Eine der perversen aber folgerichtigen Begleiterscheinungen einer Gesellschaft, die auf eine kapitalistische Wirtschaftsweise setzt, wird oft bejammert, nämlich die Tatsache, dass so viel (oft noch gutes) Essen weggeworfen wird. Dann sitzen Verbraucher und Verbraucherministerin betroffen bei Jauch im Gasometer und finden das irgendwie verwerflich, anstatt einmal ernsthaft darüber nachzudenken, warum das so sein muss und gar nicht anders sein kann.
Wer nicht alles fressen will, sollte nicht in diese Falle tappen
Privateigentum und Konkurrenz, die hochgeschätzten Grundlagen unserer vielgepriesenen Wirtschaftsweise, führen nun einmal dazu, dass einerseits sehr viel mehr produziert wird, als konsumiert werden kann – und ob das Zeug tatsächlich gegessen wird, kann Produzent und Handel andererseits auch herzlich egal sein, denn es geht ausschließlich darum, das Zeug zu verkaufen. Denn nur, wenn der Verbraucher Geld dafür hinlegt, hat sich das Geschäft gelohnt. Wer dabei satt wird und wer hungrig bleiben muss, spielt überhaupt keine Rolle. Und das genau ist auch der Grund dafür, weshalb das Zeug, das gerade nicht verkauft werden konnte, nicht einfach verschenkt werden kann – denn der kapitalistisch trainierte Konsument ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Warum für etwas bezahlen, was man am Ende auch so haben kann?! Dann geht das schöne Geschäftsmodell ja nicht mehr auf!
Deshalb sind ja diese Container-Leute so ärgerlich – die containern zum Teil ja gar nicht, weil sie sich die Sachen nicht leisten könnten, sondern weil sie nicht einsehen, dass das gute Zeug sinnlos verkommt. Oder weil sie nicht einsehen wollen, dass man für etwas bezahlen soll, das ohnehin weggeworfen wird. Für Interessierte gibt es Artikel dazu beispielsweise hier und dort.
Damit will ich nicht unbedingt eine Lanze für das Containern brechen – mir wäre ja ohnehin lieber, einfach so viel von dem, was die Leute haben wollen und was gesund ist (gerade gibt es wieder einen Geflügel-Skandal) und schmeckt, zu produzieren, wie halt gebraucht wird. Eine leichte Überproduktion ist bei der heutigen Produktivität zu verkraften und angenehmer als Mangel – den es aber derzeit trotzdem gibt, weil halt immer mehr Leute nicht mehr genug vom Lebensmittel Geld haben. Der Markt ist halt kein besonders talentierter Verteiler, sondern ein begnadeter Versager.
Beim Umverteilen ist das wieder anders, aber eigentlich wollte ich auf eine ganz andere Sache hinaus: Vor dem Landgericht Lüneburg wird gerade mal wieder einer jener bizarren Prozesse geführt, bei denen sich ein Mensch dafür verantworten muss, aus einer Mülltonne Essen „gestohlen“ zu haben. Denn natürlich gibt es im Kapitalismus niemals die Situation, dass irgendetwas, selbst wenn es im Müll landet, niemandem gehören würde. Natürlich gehört auch der Müll jemanden. Und, in diesem Fall noch wichtiger: Der Grund und Boden auf dem sich der Müll befindet, wird von irgendwem eigentümt.
Der Angeklagte war nämlich auf das umzäunte Gelände einer Großbäckerei eingedrungen, um sich aus dem dort befindlichen Müllcontainer eine Packung Kekse zu holen. Damit hat er sich des Hausfriedensbruchs (so steht es in der Meldung) schuldig gemacht. Dafür wurde er in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 125 Euro verurteilt – ein stolzer Preis für eine Packung Kekse, insbesondere, da der Mann nach eigener Aussage verarmt ist und vom Containern lebe.
Aber selbstverständlich geht es hier nicht um den Gegenwert einer Packung Kekse, sondern um die Strafe als Abschreckung – man darf sich halt nicht überall aufhalten und Kekse an sich nehmen, selbst, wenn diese sonst kein Mensch haben will. Schon gar nicht, wenn man dazu eindeutig abgegrenztes Privatgelände betreten muss. Denn das ist so heilig, dass das Eindringen an sich schon bestraft werden muss. Bei den meisten Container-Prozessen geht es nämlich um den Bruch des Haus- oder Landfriedens und nicht um den Vorwurf des Diebstahls – Leute zu bestrafen, die Dinge an sich genommen haben, die ohnehin keiner haben will, ist wohl auch den meisten Juristen zu lächerlich.