Wer war Frank Woodruff?

Erstellt am 16. Februar 2014 von Michael

PLAY GIRL
USA 1941
Mit Kay Francis, Milderd Coles, Margaret Hamilton, James Ellison, Nigel Bruce, u.a.
Drehbuch: Jerome Cady
Regie: Frank Woodruff

Meine bisherige Erfahrung mit der Warner Archive Collection zeigt, dass es wahre Perlen unter den vergessenen Filmen Hollywoods gibt. Einige davon sind durchaus beachtlich, wie der folgende Beitrag zeigt.
Das führt zwangsläufig zur Frage: Was führt dazu, dass der eine Film zu Ruhm und Ehren kommt und der andere nicht? An der Qualität liegt es auch, aber längst nicht immer.

Vergleichen wir zum Beispiel My Man Godfrey von Gregory LaCava und Play Girl von Frank Woodruff.
Frank wer? Und da sind wir bereits bei einem entscheidenden Punkt.
Greogory LaCavas Filme waren zwar auch lange Zeit vergessen, doch irgendwann (wahrscheinlich in den späten Siebzigerjahren) wurden er und sein Werk wiederentdeckt. Warum? Wahrscheinlich weil es von ihm mehrere wirklich gelungene Filme gibt. Es folgten Retrospektiven im Fernsehen und in Programmkinos, My Man Godfrey, sein wohl bestes Werk wurde zumindest unter Filmkennern bekannt.

Frank Woodruff hingegen – nun, der Mann drehte geade mal zehn Filme, alle innerhalb von vier Jahren (1940 bis 1944). Nach einer Pause von sieben Jahren drehte er für zwei Jahre Fernsehfilme. Und dann verliert sich seine Spur. Er starb 1983. Über sein Leben nach dem Film ist nichts bekannt.

Wer kommt nun auf die Idee, die Filme eines derartigen “Nobodys” genauer unter die Lupe zu nehmen?
Wahrscheinlich hat Woodruf neben Play Girl nichts wirklich Nennenswertes mehr produziert. Dieser Film aber kann sich sehen lassen!

Was ich damit sagen will: Es gibt versteckte Filmperlen. Mehr als ich gedacht hätte.
Ich habe inzwischen, durch läppisches Würfeln, unter neun zufällig gewählten Warner Archive-DVDs bereits fünf solche entdeckt. Vergessene Filme, die einen höheren Bekanntheitsgrad in der Filmwelt verdient hätten.

Ich will hier nicht den unverrückbaren Ruf der bekannten Filmklassiker in Frage stellen. Nur deren Ausschliesslichkeitscharakter. Es gibt gute bis sehr gute Filme neben den bekannten, ausgetretenen Klassiker-Pfaden.
Meist handelt es sich ja bei den Klassikern um Werke, in denen hinlänglich bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler auftreten und die von bekannten/berühmten Regisseuren gedreht wurden. Mir kommt auf Anhieb kein einziges akkreditiertes Meisterwerk in den Sinn, das nicht mit grossen Namen glänzt.
Logischerweise haben es Filme schwerer, die bei ihrem Erscheinen an der Kinokasse floppten, da sie darauf in der Versenkung verschwanden. Die Gründe für einen Flop, da werden mir die meisten zustimmen, haben oft nichts oder nur wenig mit der Qualität eines Werks zu tun. Unbekannte / unangesagte  HauptdarstellerInnen und ein No-Name-Regisseur – das reicht manchmal schon, um einen Film an der Kinokasse zu versenken. Damals wie heute.

Ein schönes Beispiel, welches diese These zu unterstützen scheint, ist der 1957 gedrehte Episodenfilm The Rising of the Moon. Regie führte zwar kein geringerer als John Ford – doch die Besetzung war damals komplett unbekannt. Ford drehte den Film in Irland mit einem in Dublin ansässigen Theaterensemble. Als hätte man den Flop geahnt, baute die Produktionsleitung flugs und notdürftig Tyrone Power in den Film ein. Power musste nett lächeln und zu jeder Episode einen einleitenden Text sprechen. Doch vergebens – der wunderbare Film verschwand kurz nach der Uraufführung.
Damals wie heute zogen Schauspiel-Stars beim Publikum stärker als Regie-Stars.

Ich will nun nicht behaupten, “da draussen” wimmle es von verkannten Meisterwerken. Ich spreche hier von “Perlen” – nicht von Juwelen. Aber immerhin – solche gibt’s, offenbar mehr als man denkt. Sie zu entdecken macht mir gerade grossen Spass.

