Bei der Generaldebatte letzte Woche im Bundestag, kritisierte die Opposition Merkel und ihr Finanzressort für deren Politik nach Haltung schwäbischer Hausfrauen. Die Frau verteidigte sich natürlich. Ihren Stolz konnte man deutlich heraushören, als sie nochmals bekräftigte, dass die schwarze Null nun schon im dritten Jahr in Serie stehe. Uns schwant Böses, denn diese »Haushaltsdisziplin« wird es sein, die man in Zukunft dieser Regierung lobend nachsagen wird. Das Narrativ von den Konservativen, die als einziges politisches Lager mit Geld umgehen könnten, wird eine weitere Episode in sein Repertoire aufnehmen. Was die Geschichte dann vermutlich vergisst, das wird der Preis sein, mit dem diese schwarze Null verwirklicht wurde. Die, die es ausbaden, kommen in Retrospektiven ja so selten vor. Wenn man Märchen von großen Leistungen erzählt, haben die kleinen Leute Sendepause.
Während sich der Regierungsbetrieb gegenseitig feiert, auf Neuschulden verzichtet zu haben, erfahren wir fast wöchentlich Stück für Stück mehr, wo diese Haushaltsdisziplin erarbeitet wird: Zum Beispiel bei Hartz-IV-Leistungsberechtigten. Nun häufen sich die Berichte, dass bei Langzeitarbeitslosen nicht mal eine ordentliche tägliche Mahlzeit mehr drin ist. Der Regelsatz wird von anderen Lebenshaltungskosten aufgefressen. Je länger man in den Mühlen dieser Sozialleistung steckt, desto ärmer wird man. Das Ersparte, das als Schonvermögen bei der Anrechnung noch unangetastet blieb, schrumpft merklich zusammen. Je länger im Bezug, desto weniger Schonvermögen bleibt. Außerplanmäßige Kosten (Ersatz für die defekte Waschmaschine usw.) kann man mit einem Darlehen bei der Behörde zwar abdecken, aber die Rückzahlungsmodalitäten regelt das Amt und die Raten werden zur monatlichen Bürde. Man debattiert zwar nun, ob man die monatlichen Raten auf maximal zehn Prozent der Bezüge reduzieren will (derzeit liegt das Maximum bei 30 Prozent), verschweigt aber, dass eine neue Waschmaschine im Zeitalter vor Hartz IV noch per Sonderzahlung gewährt wurde. Heute muss man solche Anschaffungen selbst tragen, obgleich man die Mittel dazu gar nicht hat.
An den Schulen spart man sich dämlich. Bei der Betreuung und in Kindergärten ebenfalls. Angebote für frühkindliche Erziehung hangeln sich von Etatkürzung zu Etatkürzung. Letzte Woche jubelten einige Medien, weil die OECD meldete, dass mit der Bildung in Deutschland alles ganz gut liefe. Wesentlich betrachtete die Studie aber Kosten- und Organisationsfragen. Das Niveau der Bildung war eher zweitrangig, die Probleme in den Klassenzimmern sind kein OECD-Indikator. Dass Deutschland im Vergleich zum Ausland relativ geringe Ausgaben im Sektor der Bildung aufweise, galt in der Berichterstattung als positiv. Synchron dazu fallen Schulstunden aus, fehlt neues Schulmaterial und verwahrlosen schulische Einrichtungen. Man lässt Pausenhöfe verwildern und stellt keine Hausmeister ein, obwohl die dringend benötigt würden. Der Mangel ist in manchen schulischen Einrichtungen, gerade in Bezirken, in denen eher Familien aus dem unteren Segment der Einkommensstatistik leben, mit bloßem Auge zu erkennen.
Straßen und Brücken sind eine weitere große Baustelle der schwarzen Null. Oder sagen wir so: Leider sind sie keine Baustelle, denn immer öfter werden ruinierte Straßen und nicht mehr statisch unbedenkliche Brücken einfach mit Geschwindigkeitsbegrenzungen »saniert«. Man lässt diese Unzulänglichkeiten oft jahrelang ohne Reparaturen und entzieht sich infrastruktureller Gestaltungsaufträge. Die Verkehrssituation ist ohnehin in manchen Ballungsgebieten eine Katastrophe. Wenn dann ganze Teilabschnitte nur begrenzt benutzbar sind, zur Tempo 30-Zone außerhalb der Stadt herabgestuft werden, verschärft man die ohnehin schwierige Situation massiv und nimmt damit Stress, Ärger und Unfälle in Kauf. Die Verkehrsteilnehmer sind sowieso angespannt. Aber die schwarze Null macht ihnen das Leben noch ein wenig schwieriger.
