Heutzutage, das weiss jedes Kind, kann man nicht mehr einfach so davon ausgehen, dass Frau zu Hause am Herd auf Anweisungen wartet, was sie mit ihrer Zeit und ihren Fähigkeiten anfangen soll. In der Theorie zumindest ist das so und ich hoffe sehr, dass sich in Lebenswelten, in denen sich meine Geschlechtsgenossinnen bewegen, die Gleichberechtigung in irgend einer Weise bemerkbar macht. In meiner Lebenswelt, die sich derzeit trotz Berufstätigkeit vorwiegend in den eigenen vier Wänden abspielt, ist alles noch irgendwie so, wie es war, als Frauen noch nichts anderes zu tun hatten, als für Mann und Kinder zu sorgen. Dies nicht etwa, weil “Meiner” ein übler Pascha wäre, der mir keine Freiheiten gönnt, sondern weil eine Frau, die zu Hause ist, von vielen noch immer als eine Art Werkzeugkasten angesehen wird, der nach Belieben dahin geschoben werden kann, wo es im Familiensystem gerade klemmt. Wenn Frau zu Hause ist, kann das, was sie tut, so wichtig ja nicht sein, denn sonst hätte sie einen “richtigen” Job bekommen, so scheint man noch immer zu denken.
Mal ist es die Aushilfslehrerin des FeuerwehrRitterRömerPiraten, die darauf besteht, meinen Sohn nach Hause zu schicken, obschon ich ihr schon hundertmal erklärt habe, dass a) unser Dritter ganz gerne die Sache mit dem Bauchweh bringt, wenn er keinen Bock hat auf Schule und b) ich am Arbeiten bin und deshalb genau so wenig verfügbar bin wie eine Mutter, die einen Job ausser Hause hat. Mal ist es Zoowärters Lehrerin, die mich jetzt gleich in der Schule sehen will, weil mein Sohn mal wieder etwas vergessen hat. Auf meine Kolumnen-Deadline kann sie keine Rücksicht nehmen, denn nachher muss sie mit der Klasse ins Turnen. (Sagt jetzt bitte nicht, ich solle halt nicht ans Telefon gehen. Wenn auf dem Display “Schule” steht, spult mein Gehirn sämtliche Horrorszenarien ab und ich kann gar nicht anders, als ranzugehen.) Wenn es nicht die Schule ist, die meine Dienste wünscht, dann ist es ein Arzt, der mich ganz dringend ins Spital bestellt, weil es Schwiegermama nicht gut geht und intern gerade niemand verfügbar ist, der ihr auf Italienisch erklären kann, was los ist. Eine halbe Woche später wiederum ist es ein anderer Arzt, der mir erklärt, Schwiegermama gehe es viel besser, man könne den Spitalaustritt ins Auge fassen, ich solle doch so rasch als möglich vorbeikommen, damit man die Details besprechen könne. Wenn die italienische Verwandtschaft vom verbesserten Zustand erfährt, steht sogleich die Erwartung im Raum, dass Schwiegermama bei uns einziehen kann, weil ich ja Zeit habe, sie zu pflegen. Und während ich mir noch den Kopf zerbreche, wie wir die Differenz zwischen Ansprüchen und Realität überbrücken sollen, ohne einen epochalen Familienstreit vom Zaun zu brechen, kommt ein freudenstrahlender Zoowärter angerannt, der mir berichtet, die Lehrerin sei krank, der Unterricht falle aus. Das Brieflein, in dem stehen würde, wer keine Betreuungsmöglichkeit habe, könne sein Kind in die Schule schicken, händigt er mir leider nicht aus, denn ich bin ja zu Hause…
Bitte versteht mich nicht falsch. Wenn meine Lieben in der Tinte sitzen, will ich für sie da sein, keine Frage. Was mich an der Sache stört, ist die Selbstverständlichkeit, mit der man sich an mich wendet, wenn es irgendwo brennt. So wurde zum Beispiel “Meiner” noch nicht ein einziges Mal herbeizitiert, seitdem seine Mutter erkrankt ist, man ruft ganz selbstverständlich mich. Und als er letze Woche mal von sich aus alles stehen und liegen liess, weil es wirklich nicht gut aussah, wurde das von gewissen Menschen mit Kopfschütteln quittiert. “Warum rennst du denn?”, fragten sie ihn, “deine Frau schaut doch zu deiner Mutter.”
prettyvenditti.jetzt