner Weise, daß ich in diesem Aufsatz-Entwurf damals der Stimmung, dem Wert der Briefe gerecht geworden war. Es ist also doch immer die Frage: Wo steht man selbst, welchen Wert gibt man sich selbst, wenn man über einen Gehalt urteilt, dem man - womöglich - innerlich nicht, gar nicht gewachsen ist, bzw. den man innerlich gar nicht wahrnimmt.

Der Mensch erlebt im Leben seelische Abstürze. Oder: Er kann sie erleben. Die Tatsache, daß 2003 Heisenbergs Briefe an seine Eltern bei mir auf keinen fruchtbaren Boden fielen, ist für mich ein Zeichen für einen solchen Sturz. Mich starrt die Seelenleere aus meinem 18-seitigen 2003-Manuskript so sehr an, daß ich lieber alles neu aus dem Buch erarbeite, als auch nur "Bruchstücke" aus diesem alten Manuskript als erhaltenswert "herausdestillieren" zu wollen. Wenn der innere Geist eines Manuskriptes nicht stimmt, stimmt alles andere auch nicht. Und der innere Geist in meinem damaligen Manuskript stimmte nicht. Der ganze Geist des Manuskriptes ödet mich an. Es ist ohne alle Ergriffenheit geschrieben und kann auch keine wecken. Gibt es Schlimmeres?!

Werner Heisenberg - Ein durch und durch beseelter Mensch

Werner Heisenberg war ein durch und durch beseelter Mensch. Und zwar von früher Jugend an. Wenn es noch Zweifel daran gäbe, so würden diese Briefe solche federleicht beiseite räumen können. Es fallen einem Sätze ins Auge wie dieser vom 28. Februar 1936 (1, S. 248):

Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll.

Und diesen Satz schreibt er nicht nur als Physik-Professor in Leipzig, nein, als Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1932, also als Träger eines Nobelpreises, der ihm erst vier Jahre zuvor verliehen worden war. Kennt man einen weiteren Nobelpreisträger aus der Naturwissenschaft, der fähig gewesen wäre, noch nach Verleihung des Nobelpreises einen solchen Satz niederzuschreiben? Der Satz zeigt, daß für Heisenberg selbst ein Nobelpreis kein Zeichen dafür war, daß aus einem Menschenleben in letzter Instanz etwas geworden ist oder nicht. Darüber entscheidet für ihn offensichtlich erst der letzte Tag des Lebens dieses Menschen. Bis dahin kann alles noch auf des Messers Schneide stehen. Und wie sich das menschliche Leben entscheidet, scheint für ihn auch wenig mit seiner wissenschaftlichen Entwicklung, mit etwaigen wissenschaftlichen Erfolgen zu tun zu haben. Der eigentlich menschliche Wert eines Menschenlebens, der durch äußere Ehrungen wie einen Nobelpreis nicht ansatzweise gekennzeichnet werden kann, entscheidet sich für ihn in ganz anderen Bereichen. Wer weiß etwas darüber? Zumindest einer wußte etwas darüber und zumindest einer sprach dieses Wissen auch aus: Werner Heisenberg.

Ein solcher Umstand ist es schon, der die Lektüre seiner Briefe so außerordentlich bedeutsam erscheinen läßt. Es kommt nicht auf äußere Erfolge im Menschenleben an. Ein Menschenleben kann scheitern. Es kann scheitern, auch wenn ihm viele äußere Erfolge beschieden gewesen sind. Und daß sich Heisenberg dieses Umstandes bewußt war - fortlaufend und durchgängig und ganz unabhängig von sonstigen persönlichen und zeitgeschichtlichen Umständen und Konstellationen seines Lebens - das mag ihn als einen besonderen Menschen kennzeichnen.

Ich muß viel Glück haben, wenn aus meinem Leben noch etwas werden soll.

Dieser Satz ist auch keine eitle Selbstbespiegelung oder Phrase. Dafür wäre sich Heisenberg zu schade gewesen. Dieser Satz wurde vielmehr geschrieben als es sich abzeichnete, daß seine langjährige Liebe zur Schwester seines engsten lebenslangen Freundes, zur Schwester von Carl-Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) ( Wiki), keine Erfüllung finden würde. Und zwar - wenn man es recht versteht - aufgrund der Entscheidung dieser Schwester selbst, nicht offenbar aufgrund äußerer, hinderlicher Umstände. Zwar sollten in den nachfolgenden Monaten des Jahres 1936 kurzzeitig noch einmal Hoffnungen aufflackern. Aber am Ende des Jahres klingt aus den Briefen von Werner Heisenberg noch größere Enttäuschung heraus als sie schon Anfang des Jahres heraus klangen. Der Satz vor dem zitierten Satz vom 28. Februar 1936 lautete:

Ich weiß, daß sich in diesem Sommer nun alles entscheiden muß und ich habe etwas Angst davor.