Die soziale Arbeit ist eine einzige Unterfinanzierung. Es fehlt an Angeboten für Jugendliche und an Angeboten für Menschen, die in dieses Land kommen. Jugendzentren schließen oder machen nur noch selten ihre Türen auf. Kulturelle Angebote werden rarer. Es schließen Bäder, Museen werden abgewickelt, Stadtbüchereien »optimieren« ihre Öffnungszeiten und Theater reduzieren ihr Programm. Verkehrsbetriebe machen auf Effizienz und frequentieren »verlassene Nester« immer weniger, sodass ältere Menschen ohne Mobilitätsmöglichkeiten zu Gefangene ihrer Ortes werden, Schwierigkeiten haben ihre Einkaufe zu erledigen oder Arztbesuche zu verrichten. Bahnhöfe werden ohne Personal unterhalten und auch hier leiden ältere Menschen darunter.
Das ist nur ein kleiner Überblick über die Schöpfungsgeschichte der schwarzen Null. Beispiele aus dem Alltag gibt es allerhand und für jeden sichtbar. Da schließen dann soziale Einrichtungen, obgleich sie gut liefen und Anlaufpunkt waren, einfach deswegen, weil die Kommunen finanziell am Ende sind und der Bund sie am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Als Exempel aus dem südhessischen Alltag mag beispielhaft das ehemalige Möbelkarussell herhalten. Die Langzeitarbeitslosen und andere arme gesellschaftliche Gruppen haben dort ein Angebot weniger, aber die Regierung ist stolz, dass die schwarze Null steht.
Die sparpolitischen Opfer bleiben namenlos. Wenn diese Kanzlerin in die Annalen dieser Republik als eine der ganz Großen eingehen wird, dann fragt keiner mehr danach, wie sie schwarze Nullen in einer Regierung voller selbiger geschrieben hat. »Wer baute das siebentorige Theben? / In den Büchern stehen die Namen von Königen. / Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? / Und das mehrmals zerstörte Babylon, / Wer baute es so viele Male auf ?«, fragte Bertolt Brecht mal nach dem Ruhm. Wer sparte sich die schwarze Null vom Munde ab?, müsste man sein Gedicht ins Zeitgenössische umschreiben. Wer diese Haushaltsdisziplin bezahlt, steht in den Zeilen oben. Die schwarze Null steht - und die, die darunter leiden, die fallen. Sie ist nicht schwarz, sie ist finster.
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Während sich der Regierungsbetrieb gegenseitig feiert, auf Neuschulden verzichtet zu haben, erfahren wir fast wöchentlich Stück für Stück mehr, wo diese Haushaltsdisziplin erarbeitet wird: Zum Beispiel bei Hartz-IV-Leistungsberechtigten. Nun häufen sich die Berichte, dass bei Langzeitarbeitslosen nicht mal eine ordentliche tägliche Mahlzeit mehr drin ist. Der Regelsatz wird von anderen Lebenshaltungskosten aufgefressen. Je länger man in den Mühlen dieser Sozialleistung steckt, desto ärmer wird man. Das Ersparte, das als Schonvermögen bei der Anrechnung noch unangetastet blieb, schrumpft merklich zusammen. Je länger im Bezug, desto weniger Schonvermögen bleibt. Außerplanmäßige Kosten (Ersatz für die defekte Waschmaschine usw.) kann man mit einem Darlehen bei der Behörde zwar abdecken, aber die Rückzahlungsmodalitäten regelt das Amt und die Raten werden zur monatlichen Bürde. Man debattiert zwar nun, ob man die monatlichen Raten auf maximal zehn Prozent der Bezüge reduzieren will (derzeit liegt das Maximum bei 30 Prozent), verschweigt aber, dass eine neue Waschmaschine im Zeitalter vor Hartz IV noch per Sonderzahlung gewährt wurde. Heute muss man solche Anschaffungen selbst tragen, obgleich man die Mittel dazu gar nicht hat.