Womit wir (endlich) beim aktuellen Film sind: Play Girl. Dessen Hauptdarstellerin, Kay Francis, zu Beginn der Tonfilmära ein Star, war zur Zeit der Dreharbeiten längst in der Gunst der Studios und des Publikums gefallen. Tief gefallen. In den frühen Vierzigerjahren laborierte sie verzweifelt an einem Comeback, was ihr allerdings nicht gelang. Play Girl gehört zu besagten Comeback-Versuchen. Unnötig zu sagen, dass der Film ein Flop wurde (!).

An ihrer Seite agieren (mir) so unbekannte Grössen wie Mildred Coles und James Ellison an prominenter Stelle. Bekannte Gesichter sind Margaret Hamilton (die Hexe aus The Wizard of Oz) und Nigel Bruce (Basil Rathbones Watson).
Hamilton und Bruce sind köstlich, der Rest der Besetzung liefert gute bis sehr gute schauspielerische Leistungen ab.

Kay Francis spielt Grace Herbert, einen verblühter “Gold Digger”, eine jener Frauen, die davon leben, reiche ältere Männer zu umgarnen um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir lernen sie kennen, als sie gerade vom Vater ihres neusten “Opfers” zum Teufel gejagt wird. Nicht nur ihre “Profession” umreisst der gelungene Filmbeginn in eingen kurzen Szenen klar, sondern auch die Tatsache, dass ihre Zeit vorbei ist.
Ihre Arbeitsweise lernen wir indirekt kennen – Grace nimmt nämlich eine junge Dame “in Ausbildung”, die fortan an ihrer Stelle den Männern das Geld aus der Tasche ziehen soll, und führt diese quasi vor laufender Kamera in die Geheimnisse und Gepflogenheiten ihrer Profession ein. In diesen “Instruktions-Sequenzen” finden sich die vergnüglichsten Dialogstellen des Films (“She said ‘good bye’ to more men than other women say ‘hello’ to!”).

Die “Neue”, Ellen Daley mit Namen und gespielt von Mildred Coles macht ihre Sache perfekt; anfängliche Skrupel werden von ihrer Mentorin mit dem Argument beseitigt, die anvisierten Männer hätten Geld wie Heu und wüssten sonst nicht wohin damit. Aus ihrem Munde klingt es, als würden sie die Männer retten – vor der tödlichen Langeweile des Reichseins und vor dem Gefühl, nutzlos geworden zu sein.
Alles läuft nach Plan und wie am Schnürchen, bis ein junger Farmer auftaucht, welcher der jungen Ellen gehörig den Kopf verdreht. Doch zum Glück ist auch er reich. Wäre doch gelacht, wenn wir den nicht auch ausnehmen könnten – denkt Grace…

Man verstehe mich nicht falsch: Play Girl ist ein Film, der in keiner Sparte so richtig hell strahlt und funkelt. Die Regie ist bisweilen glänzend, die meiste Zeit über aber einfach solide; der Plot ist sehr gut aufgebaut, bisweilen subversiv, aber nichts, das die Zeiten überdauert; die Akteure und Aktricen überzeugen, die einen mehr, die anderen weniger. Am stärksten ist das Drehbuch: dramaturgisch hervorragend, in den Dialogen gelingen ein paar Glanzmomente, die Figuren sind glaubhaft und bleiben haften.
Diese vier “Komponenten” ergänzen sich perfekt und ergeben einen Gesamteindruck, der besser ist als die einzelnen Leistungen.

Play Girl wirkt streckenweise wie einer dieser elegant-gewitzten Frauenfilme von George Cukor – nicht nur was Ausstattung und Kostüme betrifft. Und mindestens eine Sequenz erinnert deutlich an Preston Sturges und dessen mit handfestem Slapstick durchsetzte Romanzen. Regisseur Woodruff liefert mit Play Girl eine eine nicht ganz originelle, aber doch absolut stilsichere Arbeit, die zu den bekannten und beliebten Komödien jener Zeit aufzuschliessen vermag und die dem Betrachter ein permanentes Lächeln aufs Gesicht zaubert. Ein Film also, der ein Revival verdient hätte.
Mich hat er jedenfalls neugierig auf die anderen neun Filme seines Regisseurs gemacht!
8/10