Es ist klar: Er wußte nicht, wie er selbst damit umgehen würde, ob er es schaffen würde, diese Enttäuschung zu verkraften, ob er es schaffen würde, an ihr menschlich zu wachsen oder ob er an dieser Entscheidung zerbrechen würde. Diese Liebe bedeutete ihm also - fast - alles. Schon der erste Satz des Briefes hatte es deutlich gemacht:

Liebe Mama! Dieser Brief wird ein sehr ernster Brief!

und auch der Satz nach den beiden schon zitierten Sätzen bekräftigt diesen Eindruck:

Wenn Du in Gedanken in den nächsten Monaten bei mir bist, ohne zuviel äußerlich nach mir zu fragen, so wird mir das viel helfen.

Heisenberg wußte, daß er durch einen Sturm gehen würde, der ihn im Innersten erschüttern würde. Und er wappnete sich, er suchte Rückversicherung bei seiner Mutter, aber sicherlich noch mehr in sich selbst. Er suchte sich zu fassen, um den von ihm erwarteten Sturm zu bestehen. Bei der genannten Schwester von Carl Friedrich handelte es sich um Adelheid von Weizsäcker (1916-2004), die 1936 gerade erst 20 Jahre alt geworden war. Bis November 1936 nun scheint sich für Heisenberg das Verhältnis zu Adelheid geklärt zu haben, wenn er es auch nicht deutlich ausspricht. Am 3. November 1936 schreibt er an seine Mutter, die ihn an seinen 35. Geburtstag am 5. Dezember erinnert hatte (1, S. 253):

Es ist mir nicht sehr nach feiern zu Mut und ich bin froh, wenn ich mich in der nächsten Zeit tief in meine Arbeit vergraben kann. Ich empfinde sehr stark die Wohltat, in diesem einen Bereich ganz von der übrigen Welt abgeschlossen sein zu dürfen und beneide niemand, der gezwungen ist, sich immer mit dem Spiel der Welt draußen abzugeben.

Und eine Woche später (1, S. 253):

Auch ist mir das einsame Leben nur durch die Arbeit an der Wissenschaft erträglich, aber auf die Dauer wäre es sehr schlimm, wenn ich ohne einen ganz jungen Menschen neben mir auskommen müßte. Wie sich hier mein Leben weiter gestalten wird, weiß ich natürlich nicht. Die Verbindung zur Familie Weizsäcker wird wohl ganz abgebrochen werden und dadurch wird alles völlig anders als bisher. (...) Einstweilen will ich mich der Arbeit widmen, um derentwillen ich auf die Welt gekommen zu sein scheine; und die Erinnerung an die wesentlichen Dinge soll diese Arbeit nur wie eine ferne Musik begleiten.

Man spürt, wie viel Beben hinter diesen Worten steht, wie viele bestandene Stürme. In seinen Lebenserinnerungen beschreibt Werner Heisenberg ja sehr genau, wie er diesen - womöglich - tiefsten Punkt seines persönlichen Lebens damals erlebte.


Doch gehen wir acht Jahre zurück in die Anfangszeit der Liebe zu Adelheid, um alles noch ein bisschen besser zu verstehen. Gehen wir zurück in das Jahr 1928, das Jahr, in dem Heisenberg 27 Jahre alt ist - und Adelheid erst 12. .....

/Hier bricht vorläufig dieser Aufsatz ab. Er muß zukünftig noch weiter im angedeuteten Sinne erarbeitet werden. Es müssen jene Zitate gebracht werden, in denen Heisenberg davon spricht, welche Bedeutung das Zusammensein mit Adelheid jeweils für ihn hat, wie sich das ganze Aussehen der Welt durch ihre Anwesenheit für ihn veränderte und so weiter.

Das Literaturverzeichnis zeigt im übrigen auf, welch reichhaltige Quellen noch weiterhin zum privaten Leben von Werner Heisenberg ausgewertet werden können./

/Verfaßt bis
5. Januar 2018/

____________________________________________________

  1. Heisenberg, Werner; Hirsch-Heisenberg, Anna M.: Liebe Eltern! Briefe aus kritischer Zeit 1918 bis 1945. Langen/Müller, München 2003
  2. Kleint, Christian; Wiemers, Gerald (Hrsg.): Werner Heisenberg im Spiegel seiner Leipziger Schüler und Kollegen. Leipziger Universitätsverlag, 2006
  3. Heisenberg, Werner; Heisenberg, Elisabeth; Hirsch-Heisenberg, Anna M.: Meine liebe Li! Der Briefwechsel 1937 - 1946. Residenz, 2011
  4. Lindner, Konrad: Jugendliches Genie - Carl Friedrich von Weizsäcker als Student in Leipzig. Dezember 2016, http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=835
  5. Lindner, Konrad: Heisenbergs jüdische Meisterschüler - zur Physik in der Weimarer Republik. http://www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=679
  6. Werner Heisenberg und Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker - Gespräch in München 1966, https://av.tib.eu/media/11191
  7. Rechenberg, Helmut; Wiemers, Gerhard: Werner Heisenberg 1901-1976. Forscher, Lehrer und Organisator der Wissenschaft. Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag, 2001, https://www.archiv.uni-leipzig.de/heisenberg/intro.htm

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