An den Schulen spart man sich dämlich. Bei der Betreuung und in Kindergärten ebenfalls. Angebote für frühkindliche Erziehung hangeln sich von Etatkürzung zu Etatkürzung. Letzte Woche jubelten einige Medien, weil die OECD meldete, dass mit der Bildung in Deutschland alles ganz gut liefe. Wesentlich betrachtete die Studie aber Kosten- und Organisationsfragen. Das Niveau der Bildung war eher zweitrangig, die Probleme in den Klassenzimmern sind kein OECD-Indikator. Dass Deutschland im Vergleich zum Ausland relativ geringe Ausgaben im Sektor der Bildung aufweise, galt in der Berichterstattung als positiv. Synchron dazu fallen Schulstunden aus, fehlt neues Schulmaterial und verwahrlosen schulische Einrichtungen. Man lässt Pausenhöfe verwildern und stellt keine Hausmeister ein, obwohl die dringend benötigt würden. Der Mangel ist in manchen schulischen Einrichtungen, gerade in Bezirken, in denen eher Familien aus dem unteren Segment der Einkommensstatistik leben, mit bloßem Auge zu erkennen.
Straßen und Brücken sind eine weitere große Baustelle der schwarzen Null. Oder sagen wir so: Leider sind sie keine Baustelle, denn immer öfter werden ruinierte Straßen und nicht mehr statisch unbedenkliche Brücken einfach mit Geschwindigkeitsbegrenzungen »saniert«. Man lässt diese Unzulänglichkeiten oft jahrelang ohne Reparaturen und entzieht sich infrastruktureller Gestaltungsaufträge. Die Verkehrssituation ist ohnehin in manchen Ballungsgebieten eine Katastrophe. Wenn dann ganze Teilabschnitte nur begrenzt benutzbar sind, zur Tempo 30-Zone außerhalb der Stadt herabgestuft werden, verschärft man die ohnehin schwierige Situation massiv und nimmt damit Stress, Ärger und Unfälle in Kauf. Die Verkehrsteilnehmer sind sowieso angespannt. Aber die schwarze Null macht ihnen das Leben noch ein wenig schwieriger.
Die soziale Arbeit ist eine einzige Unterfinanzierung. Es fehlt an Angeboten für Jugendliche und an Angeboten für Menschen, die in dieses Land kommen. Jugendzentren schließen oder machen nur noch selten ihre Türen auf. Kulturelle Angebote werden rarer. Es schließen Bäder, Museen werden abgewickelt, Stadtbüchereien »optimieren« ihre Öffnungszeiten und Theater reduzieren ihr Programm. Verkehrsbetriebe machen auf Effizienz und frequentieren »verlassene Nester« immer weniger, sodass ältere Menschen ohne Mobilitätsmöglichkeiten zu Gefangene ihrer Ortes werden, Schwierigkeiten haben ihre Einkaufe zu erledigen oder Arztbesuche zu verrichten. Bahnhöfe werden ohne Personal unterhalten und auch hier leiden ältere Menschen darunter.
Das ist nur ein kleiner Überblick über die Schöpfungsgeschichte der schwarzen Null. Beispiele aus dem Alltag gibt es allerhand und für jeden sichtbar. Da schließen dann soziale Einrichtungen, obgleich sie gut liefen und Anlaufpunkt waren, einfach deswegen, weil die Kommunen finanziell am Ende sind und der Bund sie am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Als Exempel aus dem südhessischen Alltag mag beispielhaft das ehemalige Möbelkarussell herhalten. Die Langzeitarbeitslosen und andere arme gesellschaftliche Gruppen haben dort ein Angebot weniger, aber die Regierung ist stolz, dass die schwarze Null steht.
Die sparpolitischen Opfer bleiben namenlos. Wenn diese Kanzlerin in die Annalen dieser Republik als eine der ganz Großen eingehen wird, dann fragt keiner mehr danach, wie sie schwarze Nullen in einer Regierung voller selbiger geschrieben hat. »Wer baute das siebentorige Theben? / In den Büchern stehen die Namen von Königen. / Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? / Und das mehrmals zerstörte Babylon, / Wer baute es so viele Male auf ?«, fragte Bertolt Brecht mal nach dem Ruhm. Wer sparte sich die schwarze Null vom Munde ab?, müsste man sein Gedicht ins Zeitgenössische umschreiben. Wer diese Haushaltsdisziplin bezahlt, steht in den Zeilen oben. Die schwarze Null steht - und die, die darunter leiden, die fallen. Sie ist nicht schwarz, sie ist finster.
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