„Schreiben Sie ihr Lebensdrehbuch neu!“ Man liest diesen Ratschlag immer wieder mal in Selbsthilfe-Büchern oder bekommt ihn in Workshops erklärt. Wir haben unser Leben in unseren Händen. „Wer steuert den Bus?“ fragte Anthony Robbins, der dynamische US-Motivationstrainer; und schon vor hundert Jahren hat der Begründer der Pfadfinderbewegung, Lord Boden Powell den Jugendlichen zugerufen: „Steuere selbst Dein Kanu!“
So hilfreich diese Sichtweise sein kann, um aus einer Misere rauszukommen, um sich zum Beispiel wieder neu aufzuraffen oder um sich mehr anzustrengen – so wenig hat sie dann mit der Wirklichkeit zu tun.
Denn das Leben sieht zwar aus wie ein Film, in dem wir selber die Hauptrolle spielen, aber dieser Film ist auf merkwürdige Art und Weise mit unzähligen anderen Filmen vermengt – und in diesen anderen Filmen spielt jemand anderes die Hauptrolle. Wenn ich dann den Oskar für die besten Nebenrolle im Film meines Nachbarn bekomme, so nützt mir das in meinem Film (in dem ich ja die Hauptrolle habe) überhaupt nichts.
Andererseits ist es natürlich auch richtig, dass wir uns nicht so sehr bemühen sollen, in den Lebensfilmen aller unserer Bekannten und Verwandten eine möglichst gute Nebenrolle zu spielen – vor allem, wenn wir dabei unseren eigenen Film vergessen. Und mit den Jahren stellen wir möglicherweise fest, dass das gar nicht einzelne Filme sind, mit Haupt- und Nebenrollen, sondern dass es ein großer Lebens-Strom ist, in dem einfach alle die Menschen, die gerade zufällig gleichzeitig auf der Erde sind, mitschwimmen.
So ist das Kanu, das man für sein eigenes hielt (sein Körper, seine Gedanken, seine Ziele) plötzlich ein Teil von einem großen Fluss, in dem jeder Atemzug von tausend anderen Dingen abhängt. Indem volle und leere Kanus treiben, auch Baumstämme und Krokodile. Dann spürt man, dass es nicht darum geht, der Beste oder Schnellste zu sein, sondern – einfach einer/eine der Glücklichen.
Plötzlich am Lagerfeuer / 46cm x 65cm / Acryl auf Zeichenpapier / 2011, Nr.11-070
